Filipendula

Spiraeae herba

Verfasser

Beat Meier, Marianne Meier-Liebi

Übersicht

F > Filipendula > Filipendula ulmaria (L.) MAXIM > Spiraeae herba

Gliederung

G Filipendula

A Filipendula ulmaria (L.) MAXIM

D Filipendula ulmaria ferm. 34c hom. HAB 1

D Filipendula ulmaria hom. HAB 1

D Spiraeae flos (Mädesüßblüten)

D Spiraeae herba

Synonyme

Herba Barbae caprae; Herba Reginae prati; Herba Spiraeae ulmariae

Sonstige Bezeichnungen

dt.:Mädesüßkraut, Spierkraut, Spierstaude, Sumpfspierkraut; Herbe d'ulmaire; Yerba de ulmaria.

Offizinell

Filipendula – BHP 83

Definition der Droge

Getrocknete, oberirdische Teile blühender Pflanzen.

Stammpflanzen: Filipendula ulmaria (L.) MAXIM

Herkunft: Hauptlieferländer sind südost- und osteuropäische Länder, so vor allem Polen, aber auch das ehemalige Jugoslawien und Bulgarien.

Gewinnung: In der Blütezeit von Juni bis August werden die oberen Teile der Pflanze, wenn sie voll erblüht ist, gesammelt und zum Trocknen aufgehängt, wobei die Trocknungstemperatur 40 °C nicht überschreiten soll. Die abfallenden Blüten werden aufgefangen und ebenfalls verwendet [26].

Schnittdroge: Aussehen. Viele Blattfragmente. Die spröden Blätter zerfallen in kleine, undurchsichtige, dunkelgrüne, zusammenhaftende Teile. Zahlreiche, dünnwandige, hohle, oft längs gespaltene, derbe, kantige Stengelteile. Blüten gemäß Beschreibung bei → Droge Spiraeae flos.

Mikroskopisches Bild: Auf den Blättern befinden sich zwei Haartypen: Wenige einzellige, dickwandige, sich verjüngende Haare mit einer verdickten, vertieften Basis. Zahlreiche dünnwandige, schmale, weniger als 5 μm breite, lange, gekrümmte und ineinander verwickelte, scheinbar einzellige Haare. Die Spaltöffnungen sind anomocytisch und nur auf der Unterseite der Blätter angeordnet. Im Mesophyll liegen bis zu 40 μm große Calciumoxalatkristalle. Teile der Blüten gemäß Beschreibung bei → Droge Spiraeae flos [44].

Minderqualitäten: Zu spät geerntete Pflanzen, in denen bereits ein hoher Anteil an Früchten vorhanden ist.

Inhaltsstoffe: Qualitativ weitgehend analog zu den Blüten mit zum Teil geänderten Verhältnissen infolge unterschiedlichen Inhaltsstoffspektrums bei den Blättern. Die Blätter enthalten kein oder nur wenig Spiraein [16]. Getrocknete Blätter finnischer Herkunft enthielten nach Wasserdampfdestillation 29 μg/g Salicylaldehyd, Methylsalicylat war nicht nachweisbar [19]. Auch das Flavonoidmuster der Blätter ist gegenüber den Blüten unterschiedlich. Die 4′-Glykoside (Spiraeosid, Kämpferol-4′-glucosid) fehlen. Mit HPLC konnten Rutin, Hyperosid, Quercetin-3-glucuronid und Quercetin-3-arabinosid in mehreren Mustern in der Auvergne gesammelter Drogen nachgewiesen und quantifiziert (Summe ca. 2 %) werden. Die Stengel enthalten die gleichen Flavonglykoside wie die Blätter, doch nur ca. 0,5 % (Summe) [48]. Hauptaglykon nach Hydrolyse war erwartungsgemäß Quercetin (0,9 respektive 1,4 % in zwei Handelsmustern), unter 0,1 % lagen die Werte für Kämpferol und Isorhamnetin [18]. Isoliert wurden verschiedene Ellagitannine, nämlich 1,2,3-Tri- und 2,3-Di-O-galloyl-4,6-(S)-hexahydroxydiphenoyl-β-D-glucose [32] sowie Rugosin D [33] , ein Dimeres der ersten Verbindung, wobei noch zwei gemäß NMR-Daten mögliche Strukturen in Diskussion sind. Die spektroskopischen Daten aus Lit. [45] sind auch mit Isorugosin [46]kompatibel. Rugosin D zeigt ein hohes Proteinbindungsvermögen [34].

Rugosin D Ellagitannine in F. ulmaria

Identitaet: Analog zu Droge Spiraeae flos. Für Flavonoide und Ellagitannine kann allenfalls nach HAB 1chromatographiert (DC) werden (s. Filipendula ulmaria ferm. 34c hom. HAB 1).

Reinheit: Asche: Höchstens 8 % BHP 83 Säureunlösliche Asche: Höchstens 2 % BHP 83

Gehaltsbestimmung: Gemäß → Droge Spiraeae flos.

Lagerung, Stabilität, Verwendung, u. a.

Lagerung: Vor Licht und Feuchtigkeit geschützt aufbewahren BHP 83.

Zubereitungen: Flüssigextrakt 1 : 1 in Alkohol 25 %; Tinktur 1 : 5 in Alkohol 45 % BHP 83.

Gesetzliche Bestimmungen: Aufbereitungsmonographie der Kommission E am BGA „Filipendula ulmaria(Mädesüß)“ [25].

Wirkungen: Proteinbindung. Rugosin D zeigt sowohl in der Gleichgewichtsdialyse wie auch in der mikrocalorimetrischen Messung eine hohe Bindungskapazität zu Rinder-Serum-Albumin (BSA). Beim Transfer von wäßriger Rugosin D-Lösung in eine BSA-Lösung ist die gemessene freie Energie ΔG je nach Konzentration des Ellagitannins 2- bis 2,5mal negativer (was einer entsprechend höheren Affinität entspricht) als für Penta-O-galloyl-β-D-glucose, dem Galloylgerbstoff mit dem höchsten Proteinbindungsvermögen. Für die Assoziationskonstante Kader Gleichgewichtsdialyse ist der Unterschied noch größer. Rugosin D gilt derzeit als das Gallussäurederivat aus höheren Pflanzen mit dem höchsten Proteinbindungsvermögen [34]. Das Proteinbindungsvermögen von 1,2,3-Tri-O-galloyl-4,6-(S)-hexahydroxydiphenoyl-β-D-glucose ist mit diesen Methoden nur leicht schwächer als von Penta-O-galloyl-β-D-glucose, dasjenige von 2,3-Di-O-galloyl-4,6-(S)-hexahydroxydiphenoyl-β-D-glucose ist demgegenüber gering [34], [35], [36]. Diese in-vitro-Versuche belegen die adstringierenden Eigenschaften der Pflanze, die auch in den sensorischen Prüfungen (zusammenziehend bitter) zum Ausdruck kommen. Sie bestätigen einige volksmedizinische Anwendungen. Wundheilende Wirkung. In einer russischen Arbeit wird auf einen heilenden Effekt des Krautpulvers bei künstlich erzeugten oberflächlichen Wunden bei Ratten (die Wurzel erwies sich als deutlich weniger wirksam) hingewiesen [37]. Detaillierte Angaben sind nicht zugänglich. Antitumor-Aktivität. Rugosin D zeigte eine Antitumor-Aktivität bei weiblichen Mäusen. 5 respektive 10 mg der Testsubstanz wurden intraperitoneal sechs Tieren appliziert, vier Tage später wurden 10 [5] Tumorzellen Sarcoma-180 eingeimpft. Zur Beurteilung der Tumoraktivität wurde ein Faktor (%ILS = 100⋅ {Mittel der Überlebenstage der behandelten Gruppe – Mittel der Überlebenstage der unbehandelten Gruppe}/ Mittel der Überlebenstage der unbehandelten Gruppe) ermittelt sowie die überlebenden Tiere gezählt. Den Tieren der Kontrollgruppe wurde anstelle des Tannins mit OK-432 eine Streptococcen-Präparation verabreicht. Deren Überlebenszeit betrug 12,9 ± 0,8 Tage. Damit eine Substanz als aktiv bezeichnet wurde, mußte ein %ILS > 70 erreicht werden. Für 10 mg Rugosin D ergab sich ein %ILS = 171,5 bei einem überlebenden Tier, für 5 mg Isorugosin D ein %ILS = 146,5 bei zwei überlebenden Tieren. Die Einmalapplikation vier Tage vor der Impfung der Tumorzellen erwies sich als deutlich wirksamer im Vergleich zur dreimaligen Applikation einen, vier respektive sieben Tage vor der Impfung. Die lange Vorlaufzeit macht Struktur/Wirkungs-Interpretationen schwierig, da vom Metabolismus nichts bekannt und der Effekt der Kontrollbehandlung unklar ist. Die Autoren selbst bezweifeln einen direkten Einfluß der Tannine auf die Tumorzellen. Immerhin erwies sich eine bestimmte Molekularmasse und ein hoher Anteil an Galloylestern für die Antitumorwirkung der Ellagitannine als wichtig.

Anwendungsgebiete

Zur unterstützenden Behandlung von Erkältungskrankheiten [25].

Dosierung & Art der Anwendung

Gebräuchliche Einzeldosis: 4 bis 5 (bis 6) g getrocknete Droge zwei- bis mehrmals täglich innerlich als Infus, eventuell als Pulver [25], [44]. Teebereitung: Analog → Spiraeae flos. Gebräuchliche Tagesdosen der Zubereitungen: 1,5 bis 6,0 mL Flüssigextrakt; 2 bis 4 mL der Tinktur [44].

Unerwünschte Wirkungen

Analog → Spiraeae flos.

Gegenanzeigen/

Anwendungsbeschränkungen

Mädesüßkraut enhält Salicylate. Es sollte daher bei Salicylat-Überempfindlichkeit nicht angewendet werden [25].

Wechselwirkungen

Keine bekannt [25].

Primär analog → Spiraeae flos. Lit. [44] beschreibt weitere, in Deutschland zum Teil unübliche Anwendungsbereiche: Atonische Dyspepsie mit Magenbrennen und Hyperacidität, Diarrhöe bei Kindern sowie in speziellen Fällen zur Prophylaxe und zur Behandlung von Magengeschwüren. Das hohe Proteinbindungsvermögen der Ellagitannine in Blättern von F. ulmaria deutet auf einen Nutzen für solche Anwendungen hin; vgl. auch → Wirkungen von Spiraeae flos. Die Wirksamkeit der Droge bei den genannten Anwendungsgebieten ist jedoch nicht ausreichend belegt.

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Datenstand

15.08.2010