Galium

Galii odorati herba (Waldmeisterkraut)

Verfasser

Bettina Schwell

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Synonyme

Asperulae odoratae herba; Herba Asperulae; Herba Cordialis; Herba Hepaticae stellatae; Herba Hepaticae stellatae; Herba Hepaticae stellatae; Herba Matrisylviae vel Matrisilvae

Sonstige Bezeichnungen

dt.:Maikraut, Waldmeister, wohlriechendes Meierkraut; Sweet-scented, wood droof; Herbe d'asperule odorante, herbe de petit muguet; Asperella odorata.

Offizinell

Herba Asperulae – EB 6

Definition der Droge

Die getrockneten oder frischen, während oder kurz vor der Blütezeit (April bis Mai) gesammelten oberirdischen TeileEB 6.

Stammpflanzen: Galium odoratum (L.) SCOP. (als Asperula odorata. EB 6).

Herkunft: Die Droge wird in Gärten als Arzneipflanze kultiviert oder stammt aus Wäldern, wo sie in Halbkultur genommen wird [30]. Häufig sammelt man sie noch wild. Herkunftsgebiete sind Osteuropa, Italien, Westasien und Nordafrika [25].

Gewinnung: Das Kraut wird kurz vor oder zu Beginn der Blüte, frühestens vom zweiten Jahr an, geschnitten. Die Trocknung erfolgt im Schatten in luftigen Räumen unter häufigem Wenden. Die Droge sollte vor Licht geschützt werden, um Braunfärbung zu vermeiden [25].

Ganzdroge: Aussehen. Der 10 bis 30 cm lange Stengel ist 4kantig mit stark hervortretenden Kanten, unbehaart und nur an den Knoten mit einem Kranz feiner, weißer Borsten versehen. Die ganzrandigen Blätter sind 1,5 bis 5 cm lang, 4 bis 12 mm breit, länglich-lanzettförmig, stachelspitzig, am Rande gewimpert, an den Hauptnerven weich-borstig oder fein behaart, oberseits bläulich-schwarzgrün, unterseits graugrün und lassen auf der sehr fein behaarten Unterseite den Mittelnerv hervortreten. Die kleinen Blüten stehen in einer endständigen, reich verzweigten, lockeren Trugdolde. Der Kelch ist undeutlich, die Blumenkrone trichterförmig, mit 4 der Blumenkrone angewachsenen Staubblättern und einem unterständigen Fruchtknoten mit 2spaltigem Griffel versehen [29].

Schnittdroge: Geschmack. Würzig bitter, etwas herb. Geruch. Nach Cumarin. Aussehen. Die Schnittdroge ist gekennzeichnet durch die ganzrandigen, lanzettlichen, dunkel- bis graugrünen Blattstückchen mit dem kräftigen Mittelnerv auf der Unterseite, durch Blattspitzenteile mit der kleinen Stachelspitze, durch dünne, kantige Stengelstücke, durch einzelne Blüten und kugelige, dicht mit hakigen Borsten versehene Früchte [29].

Pulverdroge: Mikroskopisches Bild. Die graugrüne Pulverdroge ist gekennzeichnet durch kurze, starre, am Blattrand und auf der Unterseite der Mittelrippe vorhandene einzellige, dickwandige, an ihrer Spitze hakenförmig gebogene Haare, die aus breiter Basis entspringen und nach der Blattspitze gerichtet sind, durch zahlreiche, 150 bis 300 μm große Oxalatraphiden, die in Flächenansicht von Blattstückchen im Mesophyll hervortreten, durch Epidermisfetzen mit oberseits schwach getüpfelten, großen, welligen und unterseits wellig buchtigen Zellen und durch Blattstückchen, die auf der Unterseite Spaltöffnungen mit 2 dem Spalt parallel laufenden Nebenzellen zeigen. Querschnittsbruchstückchen zeigen eine Reihe kurzer Palisadenzellen und ein 2- bis 3reihiges Schwammparenchym [29].

Verfälschungen/Verwechslungen: Verfälschungen und Verwechslungen kommen mit Galium mollugo L. undGalium sylvaticum L. vor [15].

Inhaltsstoffe: Cumarin. Cumarin liegt in glykosidischer Bindung vor und wird beim Verwelken mit charakteristischem Duft frei [48]. Als geruchlose Vorstufe werden o-Cumarsäureglykosid, vor allem Cumarinsäureglykosid genannt. Nach Lit. [31] wird Cumarin auch beim Ansetzen des frischen Krautes mit verdünntem Ethanol durch enzymatische Hydrolyse freigesetzt. Mit Hilfe der quantitativen DC durch Fluoreszenzmessungen wurde ein mittlerer Cumaringehalt von 1,06 % der Pflanzentrockenmasse im April/Mai ermittelt. Im August lag der Gehalt in Abhängigkeit vom Klima zwischen 0,93 % und 0,44 % nach einer längeren Trockenperiode [31]. Die Hauptmenge des Cumarins wird aus den Blättern freigesetzt, Stengel bilden drei- bis viermal weniger Cumaringlykoside [32]. Den höchsten Gehalt an Cumaringlykosid weist das frische Kraut im Frühjahr auf [28].

Freisetzung von Cumarin in Galii odorati herba

Iridoide. Älteren Analysen zufolge im frischen Kraut 0,05 % kristallisierendes Asperulosid [6], nach Lit. [33], [34]0,28 % Asperulosid, sowie Monotropein. Eine HPLC-Untersuchung des frischen Krautes erbrachte 0,25 % Asperulosid, 0,042 % Monotropein und 0,022 % Scandosid. Zudem fanden sich Spuren von Deacetylasperulosidsäure [35]. Der Gehalt an Asperulosid und Monotropein ist in Blüten höher als in Blättern und Sproßachse [35].

Asperulosid

Monotropein

Phenolische Verbindungen. Gallussäure, Kaffeesäure, p-Cumarsäure, p-Hydroxybenzoesäure und Vanillin [6]. Weitere Verbindungen. n-Alkane, vor allem n-Heptacosan [14].

Reinheit: – Aschegehalt: Höchstens 14 % EB 6.

Verwendung: Maiwein-Extrakt, Waldmeisteressenz [52]. Zur gewerbsmäßigen Herstellung von Maibowle unter Verwendung von Waldmeisterkraut, wobei ein Höchstgehalt von 5 ppm Cumarin nicht überschritten werden darf. Bei einem durchschnittlichen Cumarin-Gehalt von 1,06 % der Trockenmasse sollten daher zum Ansatz von 1 L Bowle nicht mehr als 3 g frisches Kraut benutzt werden [40]. Laut Aromenverordnung ist die Verwendung von Cumarin und von Waldmeisterkraut zur Herstellung von Essenzen seit 1981 verboten [40].

Gesetzliche Bestimmungen: Negativmonographie der Kommission E am BGA „Galii odorati herba (Waldmeisterkraut)“ [36]. Wenig giftig (+) oder kaum giftig [37].

Pharmakologie

Wirkungen: Untersuchungen mit definierten Drogenzubereitungen liegen nicht vor. Für die Asperulosid zugeschriebene antiphlogistische Wirkung sowie für die in Analogie zu anderen „Cumarinpflanzen“ der Droge zugeschriebene harntreibende Wirkung fehlen experimentelle Belege [26], [49].

Unerwünschte Wirkungen

In therapeutischen Dosen keine Nebenwirkungen [38].

Bei Unruhezuständen, Kopf- und Leibschmerzen, Schlaflosigkeit infolge Überarbeitung, unregelmäßiger Herztätigkeit, Herzklopfen, Nervenschmerzen, hysterischen Anfällen, Menstruationsbeschwerden auf nervöser Grundlage. Auch bei Leberstauungen und Gelbsucht. Ferner bei Durchblutungsstörungen, Venenerkrankungen, Venenschwäche und Hämorrhoiden [54]. Die Wirksamkeit bei den beanspruchten Anwendungsgebieten ist nicht belegt. Die Anwendung kann nicht befürwortet werden [36]. Mittlere Einzelgabe: Als Einnahme 1,0 g [29]. Als Tee: 2 Teelöffel (1,8 g) mit 1 Teeglas Wasser kalt ansetzen, tagsüber oder vor dem Schlafengehen trinken. Zu Verreibungen und alkoholischen Auszügen. 5 %iges Infus bei Schlaflosigkeit der Kinder, Greise und derjenigen Kranken, deren Leiden auf eine Störung des Sympathikus zurückzuführen sind [26]. Stirnumschläge vom zerquetschten Kraut bei Kopfschmerzen [16].

Tox. Inhaltsstoffe und Prinzip: Als toxisches Prinzip der Droge ist → Cumarin anzusehen.

Acute Toxizität:

Mensch. Beim Genuß von Waldmeisterzubereitungen (z. B. Waldmeister-Bowle) können Kopfschmerzen auftreten[37]. Akute Vergiftungen durch cumarinhaltige Pflanzen bzw. Nahrungsmittel sind beim Menschen jedoch nicht zu erwarten [38].

Chronische Toxizität:

Mensch. Da im Unterschied zu Ratte und Hund beim Menschen nur 1 bis 6 % des aufgenommenen Cumarins in die lebertoxische o-Hydroxyphenylessigsäure umgewandelt werden (68 bis 92 % dagegen in das untoxische 7-Hydroxycumarin), wird das Risiko einer toxischen Langzeitwirkung entsprechender Drogenzubereitungen als gering eingeschätzt [38].

Tier. Chronische Cumarinzufuhr verursacht in Ratten und Hunden reduzierte Futterverwertung, Wachstumsstillstand und Leberschäden [38], [53].

Mutagen:

Carcinogen: Cumarin wirkt im Tierversuch an Ratten carcinogen. Angesichts der Species-Unterschiede beim Metabolismus ist die Relevanz dieser Befunde für den Menschen umstritten und bedarf weiterer Untersuchungen[38], [56].

Reproduktion: Nach Verfütterung einer 0,25 %igen Cumarin-Diät vom 6. bis zum 17. Tag an trächtige NMRI-Mäuse war eine deutliche Entwicklungsverzögerung bei den Feten zu beobachten [39].

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15.08.2010