Noonan-Syndrom

Definition:

    • autosomal-dominant erblich-bedingter Fehlbildungskomplex mit ähnlichem Erscheinungsbild wie Ullrich-Turner-Syndrom, jedoch normalem Karyogramm => Herzfehler / Kleinwuchs / charakteristische kraniofaziale Anomalien
    • Geschätzte Prävalenz: 1 : 2500 / Inzidenz 1:1000 => 2. häufigste Ursache für angeborene Herzfehler (Trisomie 21 häufigste)

Pathogenese:

    • Mutationen verschiedener Komponenten bzw. Modifikatoren RAS-MAPK-Signalwegs => 40-50% PTPN 11-Gen (Chr. 12) => kodiert für SHP-2 Protein (Rezeptor-Phosphotyrosin-Phosphorylase) => Aktivierung RAS-MAPK-Signalwegs
    • Klinisch überlappend + pathogenetisch verwandt => LEOPARD- / Costello- / cardio-facio-cutane(CFC)-Syndrom / Neurofibromatose Typ 1 (auch als RAS-Signalweg-Erkrankungen bzw. „RASopathien")
    • überwiegend sporadisch (ca. 50 %)
    • Rest autosomal-dominanter Ergang (bei 1 betroffenen Elternteil => Wahrscheinlichkeit für Kinder bei 50 % => wenn beide Eltern ~ 75 %) => Übertragung meist durch Mutter (ca. 3:1; männliche Noonan-Patienten meistens unfruchtbar)

Klinik:

    • Postnataler Kleinwuchs (mittlere Endgröße: ♀ ~153 cm; ♂ ~165 cm)
    • Typische kraniofaziale Anomalien mit breiter Stirn / Hypertelorismus / lateral absteigenden Lidachsen / Ptosis / tiefsitzenden + nach hinten rotierten Ohren / breitem Nacken bzw. Pterygium colli => faziale Merkmale im Kindesalter deutlicher als im Erwachsenenalter
    • Angeborene Herzfehler (ca. 80%) => am häufigsten Pulmonalstenose, danach hypertrophe Kardiomyopathie / VSD / EKG-Auffälligkeiten / seltener Herzrhythmusstörungen
    • Kryptorchismus männliches Geschlecht (ca. 80%)
    • Thoraxanomalien => typisch breiter Thorax mit weitem Mamillenabstand / oberem Pectus carinatum / unterem Pectus excavatum
    • Lymphgefäßanomalien pränatal (fetales Nackenödem, Pleuraerguss bis Hydrops) bzw. postnatal (Hand-/Fußrückenödeme, Lymphödeme unterschiedlicher Lokalisation)
    • Sehfehler (v.a. Myopie / Astigmatismus) / Hörstörungen
    • Muskuläre Hypotonie / Trinkschwäche im Säuglingsalter / motorische Entwicklungsverzögerung / Sprachentwicklungsstörung / milde kognitive Defizite / Lernbehinderung (ca. 30%) / Aufmerksamkeitsstörung
    • Blutungsneigung => Thrombozytopenie / Thrombozytenfunktionsstörung / Partialdefizienzen von Gerinnungsfaktoren (vor allem XI, seltener XII, VIII u.a.)
    • Trockene Haut / Keratosis pilaris / Ekzeme / lockiges, krauses, dünnes Haar
    • Unspezifische renale Anomalien (10%) / Skoliose (10–15%) / Arnold-Chiari-Malformation Typ 1 (selten)
    • Selten Myeloproliferation bzw. juvenile myelomonozytäre Leukämie (JMML) => meist benignem Verlauf / Riesenzelltumoren Kiefer => Allgemeine Tumorinzidenz geringfügig erhöht => CAVE: Bestimmte Genotypen (z.B. PTPN11-Mutation T73I, CBL-Mutationen) haben signifikant erhöhtes Risiko für hämato-onkologische Komplikationen

Diagnose:

    • klinische Untersuchung => auxologischer Daten (Körperlänge/-höhe, Gewicht, Kopfumfang; entsprechende Messwerte bei Eltern) => Skelettanomalien / Kryptorchismus / Hinweise für Blutungsneigung / Splenomegalie / motorischen, sprachlichen, geistigen Entwicklungsstands / Hörprüfung, Prüfung des Sehvermögens
    • Echokardiographie / EKG / Rö-Thorax / Ultraschall Nieren bzw. Harnwege / Gerinnungsdiagnostik (im Schulkindalter mit Quick, aPTT, Faktor IX / Audiometrie / Refraktometrie / CCT bzw. Schädel-MRT (bei progredienter Makrozephalie, Kopfschmerzen oder neurologischen Symptomen) / Endokrinologische Labordiagnostik (bei auffälliger Wachstumskurve) / Geschlechtshormonstatus / Hämatologische Abklärung
    • Nachweisdiagnostik => vollständige bzw. partielle (Hotspots) Exon-Sequenzierung in bekannten Genen => Mutationsnachweis in ca. 60–85% Patienten => nach Häufigkeit: PTPN11 (40–50%), SOS1 (10–15%), RAF1 (5–10%), KRAS (1–3%), SHOC2 (1–3%), NRAS, CBL, BRAF, MEK1, MEK2 (jeweils unter oder um 1%)
    • Ausschlussdiagnostik => Nachweis Chromosomenaberration, z.B. Nachweis eines Ullrich-Turner-Syndroms, oder den molekulargenetischen Nachweis z.B. CFC- oder Costello-Syndrom
    • CAVE: negativer Befund Mutationsanalyse bekannter Gene => kein vollständiger Ausschluss => in 15–40% der Fälle nur klinische Diagnose

Therapie:

    • Symptomatische Behandlung => Kardiologische Therapie / Therapie Hodenhochstands / Hörgeräteversorgung / Logopädie / Sehhilfe / Hormontherapie / Wachstumshormontherapie / Förderungsmaßnahmen z.B. psychosoziale Eingliederung