Agropyron
Agropyri repentis rhizoma (Queckenwurzelstock)
Verfasser
Piotr Gorecki, Renate Seitz
Übersicht
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Gliederung
A Agropyron repens (L.) P. BEAUV.
D Agropyri repentis rhizoma (Queckenwurzelstock)
D Triticum repens hom. HPUS 78
Synonyme
Graminis rhizoma; Radix Agropyri; Radix Cynagrostis; Radix Graminis albi; Radix Graminis arvensis; Radix Graminis canini; Radix Graminis officinarum; Radix Graminis repentis; Radix Graminis vulgaris; Radix Tritici repentis; Rhizoma Agropyri; Rhizoma graminis; ritici rhizoma; Stolones graminis
Sonstige Bezeichnungen
dt.:Ackergraswurzel, Bayerwurzel, Graswurzel, Fegwurzel, Knotengraswurzel, Kriechweizenwurzel, Laufqueckenwurzel, Pädenwurzel, Queckenwurzel, Quecksilberwurzel, Saatgraswurzel, Schließgraswurzel; Couch grass root, Quick grass root, Quitch grass root; Rhizome de chiedent, Chiedent; Gramigna; Grama, Raiz de grama; pol.:Klacza perzu.
Offizinell
Rhizoma Graminis – EB 6; ÖAB 8; Helv V; Chiedent – PF X; Tritici rhizoma – Belg IV; Rhizoma Agropyri – Pol IV
Definition der Droge
Der getrocknete, im Frühling vor der Entwicklung der Halme oder im Herbst gesammelte Wurzelstock; [29] der von anhaftenden Wurzeln weitgehend befreite, getrocknete Wurzelstock [13], [30].
Stammpflanzen: Agropyron repens (L.) P. BEAUV.
Herkunft: Droge ausschließlich aus Wildvorkommen, Hauptlieferland ist Ungarn, seltener Importe aus Jugoslawien und Rumänien [14].
Gewinnung: Sammlung durch Auseggen von Feldern; nach dem Reinigen und Waschen der Wurzeln Lufttrocknung oder künstliche Trocknung bei etwa 55 °C [15].
Ganzdroge: Aussehen. Lange, ästige, 2 bis 4 mm dicke Rhizome mit 2 bis 5 cm langen, hohlen, außen längsgefurchten, glatten, glänzenden, blaß strohgelben Stengelgliedern. Nur an den nicht hohlen und nicht verdickten Knoten sehr dünne Wurzeln und kurze weißliche, gefranste, häutige Scheiden von Niederblättern. In den Achseln der Niederblätter die zur Verzweigung des Rhizoms führenden Seitensprossen EB 6.
Längs- und Querschnitt von Agropyri repentis rhizoma (Queckenwurzelstock) 200 : 1. Aus [26] 1. Querschnitt: ed = Endodermis; l = Leptom. 2. Radialer Längsschnitt durch die Epidermis mit einem Kurzzellenpaar, Hypoderm und äußerste Rindenschichten. 3. Epidermis in Flächenansicht, mit durchschimmerndem Hypoderm. 4. Radialer Längsschnitt durch Endodermis „ed“ und äußere Teile des Zentralstranges mit einem Tüpfelgefäß. 5. Äußere Epidermis eines Niederblattes mit einer der wenigen Spaltöffnungen.
Schnittdroge: Geschmack. Fade, schwach süßlich. Geruch. Fehlt. Aussehen. Die Schnittdroge besteht aus strohgelben, glänzenden längsgefurchten, hohlen Stengelgliedern und den mit sehr dünnen, fadenförmigen Wurzeln und kurzen, gefransten häutigen Niederblattscheiden besetzten Knotenstücken. Im Lupenbild in der stärkemehlfreien Rindenschicht als äußerst feine Punkte die etwa sechs in die Blätter abzweigenden Gefäßbündel erkennbar. Die Leitbündel in einem fast zitronengelben, dichten Ring angeordnet; das Markgewebe in der Mitte zerrissen, ein unregelmäßig begrenzter zentraler Hohlraum EB 6.
Mikroskopisches Bild: Epidermis aus zweierlei Zellen in Längsrichtung abwechselnd aus großen, gestreckten Zellen mit dicken, gewellten Wandungen und kleinen, rundlichen, fast quadratischen, dünnwandigen Zellen. Letztere zuweilen in ein kurzes Haar ausgewachsen. Zellen der Endodermis an den Seitenwänden und an der Innenwand verdickt und verholzt (U-förmige Zellen). Im Zentralzylinder nahe der Epidermis zwei Kreise dicht aneinanderstoßender und miteinander wechselnder, kollateraler Gefäßbündel, die des äußeren Kreises kleiner als die des inneren. Sämtliche Bündel eingebettet in dickwandiges, einen geschlossenen Ring bildendes, sklerenchymatisches Gewebe. Das Markgewebe mehr oder weniger stark geschwunden. Stärke und Oxalatkristalle fehlen. Die Niederblätter beiderseits von Epidermis aus dünnwandigen, im Sinne des Nervenlaufs stark gestreckten Zellen, mit Spaltöffnungen bedeckt. Mesophyll aus rechteckigen Zellen. Nerven mit Faserbalg der Gefäßbündel.
Pulverdroge: Mikroskopisches Bild. Das weißlichgelbe Pulver ist gekennzeichnet durch die langgestreckten, schwach welligen Epidermiszellen, durch zahlreiche Bruchstücke unverdickter Fasern, durch Ring- und Tüpfelgefäße und durch stärkefreie Parenchymfetzen EB 6.
Verfälschungen/Verwechslungen: Häufigste Verfälschung mit den Rhizomen von Cynodon dactylon (L.) PERS., Hundszahngras, Poaceae – auch als Rhizoma Graminis italici bezeichnet – und den Rhizomen von Carex-Arten, z. B. C. arenaria L. und C. disticha HUDS., Cyperaceae. Rhizoma italici und Rhizoma Caricis enthalten Stärke und sind daher durch die Jodreaktion zu unterscheiden: Schnittflächen färben sich beim Betupfen mit Jod blauschwarz. Histologisches Unterscheidungsmerkmal stellen Form und Größe der Epidermiszellen dar. Verfälschungen mit Rhizomen von Imperata zylindrica (L.) RAUSCH., Poaceae, sind an den 2 bis 3 cm langen, nur sehr fein längsgerunzelten Internodienabschnitten zu erkennen [15], [16], [17].
Inhaltsstoffe: Wirksamkeitsbestimmende oder analytisch auffallende Inhaltsstoffe sind nicht bekannt. Die Hauptmenge der Extraktivstoffe besteht aus wasserlöslichen Polysacchariden – Hauptkomponente ist das Polyfructosan Triticin (nach älteren Angaben zwischen 3 bis 8 %), das dem Inulin verwandt ist [15], [18] – Schleimen (bis 10 %), 2 bis 3 % Zuckeralkoholen, u. a. Mannit und Inosit und lösliche Kieselsäure und Silikate [16]. Ältere Angaben über das Vorkommen von Saponinen sind bisher nicht bestätigt worden. Auch das Vorkommen des Acetylenderivates Agropyren als Hauptkomponente des ätherischen Öls wurde nach einer neueren Untersuchung nicht bestätigt [19]. Nach [19] bestehen die mit Wasserdampf flüchtigen Komponenten aus Fettsäuren und aus terpenoiden Komponenten von denen 49 identifiziert worden sind, darunter Carvacrol (10,8 %), Carvon (5,5 %); Thymol (4,3 %) u. a.
Identitaet: a) Durch makroskopische und mikroskopische Prüfung EB 6, PF X. b) Schnitte der Droge in einen Tropfen 1-Naphthol-Lsg. eingebracht und anschließend mit Schwefelsäure versetzt, müssen sich an den Schnittflächen violett färben (Triticin) [13]. c) DC nach PF X. Zur Herstellung der Prüflsg. wird 1 g Droge mit Schwefelsäure 4 % drei Stunden am Rückfluß hydrolisiert und dann die überstehende, getrocknete Lsg. in Methanol aufgenommen. Nach dem zweimaligen Entwickeln im Fließmittel Wasser/Isopropanol/ n-Butanol (12 : 33 : 55) und Besprühen mit 10 % ethanolischer Anilinlsg. und anschließendem Erhitzen auf 110 °C liefert das Chromatogramm der Prüflsg. bei Auswertung im Tageslicht zwei hellbraune Flecke mit den Rf-Werten 0,5 und 0,55, in Farbe und Lage ähnlich den Flecken der beiden Referenzsubstanzen Glucose und Levulose, und eine breite hellbraune Zone mit dem Rf-Wert 0,7.
Reinheit: a) Fremde Bestandteile: Drogenteile, deren Schnittflächen sich mit Jod-Lsg. nach einer Minute blau färben, dürfen nicht vorhanden sein [13], [29], [30]. Die Droge darf nicht mehr als 2 % andere Pflanzenbestandteile und höchstens 15 % grau- bis schwarzverfärbte Bestandteile haben [13], [30]. b) Maximaler Aschegehalt: 5 %EB 6, PF X; 3 % ÖAB 8; 6 % Helv V.
Lagerung: In gut verschlossenen Gefäßen, vor Licht und Feuchtigkeit geschützt aufbewahren PF X. Vor Feuchtigkeit geschützt aufbewahren [13].
Zubereitungen: Nach allgemeiner Arzneibuchvorschrift: Extractum Graminis e Rhiz. fluidum: zerkleinerte Queckenwurzeln werden mit einer Mischung aus EtOH und Wasser so extrahiert, daß aus 1 Teil Droge 2 Teile Fluidextrakt entstehen; Alkoholgehalt 20 %. Tinctura Graminis e Rhiz. wird aus Queckenwurzeln im Verhältnis 1:5 mit EtOH 70 % hergestellt.
Verwendung: Als Tierfutter (Heuersatz); [27] früher auch bei Hungersnot gemahlen als Mehlersatz zum Brotbacken [24]. Angepflanzt zur Festigung von Böschungen und Dämmen [15].
Gesetzliche Bestimmungen: Standardzulassung Nr. 1169.99.99 (Queckenwurzelstock) [13]. Aufbereitungsmonographie der Kommission E am BGA [20].
Anwendungsgebiete
Zur Durchspülung bei entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege und als Vorbeugung bei Nierengrieß. Aufbereitungsmonographie der Kommission E am BGA [20].
Als mittlere Einzeldosen der Drogen gelten: 3 g EB 6/ 5 bis 10 g [13] auf eine Tasse Abkochung. Tagesdosen: 6 bis 9 g Aufbereitungsmonographie der Kommission E am BGA; [20] 20 bis 40 g [13] und 12 bis 24 g [31] als Tee zubereitet. Art der Anwendung: Zerkleinerte Droge für Abkochungen sowie andere galenische Zubereitungen zum Einnehmen [20]. Teezubereitung: Die Droge wird mit siedendem Wasser überbrüht, nach 10 min. abgeseiht und frisch getrunken. Dosierung der Zubereitungen: Fluidextrakt (1:1) BHP 83 : 4 bis 8 mL bis zu dreimal täglich; Tinktur (1:5) BHP 83 : 5 bis 15 mL bis zu dreimal täglich.
Gegenanzeigen/
Anwendungsbeschränkungen
Nicht bekannt. Hinweis: Keine Durchspülungstherapie bei Ödemen infolge eingeschränkter Herz- und Nierenfunktion. Aufbereitungsmonographie der Kommission E am BGA [20].
Neben der Anwendung bei Blasenkatarrhen und Nierensteinleiden wird die Droge auch bei Gicht, rheumatischen Beschwerden und chronischen Hauterkrankungen verwendet [16], [21]. Auf Grund des Schleimgehaltes gilt sie als reizlinderndes Hustenmittel bei Katarrhen der oberen Luftwege und findet in Form eines Infuses bei Verstopfung Verwendung [13], [22], [23]. Die Wirksamkeit bei den genannten Anwendungen ist gegenwärtig nicht belegt. Bei Diabetes als Diätetikum; [23] auf Grund des Fructosangehalts erscheint dieses Anwendungsgebiet plausibel.
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27. Heg, Bd. I, Teil 3, S. 488 ff
28. Zan
29. EB 6
30. PF X
31. BHP 83
Copyright
Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung des Springer Medizin Verlags GmbH, Berlin, Heidelberg, New York
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, Birkenwaldstraße 44, 70191 Stuttgart
Datenstand
15.08.2010