Anthemis nobilis

Chamomillae romanae flos (Römische Kamille)

Verfasser

Otto Isaac

Übersicht

C > Chamaemelum > Chamaemelum nobile (L.) ALL. >Chamomillae romanae flos (Römische Kamille)

Gliederung

G Chamaemelum

A Chamaemelum fuscatum (BROT.) VASC.

D Chamaemelum-fuscatum-Blüten

A Chamaemelum nobile (L.) ALL.

D Anthemis nobilis hom. HPUS 78

D Chamaemelum nobile hom. HAB 1

D Chamomillae romanae aetheroleum (Römisches Kamillenöl)

D Chamomillae romanae flos (Römische Kamille)

Synonyme

Anthemidis flores; Anthemidis flos; Flores Chamomillae hortensis; Flores Chamomillae majoris; Flores Chamomillae nobilis; Flores Chamomillae odorati; Chamomillae romanae flores; Flores Anthemidis; Flores Chamomillae romanae; Flores Leucanthemi (romani); Flos Anthemidis

Sonstige Bezeichnungen

dt.:Römische Kamillen; Chamomile flowers, English chamomile, Roman chamomile flowers; Fleur de camomille romaine; Camomilla romana; Manzanilla romana.

Offizinell

Römische Kamille (Chamomillae romanae flos) – PhEur 5, DAB 10; Chamomillae flos – Belg V; Chamomile flowers – BP 88; Camomille romaine – PF VIII; Camomilla romana (Anthemidis flos) – Ital 8; Flos Chamomillae romanae (Blüte der Großen Kamille) – ÖAB 81; Anthodium Anthemidis – Pol III; Chamomillae romanae flos – Hisp IX; Chamomillae romanae flos – Helv VII; Camomila romana – Brasil 1; Chamaemelum – BHP 83; Chamomile – BPC 54

Definition der Droge

Die getrockneten Blütenköpfchen der kultivierten, gefülltblütigen Varietät PhEur 5, DAB 10.

Stammpflanzen: Chamaemelum nobile (L.) ALL.

Herkunft: Hauptlieferländer sind Belgien, Frankreich, Italien, Polen, die ČSFR, Nordamerika und Argentinien.

Gewinnung: Die Droge stammt ausschließlich aus dem Anbau. Kultiviert wird die gefülltblütige Varietät, die wesentlich mehr ätherisches Öl produziert als die halbgefüllten oder ungefüllten Varietäten. Die Vermehrung erfolgt vegetativ durch Stockteilung. Die Setzlinge werden im Herbst oder im April–Mai im Abstand von 40 bis 50 cm ausgepflanzt. Die Nutzungsdauer der Kultur beträgt zwei bis drei Jahre. Der Ertrag liegt im zweiten Jahr 20 bis 30 % über dem des ersten Jahres. Danach werden die alten Stöcke gehoben, geteilt und wieder neu gepflanzt. Aus 1 m2erhält man bis zu 1000 Setzlinge. Römische Kamille gedeiht besonders gut auf leichten, humosen, nicht zu trockenen Böden in warmer, sonniger Lage; schwere Böden sind weniger geeignet, stauende Nässe wird nicht vertragen. Ökologische Faktoren beeinflussen die phänotypische Differenzierung und den Ölgehalt: Pflanzen an einem höher gelegenen Standort entwickeln größere Blütenköpfchen und haben einen höheren Ölgehalt. Pflanzen an einem wärmeren Standort sind trotz einer größeren Anzahl von Drüsenhaaren auf den Zungenblüten weniger produktiv [40]. Römische Kamille ist anspruchsvoller als die echte Kamille. Vor der Pflanzung sind 120 kg/ha P2O5und K2O empfehlenswert; die Kultur benötigt ferner jährlich eine leichte Stickstoffdüngung von 50 bis 60 kg/ha. Überschuß an Stickstoff reduziert die Zahl der Blütenköpfchen. Kerb 50 W (3 kg/ha), vor oder nach dem Auspflanzen appliziert, wirkt gegen monokotyle und dikotyle Unkräuter, ohne die Kultur zu schädigen. Afalon (1,5 kg/ha) und Gesagard 50 (2,0 kg/ha) sind weniger wirksam. Der Ertrag an Blütenköpfchen wird um 12 % bzw. 9 % gesteigert [41]. Die Applikation von 3 kg/ha Kerb im Frühjahr bewirkt einen Propyzamid-Rückstand von 0,15 mg/kg in den geernteten Blüten und in der oberen 5 cm dicken Erdschicht. In 5 bis 10 cm Tiefe beträgt die Konzentration noch 0,056 mg/kg. Der Herbizidrückstand hängt mehr von der Temperatur als von der Bodenfeuchtigkeit ab [42]. Die Kontrolle der Unkräuter kann auch mit 1 kg/ha Trifluralin und 2 kg/ha Propyzamid nach dem Auspflanzen erfolgen. Nach dem Auflaufen werden 0,6 kg/ha Linuron oder 3 bis 3,5 kg/ha Chlorbromuron appliziert. Die oberirdischen Teile werden vom Rost (Albugo tragopogonis (PERS.) GRAY) und die Wurzeln von Fusarien befallen. Der Falsche Mehltau (Peronospora leptospermae DE BY.) deformiert die Blüten und färbt sie violett. Auch die Chrysanthemenfliege (Phytomyza atricornis MEIG.) greift die Blüten an. Insekten wie Eupterix atropunctata GOEZE, Aphis fabae SCIP. und Gueriniella serrulata F. parasitieren im Innern der oberirdischen Teile. Gegen Läusebefall sind Phosphorester wirksam. Die Ernte beginnt im Juni–Juli und kann mehrmals wiederholt werden. Der für den Mengenertrag und den Ölgehalt günstigste Erntetermin liegt kurz vor dem völligen Erblühen der Pflanzen [43], [44]. Die Zungenblüten sind noch nicht voll entfaltet und der Blütenboden ist noch flach. Die manuelle oder maschinelle Ernte sollte bei schönem Wetter stattfinden, um ein Braunwerden der Blüten zu verhindern. Der Ölgehalt ist morgens am höchsten bzw. wenn die Temperatur noch unter 25 °C liegt. Die für die Ernte günstigste Tageszeit sind die frühen Morgenstunden und die späten Abendstunden [45]. Die Trocknung erfolgt im allgemeinen bei 35 °C, ist aber bei normaler Temperatur am schonendsten. Höhere Temperaturen bewirken einen beträchtlichen Ölverlust. Das Erntegut muß flach ausgebreitet werden. Unsachgemäß getrocknete Blüten werden leicht mißfarbig (braun), sind hygroskopisch und verderben schnell. Das Eintrocknungsverhältnis liegt bei 4 bis 5 : 1. Der Ernteertrag beläuft sich auf 3,5 bis 5 to/ha frische Blüten bzw. 0,6 bis 1 to Blütendroge. Der Krautertrag – nur zur Ölgewinnung – beträgt 15 to/ha [25], [26], [29], [46]-[54]. Die Lyophilisation der Römischen Kamille bringt gegenüber den üblichen Trocknungsverfahren als einzigen Vorteil das bessere Aussehen der Droge. Die Ausbeuten an ätherischem Öl und an mit Wasser extrahierbaren Substanzen sind sogar geringer. Eine Veränderung der Bestandteile des ätherischen Öls ist auch bei diesem Verfahren festzustellen. Außerdem erhöhen sich die Trocknungskosten durch die Lyophilisation um 15 bis 30 % [54], [55].

Ganzdroge: Geschmack. Bitter, aromatisch. Geruch. Stark, angenehm, charakteristisch. Aussehen. Die weiße bis gelblichgraue Droge besteht aus halbkugeligen, einzeln stehenden Blütenköpfchen mit einem Durchmesser von 8 bis 20 mm. Auf dem kegelförmigen, im Gegensatz zur echten Kamille markigen Blütenboden stehen die Einzelblüten sowie kleine durchscheinende Spreublätter. Die Basis des Blütenbodens ist von einem Hüllkelch aus zwei bis drei Reihen von dicht dachziegelartig angeordneten Hüllblätter mit hautartigem Rand umgeben. Die meisten Einzelblüten sind zungenförmig und nur einige zentralstehende blaßgelbe Blüten sind röhrenförmig. Die Zungenblüten sind mattweiß, lanzettlich und umgebogen, mit unterständigem dunkelbraunem Fruchtknoten, einem fadenförmigen Griffel und einer zweilappigen Narbe. Die Röhrenblüten besitzen eine fünfzähnige Korolle; das Androeceum trägt fünf epipetale Staubblätter; das Gynoeceum ist vergleichbar mit dem der Zungenblüten DAB 10.

Schnittdroge: Aussehen. Einzelne weißliche, ca. 7 mm lange, dreizähnige Zungenblüten mit vier mehr oder weniger parallelen Nerven und unregelmäßig dreizähniger Spitze. Fruchtknoten gelblichbraun und relativ kurz. Kleine hellgrüne, schmallanzettliche, trockenhäutige, strohige Hüllkelchblätter. Bruchstücke des Blütenbodens mit kleinen Spreublättern. Kleine gelbe Röhrenblüten wenig oder fehlend.

Mikroskopisches Bild: Korollen der Zungenblüten: Äußere Epidermis zusammengesetzt aus dünnwandigen gekrümmten Zellen, mit gefurchter Kutikula und zahlreichen Drüsenhaaren. Innere Epidermis aus polygonalen, dünnwandigen Zellen mit in der Aufsicht kreisförmigen Papillen. Spreublätter mit einer Schicht von dünnwandigen, länglichen Zellen, in der Mitte dickwandige, lignifizierte Sklereiden. Kelchblätter den Spreublättern ähnlich, aber mit Spaltöffnungen. Griffel mit Calciumoxalatkristallen; Spitzen der Narben zu Papillen verlängert. Häufig Haare, oft abgelöst, mit einer langen, gestreiften apikalen Zelle und vier bis fünf kleinen Basalzellen. Gelegentlich Pollenkörner[101].

Pulverdroge: Mikroskopisches Bild. Gelblichweiß. Bruchstücke der Zungenblüten mit den stumpf kegelförmigen, kutikular gestreiften Papillen, Fragmente der Hüllkelch- und Spreublättchen mit den höckerartig angeordneten Zellen. Sklerenchymplatten und 700 bis 1000 μm lange Gliederhaare, die aus vier bis acht sehr kurzen Zellen und einer sehr langen, dünnwandigen Endzelle bestehen. Durchschnittlich 25 μm große Pollenkörner mit stacheliger Exine und drei Ausstrittstellen; selten.

Verfälschungen/Verwechslungen: Selten; am Fehlen der Spreublätter meist leicht nachweisbar. Die gefüllten Blütenköpfchen von Chrysanthemum parthenium (L.) BERNH.: Blütenboden nackt, nicht spreublättrig, etwas flach, Blüten kleiner. Als Verfälschung findet man auch Matricaria maritima L., die geruchlose Kamille.

Inhaltsstoffe: Ätherisches Öl. Die Blütenköpfchen enthalten 0,6 bis 2,4 % ätherisches Öl, das frischdestilliert hellblau aussieht und sich bei der Aufbewahrung gelbbraun verfärbt [50]. Es besteht vorwiegend aus Estern der Angelicasäure bzw. der isomeren Tiglinsäure, daneben auch der Methacryl- und Isobuttersäure, mit aliphatischen C3- bis C6-Alkoholen wie n-Butanol, Isobutanol, Isoamylalkohol und 3-Methyl-pentan-1-ol [5], [34], [50], [56], [57]. Das ätherische Öl enthält u. a. 36,0 % Isobutylangelat, 17,9 % Isoamylangelat und 3,7 % Isobutylbutyrat [58]. Ferner finden sich ca. 5 % Terpen-Kohlenwasserstoffe, u. a. α-Pinen und β-Pinen, α-Charyophyllen und β-Caryophyllen, (–)-Pinocarvon und (–)-trans-Pinocarveol [3], [27], [50], [51], [52], sowie Chamazulen, Farnesen, Bisabolen, Cadinen und Bisabolol [53]. Durch direkte Headspace-GC-Analyse lassen sich auch flüchtige Komponenten erfassen, die nicht im ätherischen Öl enthalten, aber für die Aromabildung bedeutsam sind [58]. Sesquiterpene (Bitterstoffe). Sesquiterpenlactone vom Germacranolid-Typ: In den Blüten Nobilin, 3-Epinobilin, 1,10-Epoxynobilin und 3-Dehydronobilin, im frischen und getrockneten Kraut ohne Blüten ein Lacton vom Nobilin-Typ[14], [15], [37], [38], [50], [59], [60]. Hydroperoxide. Im Ethanolextrakt der Blütendroge 1β-Hydroperoxyisonobilin[39], ein Sesquiterpen-Peroxid vom Germacran-Typ sowie Allylhydroperoxide [61].

1β-Hydroperoxyisonobilin

Der Gehalt in der getrockneten Droge schwankt stark und nimmt bei längerer Lagerung ab. Polyphenole. 0,5 % Flavonoide: Anthemosid, Ester der Anthenobilinsäure (2,3-Dihydrozimtsäure) mit Apigenin-7-glucosid [36], [47],[57], Cosmosiosid (Apigenin-7-glucosid), Luteolin-7-glucosid, bei schlecht getrocknetem Material auch die Aglucone[21], [50]. Apiin (Apigenin-7-apiosylglucosid) [62], Kämpferol [63]. Scopolosid (Scopoletin-7β-glucosid); in weniger gut getrocknetem Material auch Scopoletin [21], [50], [63]. Catechin, das die Braunfärbung der Blüten bei der Lagerung verursacht [36], [50]. Ester der Kaffee- und Ferulasäure. In gut getrockneten Blüten Glucoseester dertrans-Kaffeesäure, in schlecht getrockneten trans-Kaffeesäure und cis-Kaffeesäure sowie der Glucoseester der cis-Kaffeesäure [21]. In den Röhrenblüten der ungefüllten Form Ferulasäure, die in den Zungenblüten fehlt [22]. Polyine.cis-Dehydromatricariaester und trans-Dehydromatricariaester und zwei cis-trans-isomere Thiophenester [9], [64],[65]. Triterpene und Steroide. Die pentacyclischen Triterpene β-Amyrin und Pseudotaraxasterol; [66] β-Sitosterol[67].

Identitaet: Nach DAB 10, BP 88 und Helv VII wird ein methanolischer Drogenauszug mittels DC auf spezifische Flavonoide und phenolische Inhaltsstoffe geprüft. Die Sichtbarmachung erfolgt mit dem Naturstoffreagens. Nachsprühen mit Macrogol 400 liefert intensivere und stabilere Fluoreszenzfarben. Anhand der Referenzsubstanzen Kaffeesäure und Rutosid lassen sich die Positionen von fünf definierten Inhaltsstoffen beschreiben: Apigenin (Rf ca. 0,88), Kaffeesäure (ca. 0,75), Luteolin (ca. 0,69), Apigenin-7-glucosid (ca. 0,60) und Apiin (ca. 0,57). Luteolin-7-glucosid ist meist als blau fluoreszierende Zone bei Rf ca. 0,30 gut zu erkennen [68]-[71].

Reinheit: Durchmesser des Blütenköpfchens: höchstens 3 % mit einem Durchmesser von weniger als 8 mmDAB 10, PhEur, BP 88, Ital 8, Belg V, Helv VII. Dadurch sollen vor allem Blüten von Chrysanthemum parthenium(L.) BERNH. ausgeschlossen werden, die aber besser am Fehlen der Spreublätter zu erkennen sind [68]. Beschaffenheit der Droge: braune oder dunkelgefärbte Blütenköpfchen dürfen nicht anwesend sein DAB 10, PhEur,Ital 8, Helv VII. Die Anwesenheit von mißfarbenen Blüten ist auf eine unsachgemäße Trocknung zurückzuführen[68]. Keine Stengel und fremde Beimengungen Belg V. Fremde organische Substanz max. 2 % BHP 83. Fremde Beimengungen max. 1 % ÖAB 9. Wasser: Höchstens 10 % DAB 10, PhEur, BP 88, Ital 8, Helv VII, Pol III. Asche (Sulfatasche), max.: 12 % DAB 10, PhEur, BP 88, Ital 8, Helv VII; 8 % Hisp 9, Pol III; 7 % BHP 83; 6 % Belg V. Der Wert von 12 % erscheint zu hoch angesetzt [68]. Säureunlösliche Asche, max.: 1 % BHP 83. Extraktivstoffe (Wasser): mindestens 20 % BHP 83.

Gehalt: Ganze Droge: Mindestgehalt an ätherischem Öl 0,7 % (V/m) DAB 10, PhEur 5, BP 88, Ital 8, Helv VII, Pol III; 0,5 % Belg V; 0,4 % PF IX, Brasil 1. Pulver: Mindestgehalt an ätherischem Öl 0,2 % BPC 54.

Gehaltsbestimmung: Ätherisches Öl: Die Bestimmung erfolgt unter Verwendung von 20 g nicht zerkleinerter Droge, einem 500-mL-Rundkolben, 250 mL Wasser als Destillationsflüssigkeit und 0,50 mL Xylol als Vorlage. Es wird drei Stunden mit einer Destillationsgeschwindigkeit von 3 bis 3,5 mL je Minute destilliert DAB 10, Helv VII. Wegen der starken Quellung der Droge ist besonders am Beginn der Bestimmung auf die Gefahr einer lokalen Überhitzung („Anbrennen“ der Droge) zu achten [68].

Lagerung: Droge: In gut verschlossenen Behältern BP 88, Ital 8, Helv VII, Mar 28, vor Licht geschützt DAB 10, PhEur, Belg V, BP 88, Ital 8, Hisp IX, Helv VII, vor Feuchtigkeit geschützt Belg V und kühl [43], [68], aber nicht in Kunststoffbehältern [68]. Technisch: In Ballen gepreßt, dunkel, kühl und vor Feuchtigkeit geschützt. Kleinere Mengen in verschlossenen Glasgefäßen oder Blechbüchsen. Transport leicht gepreßt in Säcken [25].

Zubereitungen: Fluidextrakte, Tinkturen, Elixiere, Weine, Sirupe, Pulver, Schönheitsmasken, Haarwässer, Öle[34], [67].

Verwendung: Als Schmuckdroge für Teemischungen [84]. Zur Haarpflege und zum Aufhellen nachgedunkelter blonder Haare [80], [102], auch als Zusatz zu Haarwaschmitteln (Shampoos) [43], [85]. Soll den Haaren, die schon hell oder blond sind, zusätzlich einen goldenen Glanz verleihen [50], [86]. Mit Kaolin gemischt für Schönheitsmasken [25]. Zur Haarpflege konzentrierten Aufguß der normalen Haarwäsche beigeben und den Schaum nach dem Waschen 10 bis 15 Minuten belassen. Der Aufguß wird bereitet aus zwei bis drei Eßlöffel voll Blüten, die man 1/2 Stunde lang in 1 L kochendem Wasser hat ziehen lassen [86]. In Frankreich häufig als Genußmittel in Cafés und Gaststätten. Als Repellent zur Abwehr von Mücken und anderen Insekten [77]. Die gefülltblühende Varietät als Zierpflanze für Rabatten und Einfassungen [26]. Zur Gewinnung des ätherischen Öls (s. → Chamomillae romanae aetheroleum). In der Likörindustrie zum Aromatisieren [25].

Wirkungen: Antibakterielle Wirkung. Im Gegensatz zur echten Kamille liegen nur wenige pharmakologische Untersuchungen vor. Das ätherische Öl ist aktiv gegen grampositive Bakterien und Dermatophyten [72] (s. → Chamomillae romanae aetheroleum). Die aus dem ethanolischen Blütenextrakt isolierten Hydroperoxide ( → Chemische Formeln) besitzen ebenfalls antibakterielle Eigenschaften. Untersucht nach der Bouillon-Verdünnungsmethode erwiesen sie sich gegenüber den folgenden Keimen als aktiv: Escherichia coli, Enterococcus faecalis, Pseudomonas aeruginosa. Für Substanz 1 wurden MHK-Werte von 256 μg/mL (gegen E. coli) und 512 μg/mL (gegen P. aeruginosa) gemessen. Für Substanz 2 lagen die entsprechenden Werte bei 512 bzw. 128 μg/mL. Zum Vergleich: Gentamicin: MHK = 1,0 μg/mL (E. coli), 32,0 μg/ mL (Enterococcus faecalis) und 0,5 μm/mL (Staphylococcus aureus).

(Z)-2-Methyl-2-buttersäure-(2-hydroperoxy-2-methyl-3-butenyl)ester (= Substanz 1)

(Z)-2-Methyl-2-butensäure-(3-hydroperoxy-2-methy-lidenbutyl)ester (= Substanz 2)

An der antibakteriellen Wirkung sind möglicherweise auch die Sesquiterpenlactone beteiligt [73], die überdies auch gegen Protozoen wirksam sein sollen [74]. Jedoch sind experimentelle Angaben dazu nicht zugänglich. Cytostatische Wirkung. Nobilin, 1,10-Epoxynobilin und 3-Dehydronobilin hemmen in vitro das Wachstum menschlicher HeLa (Cervix-Carcinom)- und KB (Nasopharynx-Carcinom)-Zellen [14]. Für das aus den Blüten isolierte Hydroxy-isonobilin beträgt die ED50 0,5 μg/mL (1,5 × 10–6M) bei HeLa-Zellen und 1,23 μg/mL (3,5 × 10–6M) bei KB-Zellen [37], [38]. Wirkung auf das ZNS. Bei ethologischen Studien an aggressiven und nichtaggressiven Albinomäusen erzielt der ethanolische Blütenextrakt in einer Dosierung von 280 und 420 mg/kg KG einen deutlichen Effekt auf die charakteristischen Verhaltensaktivitäten der sozialen Aggression. Das aggressive Verhalten wird unterdrückt, ohne andere soziale und nichtsoziale Verhaltensweisen zu verändern. Die motorische Aktivität und der Pentobarbitalschlaf werden nicht beeinflußt. Der Extrakt besitzt in einer Dosierung von 420 mg/kg KG i. p. auf Mäuse mit strychnin-induzierten tonischen oder klonischen Konvulsionen keinen antikonvulsiven Effekt, der auf eine depressive Wirkung auf das ZNS oder eine muskelrelaxierende Wirkung zurückzuführen wäre. Es wird auf das Vorkommen einer „antiaggressiven Substanz“ in römischen Kamillenblüten und auf eine mögliche therapeutische Bedeutung der Droge bei psychischen Erkrankungen geschlossen [75]. Wegen der hohen Dosen sind die Versuchsergebnisse jedoch nicht interpretierbar.

Der Gehalt an Germacranoliden mit exocyclischer Methylengruppe macht die römische Kamille zu einem potentiellen Kontaktallergen. In Einzelfällen muß deshalb mit allergischen Reaktionen gerechnet werden [81]. Überdies können die in Teeaufgüssen enthaltenen Blütenpollen in seltenen Fällen anaphylaktische Reaktionen auslösen [82], [83]. Die Einnahme eines Aufgusses von 10 bis 20 g Droge in 100 mL Wasser kann Erbrechen hervorrufen [25].

In Frankreich traditionell zur symptomatischen Behandlung von Verdauungsbeschwerden wie Oberbauchblähungen, Darmträgheit, Aufstoßen, auch Darmblähungen [76]. Die Wirksamkeit bei den genannten Anwendungsgebieten erscheint aufgrund des Gehaltes an den bitter schmeckenden Sesquiterpenen plausibel. Darüber hinaus werden Zubereitungen innerlich bei Menstruationsbeschwerden angewendet [73], [77], was mit einer der Droge nachgesagten emmenagogen Wirkung in Zusammenhang stehen könnte [25]. Ferner bei Nervosität, Hysterie und allgemeiner Schwäche [55], [80]-[83]. Äußerlich als Aufguß, Dekokt oder Kataplasma zu Wundspülungen sowie Spülungen bei Schleimhautentzündungen im Mundbereich [43], [50], [73]. Als Lotio bei Zahnschmerzen- und Ohrenschmerzen [79], auch bei Kopfschmerzen und grippalen Schmerzen [65]. Die Wirksamkeit bei den genannten Anwendungsgebieten ist nicht hinreichend dokumentiert. Mittlere Einzelgabe als Einnahme 1,5 g ÖAB 81, oder sieben bis acht Blütenköpfchen zu einer Tasse Aufguß, nach den Hauptmahlzeiten einzunehmen. Mittlere Tagesgabe 50 bis 200 mL als Infus oder Dekokt zu 3 %; bei äußerlicher Anwendung „ad libitum“ [65] oder 3 g auf 100 mL Wasser ÖAB 81. Mittlerer Gehalt als Mund- und Wundspülung 3 % als Aufguß oder Dekokt [43], [104]. Als Badezusatz 50 g zu 10 L Wasser. Tagesgabe als Pulver 2 bis 6 g, als Tinktur 10 bis 30 mL, als Fluidextrakt 3 bis 6 mL, als Elixier, Wein oder Sirup 40 bis 120 mL [104]. Salben ein- bis zweimal täglich auftragen; flüssige Einreibungen (Externa): 1 Eßlöffel voll mit 1/4 L Wasser verdünnen, zwei- bis dreimal täglich zu Spülungen oder Umschlägen.

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Datenstand

15.08.2010