Fagopyrum

Fagopyrum-esculentum-Kraut (Buchweizenkraut)

Verfasser

Jürgen Reichling, Karl-Heinrich Horz

Übersicht

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Gliederung

G Fagopyrum

A Fagopyrum esculentum MOENCH

D Fagopyrum esculentum hom. HAB 1

D Fagopyrum esculentum hom. HPUS 88

D Fagopyrum-esculentum-Kraut (Buchweizenkraut)

Synonyme

Fagopyri herba; Herba Fagopyri

Offizinell

Fagopyrum – BHP 83

Definition der Droge

Die zur Blütezeit geernteten und getrockneten Blätter und Blüten der Pflanze.

Stammpflanzen: Fagopyrum esculentum MOENCH

Herkunft: Aus dem Anbau der Pflanze. Lieferländer sind vor allem osteuropäische Länder wie z. B. Ungarn, das ehemalige Jugoslawien, die Ukraine, Rußland sowie Brasilien und Südafrika [1].

Gewinnung: Das Buchweizenkraut wird 50 bis 60 Tage nach der Aussaat geerntet, noch ehe die Fruchtausbildung erfolgt ist. Während der Trocknung des Krautes tritt ein Rutinverlust auf. Untersuchungen haben gezeigt, daß der Verlust an Rutin am größten ist, wenn der Trocknungsvorgang zu lange dauert und bei zu niedrigen Temperaturen vorgenommen wird. Die niedrigsten Rutinverluste im Kraut treten bei einer Trocknungstemperatur von 105 bis 135 ° C und einer Trocknungsdauer von 20 bis 40 min auf [2], [4], [6].

Schnittdroge: Aussehen. Blattstücke dunkelgrün, 5 bis 8 mm lang und 2 bis 4 mm breit. Vorhandene Sproßstücke grünlich-braun, bis 2 cm lang und 2 mm breit. Blüten 1 bis 2 mm lang, weiß oder rosafarben, in Thyrsen, manchmal aber auch als abgebrochene Einzelblüten vorliegend [20], [31].

Mikroskopisches Bild: Epidermiszellen der Blätter mit dünnen, welligen, antiklinen Zellwänden. Anomocytische Stomata mit stärkehaltigen Schließzellen. In Blatt und Stengel zahlreiche kleinere und größere Oxalatdrusen, im Mesophyll auch kleine, prismatisch geformte Einzelkristalle. Häufig Kristallzellreihen entlang der Wasserleitungsgefäße. Wasserleitungsgefäße schwach lignifiziert, mit ringförmig oder netzförmig verstärkten Zellwänden. Vereinzelt kugelförmige Pollenkörner von 30 bis 60 μm im Durchmesser, mit warziger Exine und nur einer Austrittsspalte. Blütennarbe mit papillösen Epidermiszellen und gestreifter Cuticula [20], [31].

Minderqualitäten: In der Droge sollte der Anteil der Stengelstückchen maximal 15 %, der Fruchtanteil maximal 10 % betragen.

Inhaltsstoffe: Die Blätter enthalten bis zu 8 %, die Blüten bis zu 4 % und die Stengel bis zu 0,4 % Rutin. Der Rutin- und Gesamtflavonoidgehalt im Kraut ist von der Sorte und dem Standort abhängig. Er unterliegt vegetationszeitlichen und tagesperiodischen Schwankungen. (s. → F. esculentum) [2], [3], [4]. Das zur Blütezeit geerntete Buchweizenkraut enthält außerdem noch ca. 0,01 % Fagopyrin [21].

Fagopyrin

Identitaet: DC-Nachweis von Rutin (vgl. → Fagopyrum esculentum hom. HAB 1): Untersuchungslsg. (U): Methanolischer Drogenauszug; Referenzlsg. (R): Chlorogensäure, Hyperosid und Rutin in MeOH; Sorptionsmittel: HPTLC-Kieselgel 60-Fertigplatten; FM: Ethylacetat-Wasser-wasserfreie Ameisensäure-Essigsäure 98 % (72+14+7+7); Detektion: Beprühen mit einer 1 %igen (m/V) Lsg. von Diphenylboryloxyethylamin in MeOH, anschl. mit einer 5 %igen (m/V) Lsg. von Macrogol 400 in MeOH; Auswertung im Vis bzw. UV 365 nm; Auswertung: Im Chromatogramm (vgl. Abb.) der Untersuchungslsg. ist im Vis die gelborange Rutinzone zu erkennen, in Höhe der Referenzsubstanz Hyperosid eine schwächere gelborange Zone sowie darüber eine gelbe Zone; weitere schwächere Zonen sind vorhanden. Im UV 365 nm sieht man im Chromatogramm der Untersuchungslsg. neben der intensiv orange fluoreszierenden Rutinzone zwei dicht übereinanderliegende hellblaue Zonen in Höhe der Referenzsubstanz Chlorogensäure, eine schwächere orange Zone in Höhe der Referenzsubstanz Hyperosid sowie darüber eine gelbgrüne Zone [33].

Gehalt: BHP 83 fordert für die Droge einen Rutingehalt von 3 bis 8 %. Aufgrund der heute zur Verfügung stehenden Sorten sollte eine qualitativ gute Droge mindestens 4 % Rutin enthalten [1].

Gehaltsbestimmung: Bestimmt wird der Rutingehalt eines methanolischen Drogenextraktes mittels DC-Scanner bei 260 nm: [22]

DC von Buchweizenkraut im UV 365 nm. Linke Hälfte: DC (10 × 20 cm); von links U1, U2, R. Rechte Hälfte: Mikro DC (5 × 5 cm); von links U1, R, U2. R: Mit steigenden Rf-Werten Rutin, Chlorogensäure, Hyperosid.

Sorptionsmittel: DC-Fertigplatte Kieselgel 60 (ohne Fluoreszenzindikator); Untersuchungslösung: Methanolischer Drogenextrakt; Vergleichslösung: Definierte Mengen an authentischem Rutin in Methanol; Fließmittel: Ethylacetat-Ameisensäure-Wasser (100+20+30).

Stabilität: Ein unkontrollierter Trocknungs- und Welkvorgang führt beim Kraut zu einem beträchtlichen Rückgang des Rutin- und Gesamtflavonoidgehaltes. Das Kraut sollte daher nach der Ernte sofort getrocknet oder verarbeitet werden. Bei sorgfältiger Trocknung bleibt der Rutingehalt im Kraut über längere Zeit sehr stabil; es wird berichtet, daß Lagerungszeiten von sechs Monaten und mehr zu keinem Rutinverlust im Kraut führen [2], [4].

Zubereitungen: Die Droge ist als Buchweizentee und Buchweizentablette im Handel erhältlich.

Gesetzliche Bestimmungen: Giftig + [32]. Im Gegensatz zu Lit. [32] wird der Buchweizen in der Liste giftiger Pflanzen des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit vom 10.3.1975 nicht als Giftpflanze geführt.

Buchweizenkraut (meist als Teezubereitung) wird volkstümlich als Venen- und Gefäßtonikum sowie zur Vorbeugung gegen allgemeine Arterienverkalkung angewendet. Bei venösen Stauungen bzw. bei Krampfaderbildung soll sich die rutinhaltige Droge günstig auf die Beschwerden auswirken [23], [24]. Die Wirksamkeit bei den genannten Anwendungen ist gegenwärtig nicht belegt (s. → Rutin).

Tox. Inhaltsstoffe und Prinzip: Als Fagopyrismus (Syn.: Dt.: Buchweizenausschlag, Buchweizenexanthem, Buchweizenkrankheit, Buchweizenvergiftung; engl.: Buckwheatpoisoning; frz.: Fagopyrisme) bezeichnet man eine seit Jahrhunderten bekannte, zuerst 1539 näher beschriebene Lichtkrankheit, die bei Pferden, Kühen, Schafen, Ziegen und Schweinen nach dem Verzehr von frischen, blühenden Buchweizenpflanzen auftritt, wenn die Tiere dem Sonnenlicht ausgesetzt werden. Die Tiere werden im Licht unruhig, kratzen und wälzen sich. Besonders an weniger oder gar nicht behaarten Körperstellen, wie Schnauze, Ohren, Augenlidern und Füßen treten Schwellungen auf, denen Entzündungsprozesse folgen. Diese Krankheit wird durch die photosensibilisierenden Naphthodianthron-Derivate Protofagopyrin bzw. Fagopyrin hervorgerufen. Da blühende Buchweizenpflanzen nur noch selten als Viehfutter verwendet werden, spielt die Krankheit bei Tieren heute kaum noch eine Rolle [7], [8], [25]. Volksmedizinisch werden bevorzugt Teezubereitungen aus Buchweizenkraut verwendet. Im Gegensatz zur Droge enthalten daraus hergestellte Teezubereitungen kein Fagopyrin [21].

Acute Toxizität:

Tier. Untersuchungen zur akuten Toxizität wurden mit einem eingedickten Wasserextrakt aus Buchweizenkraut durchgeführt. Definierte Mengen des Wasserextraktes wurden in 0,8 %igem, wäßrigen Hydroxypropylmethylcellulosegel aufgenommen und männlichen sowie weiblichen NMRI-Mäusen einmalig per Magensonde verabreicht: LD50 männliche Tiere: 24,5 g/kg KG p. o., LD50 weibliche Tiere: 25,5 g/kg KG p. o. Die niedrigste toxische Dosis betrug 14,7 g Wasserextrakt/kg KG p. o.; die Tiere starben 30 bis 60 min nach Gabe des Wasserextraktes unter tonischen Krämpfen bzw. Springkrämpfen. Die Sektion der gestorbenen Tiere war ohne spezifischen pathologischen Befund [26]. Nach diesen Ergebnissen ist die akute Toxizität des Buchweizenkrautes verhältnismäßig gering und läßt auch für den Menschen kein Risiko einer akuten Vergiftung erwarten.

Chronische Toxizität:

Mensch. In einer klinischen Studie erhielten 104 Frauen und 62 Männer während eines Untersuchungszeitraumes von 12 Wochen mehrmals täglich Buchweizentabletten bzw. Buchweizentee, ohne daß Nebenwirkungen beobachtet wurden [24]. Die in der Literatur mehrfach beschriebenen Buchweizenallergien beim Menschen sind in der Regel auf den Umgang mit Buchweizenfrüchten bzw. Buchweizenmehl zurückzuführen [27], [28].

Toxikologische Daten:

LD-Werte. s. → Akute Toxizität beim Tier.

1. Opperer J (1982) Buchweizen, eine Pflanze früherer Jahrhunderte oder eine Pflanze mit Zukunft? Diplomarbeit, TU München, Fachbereich Landwirtschaft und Gartenbau in Weihenstephan

2. Nöll G (19855) Pharmazie 10:609–615, 679–691

3. Bässler R (1957) Pharmazie 12:758–772, 834–841 [PubMed]

4. Couch JF, Naghski J, Krewson CF (1946) Science 103:197–198

5. Ali MA, Kagan J (1974) Phytochemistry 13:1.479–1.482

6. Noguchi J, Mori S (1969) Arch Biochem Biophys 132:352–354 [PubMed]

7. Brockmann H, Weber E, Pampus G (1952) Ann Chem Pharm 575:53–83

8. Zem, Bd. 14, S. 141–185

9. Brockmann H, Lackner H (1979) Tetrahedron Lett 18:1.575–1.578

10. Chick H, Ellinger P (1941) J Physiol 100:212–230

11. Margna U, Hallop L, Margna E, Tohver M (1967) Biochim Biophys Acta 136:396–399 [PubMed]

12. Margna U, Vainjärv T (1983) Z Naturforsch 38c:711–718

13. Amrhein N (1979) Phytochemistry 18:585–589

14. Koyama M, Tsujizaki Y, Sakamura S (1973) Agr Biol Chem 37:2.749–2.753

15. Koyama M, Obata Y, Sakamura S (1971) Agr Biol Chem 35:1.870–1.879

16. Ischihara A, Hasegawa H, Sato H, Koyama M, Sakamura S (1973) Tetrahedron Lett 1:37–38

17. Nabata K, Koyama M, Sakamura S (1973) Agr Biol Chem 37:1.401–1.406

18. Samaiya GC, Saxena VK (1989) Fitoterapia 1:84

19. Schindler H (1954) Dtsch Apoth Ztg 94:995–997

20. McClement J, Jackson BP (1970) J Pharm Pharmacol 23:612–620

21. Dokumentation der Firma Fink, Herrenberg (1990)

22. Schilcher H, Müller A (1981) Proceedings of the International Bioflavonoid Symposium, München, FRG

23. Wanderka H (1981) Angew Phytother 6:1–8

24. Schilcher H, Patz B, Schmidt KC (1990) Aerztezschr Naturheilverf 81:819–826

25. Lutz HEW, Schmid G (1930) Biochem Z 226:67–69

26. Leuschner L (1979) Prüfung der akuten Toxizität von Buchweizenkraut an Mäusen bei oraler Verabreichung, Dokumentation der Firma Fink, Herrenberg

27. Matsumura T, Tateno K, Yugami S, Kuroume T (1964) J Asthma Res 1:219–227

28. Göhte CJ, Wieslander G, Ancker K, Forsbeck M (1983) Allergy 38:155–159 [PubMed]

29. BAz Nr. 217a vom 22.11.1985

30. Heg, Bd. III, Teil 1, S. 434–436

31. BHP 83

32. Roth L, Daunderer M, Kormann K (1987) Giftpflanzen, Pflanzengifte, ecomed, Landsberg München, S. 314–315

33. Ihrig M (1992) Pharm Ztg 137:24

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Datenstand

24.01.2013