Sempervivum

Sempervivum majoris folium

Verfasser

B. Gehrmann

Übersicht

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Gliederung

G Sempervivum

A Sempervivum tectorum L.

D Sempervivum majoris folium

D Sempervivum tectorum hom. HPUS 95

D Sempervivum tectorum ssp. tectorum hom. HAB 1

Synonyme

Folia Sedi magni, Folia Sempervivi majoris, Herba Sempervivi tectori.

Sonstige Bezeichnungen

dt.:Hauswurzblätter.

Definition der Droge

Die Blätter.

Charakteristik

Stammpflanzen: Sempervivum tectorum L.

Ganzdroge: s. Bot. Beschreibung der Art Sempervivumtectorum.

Schnittdroge: Geruch. Geruchlos [5]. Geschmack. Herb und säuerlich [5].

Mikroskopisches Bild: Beide Epidermen der Blätter bestehen aus schwach welligen bis fast geradlinig begrenzten Zellen mit Spaltöffnungen vom Crassulaceen-Typ (d. h. sie sind von 3 im Verhältnis zu den übrigen Epidermiszellen kleinen Nebenzellen umgeben, von denen die seitlich des Spaltes gelegene die kleinste ist). Die braune Punktierung der Blätter ist auf zahlreiche elliptische Zellen mit braunem, glasig-amorphem Inhalt zurückzuführen. Die Wimpern sind konische, dickwandige, spitze, einzellige Haare [5], [6].

Inhaltsstoffe: L-Äpfelsäure und deren Ca2+-Salze [2], [5], [6], in trockenen Blättern Isocitronensäure (5,3 bis 9,7 %); [2], [5] nach älteren Angaben noch Ameisensäure, Gerbstoffe, Harz und Schleim [2], [5].

Sonstige Verwendungen: Blätter und junge Sprosse als Salat; Zusatz zum Trinkwasser ergibt einen erfrischenden Geschmack (Engadin) [2], [6], [8]. Hauswurzsaft mit Gummi, rotem Arsenik, Alaun ergibt Arkanum, welches auf die Hand gestrichen, ermöglichen sollte, glühendes Eisen anzufassen [6], [8].

Gesetzliche Bestimmungen: Wie alle Arten der Gattung Sempervivum sind auch die Blätter von Sempervivumtinctorum geschützt [4]. Auch wildwachsend ist Sempervivumtectorum geschützt [1].

Wirkungen: Für die der Droge zugeschriebenen adstringierenden, diuretischen und antiseptischen Wirkungen [20]sind exp. Belege nicht auffindbar. Wirkung auf Leberenzyme. Jeweils 10 männl. Wistarratten erhielten entweder eine Standarddiät (Gruppe I), eine durch Zusatz von 2 % Cholesterol und Fett atherogene Diät (Gruppe II) oder die atherogene Diät zus. mit 2 g/kg KG eines gefriergetrockneten Extr. (Extraktionsmittel, DEV unbekannt) aus Sempervivumtectorum (Gruppe III). Die Tiere wurden am 9. Tag getötet. Im Leberhomogenisat wurde in der Gruppe II eine gegenüber Gruppe I signifikante (p < 0,05) Erhöhung der alkal. Phosphatase (ALP 837,6 ± 100,0 vs. 2323,8 ± 254,3 U/L) der Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT 82,4 ± 13,8 vs. 117,6 ± 7,6 U/L) und der Gamma-Glutamyl-Transpeptidase (Gamma-GT 0,8 ± 0,5 vs. 1,5 ± 0,6 U/L) festgestellt. Der Anstieg der ALP und der GPT konnte in der Gruppe III geringgradig, aber signifikant antagonisiert werden (ALP = 1741,2 ± 311,7, GPT = 91,2 ± 14,4 U/L). Die Autoren führen den Effekt auf Radikalfängereigenschaften des Extr. zurück. So führte der Zusatz von Leberhomogenisat aus Gruppe I im H2O2-Luminol-Chemolumineszenz-Test zu einer Red. der Chemolumineszenz um ca. 3 Größenordnungen (entnommen aus einer Graphik), der Zusatz von Leberhomogenisat aus Gruppe II lieferte im Vergleich zu Gruppe I etwa acht- bis zehnfach höhere Werte, während Leberhomogenisat aus der mit Extr. behandelten Gruppe etwa die Hälfte der Chemolumineszenz der Gruppe II erreichte. Konkrete Zahlenangaben fehlen [23]. Insgesamt erscheinen die Effekte sehr gering und ohne ther. Relevanz. Bei einer ähnlichen Versuchsanordnung wurden Lebern der am 9. Tag getöteten Wistarratten für die Lichtmikroskopie aufbereitet. Die Lebern der Gruppe II zeigten degenerative Veränderungen, wie Vakuolisierung und Nekrotisierung. Die mit Sempervivumtectorum-Extrakt vorbehandelten Tiere (Gruppe III) wiesen ähnliche Lebern auf wie die der Gruppe I. Daraus schließen die Autoren auf eine leberprotektive Wirkung des Extraktes. Weiterhin wurden die HDL-Cholesterolspiegel der einzelnen Gruppen untersucht und miteinander verglichen. Aus den Ergebnissen folgern die Autoren Einflüsse des Sempervivum-Extraktes auf den HDL-Cholesterol-Kontrollmechanismus [24]. Antioxidative Wirkung. Für die Studie des Radikalfängereffektes eines lyophilisierten Extraktes von Sempervivumtectorum wurde ein Fenton-ähnliches OH-Radikal generierendes System verwendet (DMPO 100 oder 200 mM, 2 mM Fe(II)-(NH4)2(SO4)2, 1 % H2O2). Das ESR-Spektrum zeigte nur die Signale von DMPO-OH. Bei steigender Pflanzenextraktkonzentration sank das DMPO-OH-Signal für beide DMPO-Konzentrationen. Es besteht eine kompetitive Rkt. zu OH zwischen DMPO und dem Pflanzenextrakt. Daraus folgern die Autoren, daß der Sempervivum-Extrakt ein OH-Radikalfänger ist, jedoch das OH-Produkt des Pflanzenextraktes kein freies Radikal darstellt [22]. In einer weiteren Arbeit wurde die Peroxidradikalfängeraktivität eines lyophilisierten Extraktes von Sempervivumtectorum auf durch Ascorbinsäure/FeCl3 induzierte Lipidperoxidierung in einer mikrosomalen Rattenlebersuspension (Ultrazentrifugierung) untersucht. Die Peroxidfängeraktivität wurde nach der modifizierten Hiramatsu-Methode mit einer EPR (electron paramagnetic resonance) spin trapping-Technik gemessen. Die Exp. wurden mit Dreifachmustern durchgeführt und die Ergebnisse im Mittelwert mit Standardabweichung dargestellt. Die graphisch dargestellte Hemmung der Lipidperoxidation in vitro mittels des lyophilisierten Extr. von Sempervivumtectorum ist dosis- und zeitabhängig. Die Autoren schließen auf eine O2-Radikalfängeraktivität und antioxidative Wirksamkeit des Pflanzenextraktes auf das nichtenzymatisch induzierte Lipidperoxidationssystem[25].

Bei Verletzungen, Verbrennungen, Hautausschlag, offenen Wunden, Bienenstich, Brandwunden, wunden Brustwarzen, Hühneraugen, Sommersprossen, Halsentzündungen, Uterusneuralgien bei Dys- und Amenorrhoe, als Kropfsalbe, bei Katarrh der Augenlider, aufgesprungener, rissiger Haut, Schwerhörigkeit, Ohrenschmerzen, als Wurmmittel und Fiebermittel. Abgeschnittene Blätter in hohle Zähne gegen Zahnschmerz [2], [3], [5], [6]. Der Saft wurde bei Entzündungen der Augen verwendet [26]. Die Droge findet Verw. als Infus, Preßsaft der frischen Blätter, Umschlag, Kompresse, Gurgelmittel oder Ohrentropfen [20]. Innerlich: Dysenterie [20]. Äußerlich: Hühneraugen, Hämorrhoiden, Tumoren, Flechten, Brustwarzenentzündung, Wunden, Verbrennungen, Insektenstiche, Ulzerationen des Mundes, Aphten, Pilzinfektion im Mundraum, Kopfschmerz, Anginen, Schwerhörigkeit [20]. Die Wirksamkeit der Droge ist bei den genannten Anwendungsgebieten nicht belegt. Infus: 10 bis 15 g auf 1 L Wasser, 10 min infundieren, eine Tasse alle 3 Stunden. Umschlag: Hergestellt aus den zerstoßenen frischen Blättern. Kompressen: Pflanzensaft, mit Wasser verdünnt. Gurgelmittel: Pflanzensaft, mit Wasser verdünnt und mit Honig versetzt. Ohrentropfen: Pflanzensaft [20].

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21. HPUS 88

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27. HAB 1, S. 075/1

28. BAz Nr. 54a vom 17.03.1989 in der Fassung des BAz Nr. 177 vom 21.09.1993

Copyright

Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung des Springer Medizin Verlags GmbH, Berlin, Heidelberg, New York

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Datenstand

15.08.2010