Matricaria eo
Matricariae aetheroleum (Kamillenöl)
Verfasser
Reinhold Carle
Übersicht
C > Chamomilla > Chamomilla recutita (L.) RAUSCHERT > Matricariae aetheroleum (Kamillenöl)
Gliederung
A Chamomilla recutita (L.) RAUSCHERT
D Chamomilla recutita hom. HAB 1
D Chamomilla vulgaris hom. PF X
D Matricariae aetheroleum (Kamillenöl)
D Matricariae flos (Kamillenblüten)
Synonyme
Aetheroleum Chamomillae; Matricariae oleum; Oleum Chamomillae
Sonstige Bezeichnungen
dt.:Ätherisches Kamillenöl, Chamomilla-recutita-Blütenöl, Kamillenöl; Chamomile Oil, German Type, Chamomile Oil, Hungarian Type, Matricaria oil; Essence de camomille; Olio essenziale di camomilla; Aceite de manzanilla.
Offizinell
Aetheroleum Chamomillae – ÖAB 90; Hung VII; Oleum chamomillae – Helv VI; Oleum Chamomillae – EB 6; Matricaria oil – Mar 29
Definition der Droge
Das ätherische Öl aus den Blütenköpfchen der Kamille ÖAB 90, Helv VI, EB 6, Hung VII. Kamillenöl wird durch Wasserdampfdestillation aus frischen oder getrockneten Blütenköpfchen und Stengeln der Kamillenblüten gewonnen [113]. In der Produktionspraxis werden überwiegend frische Kamillenblüten mit Stengeln eingesetzt [93],[94].
Stammpflanzen: Chamomilla recutita (L.) RAUSCHERT
Herkunft: Hauptlieferländer sind Ägypten, Spanien, Frankreich und die osteuropäischen Länder. Obwohl Argentinien Hauptlieferant von Kamillendroge ist, werden dort wegen fehlender Destillationseinrichtungen keine Kamillenöle produziert.
Gewinnung: Kamillenöl wird aus frischen oder getrockneten Kamillenblüten mit Stengeln durch Wasserdampfdestillation mittels diskontinuierlicher Verfahren in mobilen oder stationären Destillationsbehältern oder nach einem kontinuierlichen Verfahren gewonnen [93], [94], [95]. S. a [113], [114]. Die Zusammensetzung des Kamillenöls wird von der Art des Destillationsguts und vom Destillationsverfahren beeinflußt. Kamillenöle aus frischen und getrockneten Pflanzenteilen weisen nur geringe Unterschiede im Wirkstoffgehalt auf. Bei Verwendung von stengelhaltiger Blütenware kann die Ölausbeute im Vergleich zu reiner Blütenware verbessert werden. Die Ölausbeuten betragen ca. 0,2 bis 0,3 %, bezogen auf das Trockengewicht der eingesetzten Frischware. Der Hektarertrag liegt zwischen 2 und 5 kg Kamillenöl [94]. Bei langer Dampfeinwirkung resultieren Öle mit hohem Wachsanteil. Dies ist an erhöhten Verseifungs-, Ester- und Säurezahlen abzulesen. Die Dichte der Kamillenöle korreliert offensichtlich mit ihrem Wachsgehalt [94]. Hohe thermische Belastung führt bei der Destillation zu einer fast vollständigen Zersetzung der cis- und trans-Spiroether und zu einer vollständigeren Umsetzung des Matricins in Chamazulen [45], [94]. Die Destillation des Kohobationswassers hat ebenfalls zersetzungsbedingte Veränderungen zur Folge [96].
Handelssorten: Die genetisch fixierten Unterschiede in der Bisaboloidführung der Kamille drücken sich in der Zusammensetzung der Kamillenöle aus. Die Relation der Bisaboloide natürlicher Öle soll im Einklang mit einer der bekannten chemischen Rassen von Chamomilla recutita (L). RAUSCHERT stehen [18]. Im Handel überwiegen Kamillenöle vom Bisabololoxid A-Typ, wobei ägyptische Ware häufig durch „Grünöle“ mit geringem Chamazulengehalt auffällt. Öle vom Bisabololoxid B-Typ sind bisher nicht im Handel [18].
Verfälschungen/Verwechslungen: Kamillen-Bisabolol wird häufig durch den billigeren, isolierten Wirkstoff ausVanillosmopsis erythropappa SCHULTZ-BIP. ersetzt [97], [98]. Aufgrund der charakteristischen Isotopen-Diskriminierung beider Ausgangspflanzen ist neuerdings der Nachweis derartiger Verfälschungen mittels IRMS bzw. GC/IRMS möglich [98], [99]. Zusätze von racemischem Bisabolol lassen sich durch Bestimmung des Drehwerts der isolierten Substanz und durch HPLC mit Polarimeter-Detektion nachweisen [100], [101]. Chamazulen stammt gelegentlich aus Zusätzen von Schafgarbenöl [98]. Auch Verfälschungen durch Guajazulen sind nachzuweisen [18]. Gelegentlich werden Kamillenöle mit „Herkunfts“- oder Typenbezeichnungen unter Angabe der Provenienz in den Handel gebracht. Dabei können Verwechslungen mit dem ätherischen Öl anderer Stammpflanzen auftreten. Das ätherische Öl der Römischen Kamille, Chamaemelum nobile (L). ALL. (Anthemis nobilis L.), wird häufig als „Kamillenöl englisch“ oder „Chamomile oil, English Type“ gehandelt [18], [93]. „Marokkanisches Kamillenöl“ stammt aus Ormenis multicaulis BRAUN- BLANQ. et MAIRE [18]. Das ätherische Öl der Echten Kamille kommt im angelsächsischen Sprachraum unter den Bezeichnungen „Chamomile Oil, German Type“ bzw. „Hungarian Chamomile Oil“ in den Handel [93], [102].
Minderqualitäten: Sämtliche Monographien schreiben dunkelblaue bis blaugrüne Kamillenöle vor. Chamazulenarme „Grünöle“, verursacht durch Destillation mit Säuren, sind somit als Minderqualität abzulehnen.
Inhaltsstoffe: Monoterpene. Matricariae aetheroleum (Kamillenöl) enthält die wasserdampfflüchtigen lipophilen Inhaltsstoffe der Kamillenblüten (s. Matricariae flos). Neben Spuren von Monoterpenen dominiert die Sesquiterpenfraktion mit bis zu 33 % (–)-α-Bisabolol bzw. Bisabololoxide und bis zu 15 % Chamazulen. Bis zu 45 % des ätherischen Öls bestehen aus trans-β-Farnesen [94]. Da sich Anthecotulid unter den Bedingungen der Wasserdampfdestillation thermisch zersetzt, ist in Kamillenölen, deren Ausgangsmaterial Anthemis cotula L. enthält, diese allergisierende Substanz nicht mehr enthalten [103]. Während analytisch gewonnene Öle bis zu 30 % der Spiroether enthalten [104], enthalten technisch gewonnene Kamillenöle diese labilen Inhaltsstoffe nicht oder nur in geringem Umfang [45], [94]. Eine drastische Reduzierung des Spiroethergehalts tritt allerdings auch im analytischen Maßstab ein [105]. Die in der Droge enthaltenen polaren Inhaltsstoffe, wie Cumarine, Flavonoide, aromatische Carbonsäuren und Polysaccharide sind im Kamillenöl und in CO2-Hochdruckextrakten gleichermaßen nicht enthalten [106].
Identitaet: Die Identitätsprüfung von Kamillenöl erfolgt nach ÖAB 90 und Helv VII mittels DC und durch Dichtebestimmung. DC nach ÖAB 90: Als Untersuchungslösung dient das in Chloroform gelöste, ätherische Kamillenöl. Adsorptionsschicht: Kieselgel 60 F254. Fließmittel: Methylenchlorid-Essigsäureethylester (98+2). Detektion: Anisaldehyd-Essigsäure-Methanol-Schwefelsäure (0,5+10+85+5) und Erhitzen auf 100 bis 110 °C. Auswertung: Auf dem Chromatogramm müssen folgende Flecken erkennbar sein: Der blauviolette Fleck des Farnesens (Rf ca. 0,73), der orangerote Fleck des Chamazulens (Rf ca. 0,70), die hellbraunen Flecken der Spiroether (Rf ca. 0,45 bis 0,55), bei einem Rf von ca. 0,30 der violette Fleck des Bisabolols und bei einem Rf von ca. 0,1 bis 0,2 die braunen Flecke der Bisabololoxide A und B. Dichte: ρ20 ° = 0,912 bis 0,955 EB 6.ρ20 ° = 0,922 bis 0,956 ÖAB 90. ρ20 ° = 0,917 bis 0,959 Helv VII. ρ20 ° = 0,900 bis 0,940 Hung VII.ρ15 ° = 0,917 bis 0,957 [113] . ρ25 ° = 0,910 bis 0,950 [93] . Die Dichte technisch gewonnener Öle liegt zwischen 0,87 und 0,97 g/mL. Die Dichte der Kamillenöle korreliert mit ihrem Wachsanteil [94]. Nach EB 6 sollen Kamillenöle beim Abkühlen auf 0 °C zu einer butterähnlichen Konsistenz erstarren. Untersuchungen authentischer Kamillenöle zeigen jedoch, daß nur einzelne Öle zum Erstarren neigen [94], [95]. Nach Lit. [93] wird die Identität von Kamillenöl durch Vergleich des IR-Spektrums mit einem Referenzspektrum sowie durch Bestimmung von SZ, EZ, EZ nach Acetylierung, Löslichkeit in EtOH und spez. Dichte vorgenommen. Nach Hung VII sind SZ, EZ und EZ nach Acetylierung auf 30 bzw. 10 bis 40 und 55 bis 100 limitiert. Brechungsindex: nD20 = 1,464-1,469 ÖAB 60.Untersuchungen an authentischen Kamillenölen zeigen eine Bandbreite des Brechungsindex von 1,3640 bis 1,520[94].
Reinheit: Löslichkeit in Ethanol ÖAB 90, Hung VII. 1 mL ätherisches Kamillenöl mischt sich mit 10 mL EtOH unter Abscheidung von Paraffinen. Die Mischung muß gegen Lackmus neutral oder höchstens schwach sauer reagieren. Farbe nach Verdünnung ÖAB 90. Eine Mischung von 2 Tr. ätherischem Kamillenöl und 100 mL EtOH muß noch deutlich blau oder grünblau sein.
Gehalt: Obwohl die Arzneibücher blaue, d. h. chamazulenreiche Kamillenöle vorschreiben, werden bisher nur imHung VII Mindestgehalte gefordert: 2,5 % Chamazulen und 10,0 % (–)-α-Bisabolol. Nach neueren Vorschlägen sollten Kamillenöle mindestens 3 % Chamazulen und mindestens 15 bis 20 % (–)-α-Bisabolol enthalten [94], [107].
Gehaltsbestimmung: Zur quantitativen Bestimmung der Bisaboloide ist die GC geeignet Hung VII [18]. Der Azulengehalt wird durch Extinktionsmessung (600 bis 610 nm) des in Xylol bzw. Cyclohexan gelösten Kamillenöls bestimmt AB-DDR, Hung VII [18].
Lagerung: Kamillenöl: Vor Licht geschützt, in dicht schließenden Gefäßen ÖAB 90. Kühl, vor Licht geschützt, in vollen, dicht schließenden Glas- oder Aluminiumgefäßen Hung VII [93].
Zubereitungen: Kamillenöl wird durch Wasserdampfdestillation aus frischen oder getrockneten Blütenköpfchen und Stengeln der Kamille gewonnen [93], [95], [113]. Oleum Chamomillae citratum EB 6, Aetheroleum Chamomillae citratum Hung VII. Mischung aus gleichen Teilen Kamillenöl und Zitronenöl.
Verwendung: Kamillenöl wird in Form des isolierten Wirkstoffs zur Herstellung von Oleum chamomillae citratum und zur Wirkstoffstandardisierung von Kamillenpräparaten verwendet. Kamillenöl findet wie Kamillenauszüge als Zusatz für kosmetische Pflegepräparate und als Bestandteil von Chyprenoten in der Parfümerie Verwendung [90].
Gesetzliche Bestimmungen: Dem Kamillenöl wurde von der FEMA der GRAS-Status („Generally recognized as safe“) zuerkannt und von der FDA bestätigt [108]. Der Europarat hat Kamillenöl in die Liste der zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe aufgenommen [109]. Der Food Chemicals Codex enthält eine Kamillenöl-Monographie[93].
Pharmakologie
Wirkungen: S. → Droge Matricariae flos.
Anwendungsgebiete
Vgl. → Droge Matricariae flos
Dosierung & Art der Anwendung
0,1 g (= 5 Tropfen) Oleum Chamomillae EB 6.
Toxikologie
S. → Droge Matricariae flos.
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24.01.2013