Betula

Betulae folium

Verfasser

Piotr Gorecki, Renate Seitz

Übersicht

B > Betula > Betula pubescens EHRH. > Betulae folium

Gliederung

G Betula

A Betula pendula ROTH

A Betula pubescens EHRH.

D Betula hom. PF X

D Betula pendula e cortice, äthanol. Decoctum hom. HAB 1

D Betula pendula e foliis hom. HAB 1

D Betula pendula ferm. 34e hom. HAB 1

D Betulae cortex

D Betulae folium

D Betulae gemmae

D Betulae pix

D Betulae succus

D Carbo vegetabilis hom. HAB 1

Synonyme

Folia Betulae; Folium Betulae

Sonstige Bezeichnungen

dt.:Birkenblätter; Birch leaves; Feuilles de bouleau; Foglia di betulla; Hojas de abedul.

Offizinell

Birkenblätter – PhEur 5; Betulae folium (Birkenblätter) – DAB 10; Helv VII; Bouleau (Betula alba) – PF X; Folium Betulae – ÖAB 90; Folia Betulae – AB-DDR

Birkenblätter bestehen aus den ganzen oder geschnittenen, getrockneten Laubblättern von Betula pendula ROTH, von Betula pubescens EHRH., von beiden Arten oder auch von hybriden beider Arten. Die Droge enthält mindestens 1,5 % Flavonoide, berechnet als Hyperosid (C21H20O12; Mr: 464,4) und bezogen auf die getrocknete Droge PhEur 5. Die getrockneten Laubblätter DAB 10, PF X, ÖAB 90, AB-DDR.

Charakteristik

Stammpflanzen: Betula pubescens EHRH.

Herkunft: Sammlung aus Wildvorkommen; die Droge wird vorwiegend aus osteuropäischen Staaten importiert [26].

Gewinnung: Die Blätter werden zumeist im Frühjahr gesammelt und bei Raumtemperatur im Schatten getrocknet[26].

Ganzdroge: Aussehen. Blätter oberseits dunkelgrün, unterseits heller graugrün, mit gesägtem Rand und auffallend enger Netznervatur. Die Spreiten der gestielten Blätter von Betula pendula sind etwa 3 bis 7 cm lang und etwa 2 bis 5 cm breit, rautenförmig-dreieckig, lang zugespitzt, am Rand scharf doppelt gesägt, unbehaart und beiderseits dicht drüsig punktiert. Die Spreiten von Betula pubescens sind etwa 2,5 bis 5 cm lang und etwa 1,5 bis 4 cm breit, spitz eiförmig bis gerundet dreieckig und am Rand grob gesägt; beiderseits schwach behaart, unterseits mit kleinen gelblichgrauen Haarbüscheln in den Aderwinkeln, nur wenig Drüsen. Blattstiele bis 3,5 cm lang [74].

Schnittdroge: Geschmack. Etwas bitter. Geruch. Eigenartig, schwach aromatisch. Aussehen. Schnittdroge gekennzeichnet durch die tiefgrünen, spröden Blattstückchen mit ihrer charakteristischen, hellen Netznervatur, der mehr oder weniger dichten, vor allem bei Lupenbetrachtung gut wahrnehmbaren, dunkelbraunen, drüsigen Punktierung und der auf den unterseits reliefartig hervorragenden Haupt- und Seitennerven mitunter anzutreffenden Behaarung. Bruchstücke von einzelnen Blattstielen und dunkelrotbraunen, drüsig gefleckten Zweigstückchen kommen vor. Gelegentlich auch Bruchstücke der bis 0,5 cm breiten, braungrünen, weiblichen Blütenkätzchen, ihre bis 2,5 mm langen und breiten zweiflügeligen, zugespitzten Fruchtschuppen und ihre etwa 1 mm langen, gelbbraunen, einsamigen, zweiflügeligen Nüßchen vorhanden.

Mikroskopisches Bild: Epidermiszellen beiderseits isodiametrisch, geradwandig; auf der Blattunterseite, an den gezähnten Blatträndern, auch auf der Blattoberseite zahlreiche, von 4 bis 8, meist 6 Epidermiszellen umgebene Spaltöffnungen vom anomocytischen Typ. Auf beiden Blattseiten bei Betula pendula zahlreiche, bei Betula pubescens vereinzelte, etwa 100 bis 120 μm große Drüsenschuppen, deren innerste, kleine, verkorkte Zellen von einem flachen Schild aus großen, dünnwandigen Zellen bedeckt werden. Betula pubescens besitzt beiderseits einzellige, dickwandige, zugespitzte, häufig über der Basis umgebogene Deckhaare von etwa 80 bis 600 μm, meist etwa 100 bis 200 μm, in den Aderwinkeln bis etwa 1000 μm Länge, zuweilen mit einer Spirallinie in der Wand. Dorsiventrales Mesophyll mit je einer Lage sehr langer und kürzerer, oft konischer Palisadenzellen sowie einem mehrschichtigen Schwammparenchym aus rundlichen oder länglichen, bisweilen parallel zur Blattfläche gestreckten Zellen. Im Schwammparenchym zahlreiche, etwa 10 bis 20 μm große Calciumoxalatdrusen. Die Leitbündel stärkerer Blattnerven vor allem bei Betula pendula, selten bei Betula pubescens, werden von Fasern mit Kristallzellen begleitet [74].

Pulverdroge: Mikroskopisches Bild. Pulver graugrün mit zahlreichen, von geradwandigen Epidermiszellen bedeckten Blattfragmenten; Epidermis der Unterseite mit Spaltöffnungen vom anomocytischen Typ; über der Epidermis große schildartige Drüsenschuppen; Mesophyllfragmente mit Calciumoxalatdrusen; Bruchstücke der Leitbündel mit Sklerenchymfasern, die von Kristallzellreihen begleitet werden; bei Anwesenheit von Betula pubescens einzellige, sehr dickwandige, etwa 80 bis 600 μm, meist 100 bis 200 μm lange Deckhaare [74].

Verfälschungen/Verwechslungen: Verfälschungen kommen in der Praxis kaum vor [26].

Inhaltsstoffe: Flavon-/Flavanverbindungen. 2 bis 3 % Flavonoide, vorzugsweise Flavonolglykoside (Hyperosid, Quercitrin) neben Proanthocyanidinen [27]-[31]. Triterpen-Saponine. Triterpenalkohole vom Dammarantyp (keine Mengenangaben), u. a. Betulafolientriol und -tetrol [32], [33], [34], teilweise mit hämolytischer Aktivität [33]. Die hämolytisch wirksamen Inhaltsstoffe von Betula-pendula-Blättern (Triterpene 1 bis 3 vom Dammaran-Typ) aus Lit. [33]:

B.-Triterpensaponin 1

B.-Triterpensaponin 2

B.-Triterpensaponin 3

Damit werden frühere Angaben zu hämolytisch wirksamen Saponinen unbekannter Struktur (s. auch → Wertbestimmung in [75]) bestätigt [33], [35], [36]. Äth. Öl. Ca. 0,05 bis 0,1 % äth. Öl, das u. a. aus Sesquiterpenoxiden besteht [39], [40]. Glucoside. Monoterpenglucoside (ohne Mengenangaben), u. a. Betulalbosid A und B [36] und Roseosid [42] und 0,2 % 3,4′-Dihydroxypropiophenon-3-β-D-Glucosid [43]. Phenolcarbonsäuren. Wenig Phenolcarbonsäuren und ihre Derivate (z. B. Kaffeesäure und Chlorogensäure) [44]. Sonstiges. Bis zu 0,5 % Ascorbinsäure [37], [38], etwa 4 % mineralische Bestandteile, darunter Kaliumtartrat und Calciumoxalat [41].

Identitaet: Die DC-Prüfung des DAB 10, PF X, ÖAB 90 und Helv VII zielt auf den Nachweis der Flavonole. Referenzsubstanzen: Rutin (PF X, ÖAB 90) bzw. Rutin und Kaffeesäure (DAB 10 und Helv VII). Man erhält mit dem methanolischen Drogenextrakt ein typisches Fingerprint-Chromatogramm der Flavonole und Phenolcarbonsäuren (Nachweis: Naturstoffreagenz und Nachsprühen mit Macrogol 400), in dem das Hauptflavonoid der Birkenblätter, das Hyperosid, die intensivste Zone gibt [26], [45]. Fließmittel: Wasser-Essigsäure 98 %-1-Butanol (17 +17+66) bei Verwendung von Kieselgel zur DC (DAB 10, Helv VII), n-Butanol-Essigsäure 98 %-Wasser (40+10+50) -Oberphase bei Verwendung von Cellulose zur DC (PF X, ÖAB 90). Die Identitätsprüfung des AB-DDR erfolgt durch morphologische Prüfung.

Reinheit: Fremde Bestandteile: Höchstens 3 % Zweigstücke und Teile weiblicher Kätzchen DAB 10, Helv VII,AB-DDR und höchstens 3 % sonstige fremde Bestandteile DAB 10,ÖAB 90. Höchstens 2 % fremde Bestandteile PF X. Trocknungsverlust: Höchstens 10 % DAB 10,ÖAB 90; 12 % PF X. Asche: Höchstens 5 % DAB 10; 6 % PF X. Sulfatasche: Höchstens 6,5 % Helv VII.

Gehalt: Mindestens 1,5 % Flavonoide, berechnet als Hyperosid, bezogen auf die getrocknete Droge DAB 10,ÖAB 90, Helv VII.

Gehaltsbestimmung: Die Gehaltsbestimmung nach DAB 10, ÖAB 90 und Helv VII beruht auf der photometrischen Bestimmung der Flavonoide (Flavonole und Flavonolglykoside). Die Glykoside werden zunächst mit Aceton/Salzsäure hydrolysiert, die Aglykone mit Ethylacetat ausgeschüttelt. Durch Zusatz von Aluminiumchlorid erhält man die intensiv gelb gefärbten Aluminiumchelate und Flavonole, die bei 425 nm photometrisch bestimmt werden. Durch Zusatz von Hexamethylentetramin bei der Hydrolyse kann eine Reaktion der ebenfalls vorhandenen Leucoanthocyanidine ausgeschaltet werden [46].

Lagerung: Vor Licht geschützt DAB 10; vor Licht und Feuchtigkeit geschützt PF X; gut verschlossen aufbewahrenÖAB 90, Helv VII.

Verwendung: Ganz junge Birkenblätter dienen im Frühjahr als Beigabe zu Frühlingssalaten und Kräuterkäsezubereitungen [56].

Gesetzliche Bestimmungen: Nr. 8399.99.99 Birkenblätter [51]. Aufbereitungsmonographie der Kommission E am BGA [50].

Wirkungen: Erhöhung der Harnmenge. Ethanolische (mit 48 mg % und 76 mg % Gesamtflavonoiden) und wäßrige Birkenblattauszüge (148 mg % Gesamtflavonoide), p. o. an Ratten appliziert, erhöhen dosisabhängig signifikant die ausgeschiedene Harnmenge (Dosisgruppen 5,32 mL/kg KG bzw. 10,64 mL/kg KG: Steigerung von 54 bzw. 91 %)[47]. Prüfung auf saluretische Wirkung. Die beobachtete vermehrte Ausscheidung von Na-, K- und Cl-Ionen [48]beruht nach neueren Studien in erster Linie auf der vermehrten Zufuhr dieser Ionen mit den Pflanzenauszügen. Aus den Bilanzrechnungen kann allenfalls eine sehr schwache saluretische Wirkung abgeleitet werden [47]. Antipyretische Wirkung. Durch Bäckerhefe induziertes Fieber bei Ratten wurde durch einen 25 %igen wäßrigen Birkenblätterextrakt in der hohen Dosis von 4 mg/100 g KG signifikant für eine kurze Zeit gesenkt [49]. Die maximale Hemmung des Fieberanstiegs betrug 40 % nach 5 h. Mit Acetylsalicylsäure wurde im gleichen Modell nach 5 h eine Hemmung des Temperaturanstiegs um 47 % beobachtet, jedoch war die Hemmung durch die Referenzsubstanz im Gegensatz zur Drogenzubereitung auch nach 7 h noch signifikant

Zur Durchspülung bei bakteriellen und entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege und bei Nierengrieß. Zur unterstützenden Behandlung rheumatischer Beschwerden [50]. Zur Erhöhung der Harnmenge sowie zur Behandlung von Erkrankungen, bei denen eine erhöhte Harnmenge erwünscht ist (Harngrieß, zur Vorbeugung von Harnsteinen) [51].

Mittlere Tagesdosis mehrmals täglich 2 bis 3 g Droge in entsprechender Zubereitung. Auf reichliche Flüssigkeitszufuhr ist zu achten [50]. 1 bis 2 Eßlöffel voll (5 bis 10 g) Birkenblätter werden mit ca. 150 mL heißem Wasser übergossen und nach ca. 15 min abgeseiht. Soweit nicht anders verordnet, wird 3- bis 4mal tgl. 1 Tasse frisch bereiteter Tee zwischen den Mahlzeiten getrunken [51].

Unerwünschte Wirkungen

Keine bekannt [50]. Birkenblätter können bei Personen mit Birkenpollenallergie eine kurzfristige Kontaktallergie hervorrufen. Dies wird vor allem in Finnland beobachtet, wo junge Birkenreiser zur Saunamassage verwendet weden („Finnisch Sauna Disease“) [52].

Gegenanzeigen/

Anwendungsbeschränkungen

Keine Durchspülungstherapie bei Ödemen infolge eingeschränkter Herz- und Nierentätigkeit [50].

Als Tee- und „Frühjahrskuren“ bei Gicht und Rheuma und zur „Blutreinigung“. Äußerlich bei Haarausfall und Schuppenbildung [53]. In Norditalien schläft man bei Rheuma und Arthritis in mit Birkenblättern gefüllten Säcken oder nimmt Bäder mit Birkenblattabkochungen [54]. Die Wirksamkeit der Droge bei diesen Anwendungsgebieten ist nicht belegt.

Toxikologie

Mutagen: Im Ames-Test mit Salmonella typhimurium TA 98 wurde eine schwache Mutagenität beobachtet, was mit dem Gehalt an Quercetin in Zusammenhang gebracht worden ist [55]. Diese Angabe bedarf der Überprüfung.

Copyright

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Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, Birkenwaldstraße 44, 70191 Stuttgart

Datenstand

15.08.2010