Eberhard Scholz
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G Castanea
D Castaneae folium (Edelkastanienblätter)
Folia Castaneae
dt.:Eßkastanienblätter, Maronenbaumblätter; Chestnut leaves; Feuilles de châtaignier; Hojas de castaño.
Folia Castaneae – EB 6.
Die im September bis Oktober gesammelten und getrockneten Laubblätter [39].
Stammpflanzen: Castanea sativa MILL.
Herkunft: Sammlung von meist kultivierten Bäumen. Hauptlieferländer sind Jugoslawien und Ungarn; daneben auch Rußland und Spanien [29].
Gewinnung: Trocknung an der Luft.
Ganzdroge: Aussehen. Ledrige, bis 20 cm lange und bis 6 cm breite, länglich-lanzettliche zugespitzte Blätter mit deutlich gesägtem, stachelspitzigem, unterseits wulstig verdicktem Blattrand und sehr kräftiger Mittelrippe. In jede Stachelspitze, die oftmals einwärts gekrümmt ist, läuft einer der parallel zueinander liegenden Seitennerven. Junge Blätter sind schwach behaart.
Schnittdroge: Geschmack. Zusammenziehend. Geruch. Nicht wahrnehmbar. Aussehen. Zähledrige Blattstückchen, unterseits mit kräftigen Haupt- und parallelen Seitennerven. Blattrandstückchen mit großen, derben, scharf gesägten, stacheligen und eingekrümmten Zähnen. Dicke, hellbraune Mittelrippenteile mit Spreitenresten und Blattstiele sind in geringer Menge vorhanden.
Mikroskopisches Bild: Ein- bis zweireihiges Palisadenparenchym, das mehr als die Hälfte des Blattquerschnitts einnimmt. Sowohl im Palisaden- als auch im Schwammparenchym größere Zellen mit je einer Calciumoxalatdruse. An der Blattunterseite mehrzellige, dünnwandige Drüsenhaare und sechs-bis achtarmige dickwandige Büschelhaare.
Pulverdroge: Mikroskopisches Bild. Grünes Pulver aus zahlreichen Epidermisfragmenten der Blattunterseite mit bis zu 200 μm langen, dickwandigen, sternförmigen Büschelhaaren aus zwei bis acht einzelligen Strahlen, wellig-buchtigen Epidermiszellen mit anomocytischen Spaltöffnungsapparaten und bis 60 μm großen, aus dem Mesophyll durchscheinenden Oxalatdrusen. Bruchstücke der oberen Epidermis mit polygonalen, getüpfelten Zellen. Mitunter finden sich einzellige, derbwandige, bis 700 μm lange, spitze Deckhaare. Fragmente der Blattnerven mit langen Faserbündeln kommen häufig vor.
Inhaltsstoffe: Gerbstoffe. Die Droge enthält 6 bis 8 % Gerbstoffe [9]. Mittels Papierchromatographie wurden folgende Ellagitannine nachgewiesen: [8] 1,2,3-Tri-O-Galloyl-4,6-(S)-HHDP-β-D-glucose (Tellimagrandin II), 2,3-Di-O-Galloyl-4,6-(S)-HHDP-D-glucose (Tellimagrandin I), 1-O-Galloyl-2,3:4,6-bis-(S)-HHDP- β-D-glucose (Casuarictin), 1-O-Galloyl-2,3:4,6-bis-(S)-HHDP-α-D-glucose (Potentillin), 1-O-Galloyl-4,6-(S)-HHDP-α-D-glucose, 2,3:4,6-Bis-(S)-HHDP-D-glucose (= Pedunculagin). Zusätzlich dürften auch die in frischen Blättern gefundenen Ellagitannine Castalagin und Vescalagin [19] enthalten sein (s. → Inhaltsstoffe der Art C. sativa). Flavonole. Quercetin und Myricetin sowie die Glykoside Rutin, Quercitrin und Myricitrin wurden gefunden [30]. Es ist zu erwarten, daß auch die schonend getrocknete Droge die in den frischen Blättern vorkommenden Flavonolaglyka und -glykoside enthält (s. → Inhaltsstoffe der Art C. sativa). Sonstige. Die in den frischen Blättern enthaltene Ascorbinsäure, die 3-O-p-Cumaroylchinasäure, das β-Sitosterolglucosid, die Gallussäure und die Dehydrodigallussäure (s. → Inhaltsstoffe der Art C. sativa) dürften auch in der Droge vorkommen.
Tellimagrandin II
Identitaet: Makro- und mikroskopisch nach EB 6.
Reinheit: Aschegehalt nicht mehr als 6 % EB 6.
Zubereitungen: Extractum Castaneae fluidum EB 6, hergestellt aus grob gepulverten Kastanienblättern mit EtOH 70 % im Verhältnis 1 : 1.
Gesetzliche Bestimmungen: Aufbereitungsmonographie der Kommission E am BGA [31].
Sind in therapeutischen Dosen nicht bekannt [31].
Kastanienblätter werden bei Erkrankungen und Beschwerden im Bereich der Atemwege wie Bronchitis und Keuchhusten, bei Beinbeschwerden und Durchblutungsstörungen [31]-[34], sowie bei Diarrhoe und als Gurgelmittel bei Halsentzündungen angewendet [40]. Die Wirksamkeit bei diesen Anwendungsgebieten ist nicht belegt. Eine therapeutische Anwendung kann nicht befürwortet werden [31]. Mittlere Einzelgabe: 5 g EB 6, 2 bis 4 g BHP 83 der getrockneten Blätter als Aufguß. Teebereitung: 2 bis 5 g fein geschnittene Blätter werden mit kochendem Wasser übergossen und nach kurzem Stehen durch ein Sieb gegeben. Die Blätter können auch mit kaltem Wasser angesetzt, kurz aufgekocht und dann abgeseiht werden. Fluidextrakt: Mittlere Einzelgabe 5,0 g EB 6, 1 bis 4 mL dreimal täglich BHP 83.
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15.08.2010