Carlina

Carlinae radix (Eberwurzel)

Verfasser

Otto Ratka, Renate Seitz

Übersicht

C > Carlina > Carlina acaulis L. > Carlinae radix (Eberwurzel)

Gliederung

G Carlina

A Carlina acaulis L.

D Carlinae radix (Eberwurzel)

Synonyme

Radix Apri; Radix Cardopatiae; Radix Carlinae; Radix Chamaeleontis albae

Sonstige Bezeichnungen

dt.:Attichwurzel, Jägerbrotwurzel, Karlsdistel, Karlsdistelwurzel, Rohrwurzel, Silberdistelwurz, Stengellose Eberwurz, Weiße Roßwurzel, Wetterdistelwurz, Wurzel der wilden Artischocke, Zwergdistelwurzel; Stemless carline root; Racine de carline acaule.

Offizinell

Radix Carlinae – EB 6

Definition der Droge

Die getrockneten, im Herbst gesammelten Wurzeln.

Charakteristik

Stammpflanzen: Carlina acaulis L.

Herkunft: Herkunftsländer sind Jugoslawien und Bulgarien. Die Droge stammt ausschließlich aus Wildsammlungen. In Deutschland steht die Pflanze unter Naturschutz und darf deshalb nicht gesammelt werden[17].

Ganzdroge: Aussehen. Wurzel bis 30 cm lang, bis 25 mm dick, zylindrisch, fleischig, meist einfach, seltener mehrköpfig, von Stengel- und Blattresten geschopft, außen hellbraun und mit vielen Wurzelnarben bedeckt, tief längsrunzelig, fast immer um ihre Achse schraubenförmig gedreht. Ältere Wurzeln hohl oder häufig der Länge nach bis zur Mitte gespalten. Bruch spröde-hornartig, nicht faserig [18].

Schnittdroge: Geschmack. Anfangs süßlich bitter, dann brennend schaft. Geruch. Schwach aromatisch, unangenehm. Aussehen. Oft schraubig gedrehte, kurze Wurzelstücke mit grau- bis hellbrauner, grob längsrunzeliger Außenseite. Das Lupenbild zeigt im Querschnitt eine dünne, außen braune, innen heller braune, harzig glänzende, strahlige Rinde. Sie umgibt einen hellgelben, fleischigen oder harzartig-spröden, nicht holzigen, strahligen, innen meist zerrissenen, marklosen Holzkörper. In der Rinde und dem Markstrahlgewebe des Holzes zahlreiche radial und konzentrisch gestellte, braunrote Sekretbehälter [18].

Mikroskopisches Bild: Das mikroskopische Bild zeigt die breite Innenrinde aus breiten Markstrahlen mit zahlreichen ungleich großen, meist unregelmäßig begrenzten, schizogenen Balsambehältern. Die gleichen Balsamgänge in der inneren Partie der Mittelrinde. Die Rindenstrahlen aus Siebröhrengruppen, Bastparenchymgewebe und dünnwandigen, langgestreckten, prosenchymatischen Zellen. Der Holzkörper aus zahlreichen, schmalen, fein porösen, hellgelben Holzstrahlen mit in Gruppen zusammenliegenden, netzadrig bis leiterförmig verdickten Gefäßen und aus breiten Markstrahlen mit zahlreichen großen Harzgängen in konzentrisch und zugleich strahligen Reihen angeordnet. Holzfasern treten nur selten auf, Sklerenchymfasern fehlen völlig. Das Parenchym enthält Inulin, teilweise auch reichlich Calciumoxalat in Form sehr kleiner Prismen [18].

Pulverdroge: Mikroskopisches Bild. Hellbraun, gekennzeichnet durch zahlreiche Bruchstücke von meist netzartig getüpfelten Gefäßen, durch großlumige, farblose und kleinlumige, gelbe Parenchymzellen mit Inulin in formlosen Massen, teilweise auch mit Calciumoxalat in Form sehr kleinprismatischer Einzel- und Zwillingskristalle, durch Reste braunroter Sekretgänge, durch vereinzelte Holzfasern und durch sehr kleine, etwa 8 μm große Stärkekörner.

Verfälschungen/Verwechslungen: Verwechslungen kommen praktisch nicht vor. Als Verfälschungen kommen die Wurzeln anderer Carlina-Arten vor, insbesondere von C. vulgaris L., die früher als Radix Carlinae silvestris im Gebrauch war. Sie läßt sich leicht von C. acaulis L. unterscheiden, da sie keine Sekretbehälter besitzt und daher nicht aromatisch riecht und schmeckt [18]. Die giftige Wurzel von Atractylis gummifera L. (syn.: Carlina gummifera LESS.), auch Mastixdistelwurzel genannt, ist der echten Droge in Geruch, Geschmack und Anatomie sehr ähnlich. Zur Unterscheidung dienen die Milchsaftröhren im Phloem sowie die vielen Fasern im Holzkörper, die bei der Carlina-acaulis-Wurzel fehlen [9]. Als Verfälschung, auch als Ersatzdroge, dienen Carlina-acanthifolia-Wurzeln von C. acanthifolia ALL., die von der Carlinae radix sehr schwer zu unterscheiden sind, allenfalls durch die weißlich-beige Farbe des Holzkörpers oder durch den vergleichsweise höheren Anteil an parenchymatischem Gewebe [10].

Inhaltsstoffe: Die Droge ist unzulänglich analysiert, berichtet sind das Vorkommen von 18 bis 20 % Inulin sowie von ca. 1 % eines äth. Öles mit Carlinaoxid (80 bis 90 %) als Hauptbestandteil (Literaturübersicht bei [10]).

Identitaet: Fingerprint-DC. [11] Untersuchungslsg.: Filtrat eines Chloroformextraktes; Referenzsubstanzen: β-Sitosterol und Thymo; Sorptionsmittel: Kieselgel G; FM: Toluol-Ethylacetat (90+10); Detektion: Reagenz 1: Thymol-Schwefelsäure-Reagenz, 120 °C über 10 min, Tageslicht; Reagenz 2: Anisaldehyd-Schwefelsäure-Reagenz, 105 °C über 10 min, Tageslicht. Auswertung: Zahlreiche unterschiedlich gefärbte Zonen, die keinen definierten Inhaltsstoffen zugeordnet werden können. Hinweis: Da eine gute Beschreibung einer authentischen DC fehlt, empfiehlt es sich, zum Vergleich den Chloroformauszug einer authentischen Drogenprobe zu chromatographieren. DC und Prüflsg. und Lsg. der authentischen Drogenprobe müssen übereinstimmen. Angaben über eine orientierende DC- und HPLC-Prüfung der lipophilen Drogenfraktion finden sich bei Lit. [10]

Reinheit: Asche: Höchstens 12 % EB 6. Die Bestimmung sollte nach dem aktuellen Arzneibuch, dem DAB 10durchgeführt werden.

Gehalt: Äth. Öl: Mindestens 1 % EB 6.

Gehaltsbestimmung: Die Bestimmung des äth. Öles EB 6 ist nicht mehr Stand der Technik. Zur Bestimmung sollte die neue Apparatur nach dem DAB 10 verwendet werden.

Lagerung, Stabilität, Verwendung, u. a.

Stabilität: Haltbarkeit: Mindestens 3 Jahre.

Lagerung: In dicht schließenden Gefäßen [18].

Gesetzliche Bestimmungen: Die Stammpflanze C. acaulis L. unterliegt in Deutschland dem Artenschutz [17].

Pharmakologie

Wirkungen: Es liegen keine Angaben vor. Das äth. Öl hemmt bis zu Verdünnungen von 1 : 2 × 10 5 das Wachstum von Staphylococcus aureus [12].

Unerwünschte Wirkungen

Es liegen keine Angaben vor.

Innerlich bei atonischer Gastritis [13], in Spanien bei Erkältung [14] und bei Krankheiten, die mit Fieber einhergehen[15]. Äußerlich als Waschung bei Dermatosen sowie zum Auswaschen von Wunden und Geschwüren [18]. Als lindernde Mundspülung bei Zungenkrebs [13]. Die Wirksamkeit bei den genannten Anwendungsgebieten ist nicht hinreichend dokumentiert. Innerlich als Dekokt (5 min lang kochen lassen) aus 3 g Droge pro 150 mL Wasser; 3 Tassen tgl. trinken [13].

Tox. Inhaltsstoffe und Prinzip: Das äth. Öl gilt aufgrund des hohen Gehaltes an Carlinaoxid als stark toxisch [12]. Konkrete Untersuchungen liegen nicht vor. Anmerkung: Aus der Toxizität des Carlinaoxids kann nicht auf eine Toxizität der Drogenzubereitungen extrapoliert weden, da die Konzentration an Carlinaoxid im Dekokt sehr gering sein dürfte.

1. Meusel H, Werner K (1962) Wiss Z Univ Halle, Math.-Nat. 2:279–292

2. Meusel H, Kästner A (1990) Lebensgeschichte der Gold- und Silberdisteln. Monographie der mediterran-mitteleuropäischen Compositen-Gattung Carlina, Bd. 1, Springer, Wien New York

3. FEu, Bd. 4, S. 208

4. Bohlmann F, Rode KM (1967) Chem Ber 100:1.507–1.514

5. Bohlmann F, Burckhardt T, Zdero C (1973) Naturally occurring acetylenes, Academic Press, London

6. Hgn, Bd. III, S. 502

7. Rasolojaona L, Raynaud J (1979) Ann pharmac franc 37:469–473

8. Heg, Bd. VI/4, S. 817

9. Fassina G, Contessa AR (1961) Planta Med 9:177–179

10. Schilcher H, Hagels H (1990) Dtsch Apoth Ztg 130:2.186–2.190

11. Kartnig Th, Bukar F, Zarfl J (1991) Sci Pharm 59:157–163

12. Schmidt-Thomé J (1951) Z Naturforsch 56:409–411

13. Valnet J (1983) Phytothérapie, Maloine, Paris, S. 282

14. Cecchini T (1990) Enciclopedia de las Hierbas y de las Plantas Medicinales, Editorial de Vecchi, Madrid, S. 134

15. Font Quer P (1981) Plantas Medicinales, Editorial Labor, Barcelona Madrid, S. 834

16. Poletti A, Schilcher H, Müller A (1990) Heilkräftige Pflanzen Hädecke, Weil der Stadt, S. 52

17. Heg, Bd. VI/4, S. 1.392

18. Hag, Bd. III, S. 717

Copyright

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Datenstand

15.08.2010