Alchemilla

Alchemillae herba (Frauenmantelkraut)

Verfasser

Sabine Moeck

Übersicht

A > Alchemilla > Alchemilla vulgaris auct. > Alchemillae herba (Frauenmantelkraut)

Gliederung

G Alchemilla

A Alchemilla alpina L. em. BUSER

D Alchemillae alpinae herba (Alpenfrauenmantelkraut)

A Alchemilla conjuncta BABINGT. S.L.

A Alchemilla vulgaris auct.

D Alchemilla vulgaris ex herba siccata hom. HAB 1

D Alchemilla vulgaris hom.

D Alchemillae herba (Frauenmantelkraut)

Synonyme

Herba Alchemillae; Herba Alchemillae vulgaris; Herba Leontopodii

Sonstige Bezeichnungen

dt.:Alchemistenkraut, Frauenbißkraut, Ohmkraut, Perlkraut, Silberkraut, Sinaukraut; Common ladies mantle; Feuilles d'alchemille; Erba stella, Erba ventaglina; Yerba de alchemilla.

Offizinell

Frauenmantelkraut – PhEur 5; Alchemillae herba – DAB 10; BHP 83

Frauenmantelkraut besteht aus den zur Blühtezeit gesammelten, ganzen oder geschnittenen, oberirdischen Teilen von Alchemilla xanthochlora ROTHM (Alchemilla vulgaris L. sensu latiore). Die Droge enthält mindestens 7,5 % Gerbstoffe, berechnet als Pyrogallol (C6H6O3; Mr: 126,1) und bezogen auf die getrocknete Droge PhEur 5. Das zur Blütezeit gesammelte und getrocknete Kraut DAB 10.

Charakteristik

Stammpflanzen: Alchemilla vulgaris auct.

Herkunft: Hauptlieferländer sind die ost- und südosteuropäischen Länder, besonders Polen, die Tschechoslowakei, Bulgarien und Ungarn [4].

Gewinnung: Meist aus dem Anbau [5].

Ganzdroge: Aussehen. Hohle, weichseidig behaarte Stiele; Blätter graugrün, bis 11 cm groß, nierenförmig, leicht halbkreisförmig gelappt, besonders unterseits behaart, gesägter Blattrand; grundständige langgestielt, 7- bis 11lappig, stengelständige kurzgestielt bis sitzend, 5- bis 9lappig; Behaarung je nach Blattalter, junge seidig behaart, weißsilbrig glänzend und in der Knospe gefaltet, ältere nur wenig behaart; Blüten klein, unscheinbar, gelbgrün; Blütenkelch, bestehend aus Außen- und Innenkelch mit je vier gelblichgrünen, abgerundet dreieckigen Blättern, umschließt vier kurze Staubblätter; die Corollblätter fehlen. Der oberständige Fruchtknoten trägt meist nur einen Griffel und ist in den Kelchbecher eingesenkt. Die Narbe ist nicht papillös, sondern besteht au seiner glatten Epidermis mit radial gestreckten Zellen. In der Fruchtknotenwand ist eine Schicht erkennbar, in der jede Zelle einen Calciumoxalatkristall beinhaltet [6], [27].

Schnittdroge: Geschmack. Höchstens leicht bitter, etwas zusammenziehend [27]. Geruch. Nahezu geruchlos[27]. Aussehen. Einzelne oder ineinander gefaltete, weißsilbrig glänzende, seidig behaarte oder hellgrau bis braungrüne, weniger stark behaarte Blattstückchen, die auf der Unterseite die Hauptnerven, bei den weniger behaarten ein dunkelbraunes, sehr feinmaschiges Nervennetz zeigen und vielfach den grob gezähnten Blattrand erkennen lassen. Ferner sind gelblichgrüne Blütenteile und weichseidig behaarte Stengelstücke vorhanden [28].

Mikroskopisches Bild: Epidermiszellen der Blätter in der Flächenansicht wellig, beiderseits eingesenkte Spaltöffnungen vom anomocytischen Typ; bis 1 mm lange, gewundene, spitz zulaufende, sehr stark verdickte einzellige Rosaceenhaare mit engem, unregelmäßigem Lumen und grob getüpfelter Basis in der Mehrzahl auf der Blattunterseite. Mesophyll dorsiventral gebaut; Palisadenparenchym zweireihig, Zellen der oberen Reihe zwei- bis dreimal länger als die der unteren, anschließendes Schwammparenchym flacharmig. Epidermiszellen des Außen- und Innenkelches ebenfalls wellig; wenige einzellige, etwa 0,3 mm lange, dünnwandige Haare und vereinzelt Köpfchenhaare mit mehrzelligem Stiel und einzelligem Köpfchen an der Kelchspitze. Grobspitzige Calciumoxalatdrusen im Leitbündel der Laub- und inneren Kelchblätter; [27], [29]

Pulverdroge: Mikroskopisches Bild. Das graugrüne Pulver ist gekennzeichnet durch die langen, gewundenen, spitz zulaufenden, sehr stark verdickten einzelligen Haare mit sehr engem Lumen, die sich besonders auf den beiden Blattseiten finden, durch Mesophyllbruchstücke mit einem zweireihigen Palisadengewebe und einzelnen Calciumoxalatdrusen [28].

Verfälschungen/Verwechslungen: Verfälschungen kommen in der Praxis nicht vor [4].

Inhaltsstoffe: Gerbstoffe. 5 bis 8 % Gerbstoffe im Kraut. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Ellagitannine. Es wurden die dimeren Ellagitannine Agrimoniin (3,5 %), Laevigatin F (0,9 %) und das monomere Pendunculagin (1,2 %) nachgewiesen [7]-[10].

Pendunculagin

Agrimoniin

Laevigatin

Flavonoide. Ca. 2 % Flavonoidglykoside und geringe Mengen des freien Aglykons Quercetin in Blättern und Blüten. Die Identifizierung der Substanzen ist bisher nicht erfolgt. Der Gehalt an Leukocyanidin beträgt ca. 3 % in den Blüten [11], [12]. Lipide. 0,08 % Lipide im Kraut [13].

Identitaet: Nach DAB 10 werden zur Prüfung der Identität phenolische Inhaltsstoffe herangezogen. Die Untersuchung erfolgt mittels Dünnschichtchromatographie: Untersuchungslösung: Methanolextrakt der Droge. Vergleichslösung: Chlorogen- und Kaffeesäure in Methanol. Sorptionsmittel: Kieselgel G. Fließmittel: Ethylacetat-Ameisensäure-Wasser (84+8+8). Detektion: Trocknen bei 100 bis 105 °C und Besprühen mit Diphenylboryloxyethylamin in Methanol und Macrogol 400 in Methanol, Auswertung im UV 365 nm. Auswertung: Das Chromatogramm der Vergleichslösung zeigt in der unteren Hälfte die hellblau fluoreszierende Zone der Chlorogensäure und im oberen Drittel die der Kaffeesäure. Das Chromatogramm der Untersuchungslösung läßt ein charakteristisches Muster verschieden farbig fluoreszierender Zonen erkennen, die derzeit noch keinen definierten Verbindungen zugeordnet werden können.

Reinheit: Fremde Beimengungen: Höchstens 2 % fremde BestandteileDAB 10; Blätter anderer Arten sollen nicht vorhanden sein [6]. Asche: Höchstens 15 % DAB 10; höchstens 6,5 % [6]. Trocknungsverlust: Höchstens 10 %DAB 10; höchstens 9 % [6].

Lagerung, Stabilität, Verwendung, u. a.

Lagerung: Vor Licht geschützt DAB 10; vor Licht und Feuchtigkeit geschützt aufbewahren [6].

Gesetzliche Bestimmungen: Standardzulassung Nummer 9499.99.99 „Frauenmantelkraut“ [6]. Aufbereitungsmonographie der Kommission E am BGA „Alchemillae herba (Frauenmantelkraut)“ [15].

Wirkungen: Adstringierende Wirkung. Frauenmantelkraut zeigt durch die vorhandenen Gerbstoffe adstringierende Wirkung [6], [15]. Hemmung des Tumorwachstums. Die i. p. Verabreichung von 10 und 30 mg/kg KG Agrimoniin aus Agrimonia pilosa LEDEB., 4 Tage vor i. p. Impfung mit 5 × 105 Mammatumorzellen, hemmte bei C3H/He-Mäusen das Tumorwachstum vollständig. Die Verabreichung von 30 mg/kg KG Agrimoniin an Tag 1, 4 und 7 nach Impfung verlängerte die mittlere Überlebenszeit der Tiere auf 53 Tage gegenüber 21,3 Tagen bei den Kontrolltieren. Die Wirkung wird u. a. auf die cytotoxischen Eigenschaften von Agrimoniin zurückgeführt. Die In-vitro-Cytotoxizität der Substanz gegenüber der Mammatumorzellinie verringert sich nach Zugabe von fetalem Kälberserum von IC502,6 μg/mL auf 62,5 μg/mL [16]. Angesichts des geringen Gehaltes der Droge an Agrimoniin sind diese Befunde für die Droge voraussichtlich nicht von Bedeutung. Enzymhemmende Wirkung. Ein Extrakt (exakte Angaben fehlen) von Frauenmantelkraut soll in vitro hemmend auf die Aktivität der proteolytischen Enzyme Elastase, Trypsin und α-Chymotrypsin wirken. Konzentrationen von 0,16 mg/mL und 0,56 mg/mL Extrakt hemmten die Aktivität von aus Schweinepankreas isolierter Elastase um 50 %. Ein möglicher Schutz des Gewebes vor proteolytischen Enzymen wird diskutiert [18].

Anwendungsgebiete

Bei Einnahme: Leichte unspezifische Durchfallerkrankungen; [15] zur Unterstützung der Therapie akuter, unspezifischer Durchfallerkrankungen und Magen-Darm-Störungen [6].

Innerlich: Gebräuchliche Einzeldosis 2 bis 4 g getrocknete Droge als Infus; [6] Tagesdosis 5 bis 10 g der getrockneten Droge [15]. Art der Anwendung: Zerkleinerte Droge für Aufgüsse und Abkochungen sowie andere galenische Zubereitungen zum Einnehmen [15]. Teebereitung: 3 bis 4 Teelöffel (2 bis 4 g) Frauenmantelkraut werden mit ca. 150 mL heißem Wasser übergossen und nach 10 min durch ein Teesieb gegeben. Wenn nicht anders verordnet, wird bis zu 3 Tassen täglich frisch bereiteter Teeaufguß warm zwischen den Mahlzeiten getrunken[6]. Dauer der Anwendung: Bei länger als 3 bis 4 Tage anhaltenden Durchfällen ist ein Arzt aufzusuchen [6], [15].

Unerwünschte Wirkungen

Seltene Fälle von Leberschäden durch die im Frauenmantelkraut enthaltenen Tanningerbstoffe [6].

Gegenanzeigen/

Anwendungsbeschränkungen

Keine bekannt [15].

Wechselwirkungen

Keine bekannt [15].

Der Frauenmantel wird innerlich bei der Behandlung von Beschwerden im Klimakterium und bei Dysmenorrhoe verwendet. Weiterhin findet er Anwendung bei Magen- und Darmbeschwerden. Als Gurgelwasser bei Entzündungen im Mund- und Rachenbereich und äußerlich bei Geschwüren, Ekzemen und anderen Hautausschlägen. Als Zusatz zu Sitzbädern bei Unterleibserkrankungen [19], [20]. Die Wirksamkeit bei den genannten Anwendungsgebieten ist gegenwärtig nicht belegt. Äußerlich: 8 Teelöffel (ca. 8 g getrocknete Droge) als Infus [2].

Mutagen: Die mutagenen Eigenschaften von Frauenmanteltinktur (1:5, Ethanol 70 %, 10 bis 160 μL/Platte) wurden im Ames-Test an Salmonella typhimurium TA98 und TA100 mit und ohne S9-Mix geprüft. Als Vergleich wurde Quercetindihydrat, 0,75 bis 125 μg/Platte, untersucht. Der Test ergab ab 40 μL Tinktur/Platte eine schwach mutagene Wirkung für den Stamm TA98 mit S9-Mix. Die mutagenen Eigenschaften werden auf das Flavonol Quercetin, das in diesem Testsystem ein ähnliches Verhalten zeigte, zurückgeführt. Die Ergebnisse sind aufgrund der geringen Konzentration von Quercetin (2,1 mg/100 g Extrakt) für die Einnahme von Drogenzubereitungen nicht relevant [17].

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2. Berger F (1954) Handbuch der Drogenkunde, Bd. IV, Verlag Wilhelm Maudrich, Wien, S. 39–41

3. Wichtl M (1989) Dtsch Apoth Ztg, Suppl. 16

4. Wichtl M (Hrsg.) (1989) Teedrogen, 2. Aufl., Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, S. 181

5. DAB 9 N1, Kom, S. 4061–4063

6. Standard-Zulassungen für Fertigarzneimittel (1987/89) Govi-Verlag, Pharmazeutischer Verlag, Deutscher Apotheker Verlag, Frankfurt/Main

7. Tuka L, Popescu H (1979) Clujul Med 52:78–83, zit. nach CA 91:198835

8. Lund K (1986) Dissertation: Tormentillwurzelstock, Phytochemische Untersuchungen des Rhizoms von Potentilla erecta (L.) Rä USCHEL, Universität Freiburg

9. Geiger C, Rimpler H (1990) Planta Med 56:585–586

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11. Tuka L, Tamas M (1977) Farmacia (Bucharest) 25:247–252, zit. nach CA 89:3170

12. Gonnet JF (1981) Biochem Syst Ecol 9:299, zit. nach CA 96:100939

13. Dorne AJ, Cadel G, Douce R (1986) Phytochemistry 25:65–68

14. FEu (1968) Bd. 2, S. 48–64

15. BAz Nr. 173 vom 18.09.1986

16. Miyamato K, Koshiura R, Ikeya Y, Taguchi H (1985) Chem Pharm Bull 33:3977-3981

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20. Madaus G (1976) Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Georg Olms Verlag, Hildesheim New York (Nachdruck der Auflage 1938), Bd. 1, S. 455–461

21. BAz im Druck 1992

22. BAz Nr. 193 vom 16.10.1991

23. BAz Nr. 22a vom 03.02.1988

24. Wehmer C (1929) Die Pflanzenstoffe, 2. Aufl., Bd. 1, Gustav Fischer, Jena, S. 451

25. Heg, Bd. IV, Teil 2

26. Hgn Bd. VI, S. 106; Bd. IX, S. 731–732

27. DAB 10

28. EB 6

29. HAB 1

Copyright

Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung des Springer Medizin Verlags GmbH, Berlin, Heidelberg, New York

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Datenstand

15.08.2010