In einem Interview in der Zeitschrift agora42, Ausgabe 1/2017, erklärt Ulrike Herrmann, ein Bedingungsloses Grundeinkommen würde den Kapitalismus nicht überwinden und hätte den Effekt, dass die Löhne steigen und der Konsum zunimmt. - Das Bedingungslose Grundeinkommen würde »Wachstum« befördern.
Diese Aussagen sind haltlos, und wer ein bisschen selbst darüber nachdenkt, welchen Effekt ein Bedingungsloses Grundeinkommen haben würde, kommt zu ganz anderen Schlussfolgerungen.
Ohne den heutigen Arbeitszwang funktioniert der Kapitalismus nicht mehr. - Dieser basiert darauf, dass Menschen durch Arbeit ausgebeutet werden und andere, die Geldbesitzer, sich die Leistungen der Ausgebeuteten einfach nehmen können, weil sie »Geld« haben, mit dem sich der »Geldlose« bezahlen lassen muss.
Heute wirken Politikergesetze und Kapitalismus Hand in Hand. - Die Kapitalisten flüstern den Politikern die Regeln zu, zur Ausbeutung der Bürger, und die Politiker setzen diese Lobbyinteressen in Gesetze um, gegen die Bevölkerung.
Das wäre in einer Grundeinkommensgesellschaft nicht mehr möglich. - Denn die heute »Geldlosen« müssten sich nicht mehr jedem Unternehmer und Arbeitgeber anbieten, als Arbeitssklaven.
Frau Herrmann sagt, die Löhne würden mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen steigen und der Konsum würde zunehmen. - Tatsächlich würden die Löhne an Bedeutung verlieren, weil das viel Wichtigere, die Existenzsicherung, gemeinschaftlich garantiert ist. - Das nimmt den Druck von den Löhnen, existenzsichernd sein zu müssen. Die Bedeutung der Löhne sinkt drastisch für alle, deren Existenz mit einem Grundeinkommen gesichert ist. - So ist es in einer Grundeinkommensgesellschaft möglich, sogar ohne »Lohn« zu arbeiten, weil mit dem Grundeinkommen die Existenz gesichert ist.
Auch dass der Konsum steigt, ist eher nicht wahrscheinlich. Heute ist »Konsum« für den ausgebeuteten Sklavenarbeiter, aber auch für die gut bezahlten Jobber ein Ausweg, um die Arbeitspflicht und die von den Arbeitgebern bevormundend in den Arbeitsverträgen festgelegten Arbeitsbedingungen erträglicher zu machen. - Wer sich neue technische Spielzeuge kaufen kann, und mit dem Billigflieger schnell zwei Wochen im Ausland verbringt, fühlt sich für die Unterwerfung im Kapitalismus entschädigt. - So sind wir es ja auch heute gewöhnt.
In einer Grundeinkommensgesellschaft würde der Konsum schlagartig an Bedeutung verlieren, weil wir nicht mehr nach der Pfeife der Arbeitgeber tanzen müssten. - Es wäre endlich möglich, weniger zu arbeiten und den eigenen Interessen nachzugehen. »Urlaub« ist weniger wichtig, wenn wir insgesamt mehr Zeit für uns selbst haben. Der »Konsum« als materieller Ausgleich für einen Mangel an individueller Freiheit, hätte ausgedient.
Durch den drastischen Rückgang des Konsums, würden weniger Waren und Dienstleistungen produziert und wir hätten noch mehr Zeit, für die Dinge, die uns wichtig sind.
Durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen würde kein weiteres Wirtschaftswachstum verursacht, sondern das Gegenteil. Es würde endlich »Degrowth« stattfinden, »Postwachstum«. - Die Umwelt würde geschont.
Der heutige Raubbau an der Natur und alle umweltschädlichen Aktivitäten (Dieselskandal), werden ständig mit den erhaltenswerten Arbeitsplätzen gerechtfertigt, oder es werden »neue Arbeitsplätze« versprochen, wenn wir noch mehr Natur zerstören und Umweltschutzregeln missachten (Braunkohle, Regenwald).
Das Bedingungslose Grundeinkommen hingegen, ist voll umfänglich »ökologisch«. - Leider interessiert das die ökologische Bewegung nicht (Greenpeace). Denn sie unterstützt kein Bedingungsloses Grundeinkommen. - Ein Armutszeugnis.
An anderer Stelle in der Zeitschrift, erklärt Frau Herrmann, warum ein Land mit drei Billionen Euro Wertschöpfung, sich keine Grundversorgung für alle Bürger leisten kann.
Diese Wertschöpfung sei keine »Torte«, sondern müsse ständig produziert werden, damit sie vorhanden ist. - Deswegen können wir auch nicht auf »Wachstum« verzichten, meint die Journalistin.
Die Ungenauigkeit in ihrer Darstellung ergibt daraus, dass sie nicht »Wirtschaft« in diesem Interview erklärt, sondern »Kapitalismus«. - Der Kapitalismus ist aber für das Bedingungslose Grundeinkommen uninteressant. Er zeigt höchstens in seinen Auswüchsen, was wir alles überwinden müssen, um ein besseres Leben zu haben, als heute.
Für das Bedingungslose Grundeinkommen hingegen, ist die »Wirtschaft« das Entscheidende. - Wozu ist sie da? Wozu wird sie gebraucht?
Die einzige Aufgabe, die die Wirtschaft hat, ist die Versorgung der Bevölkerung mit den benötigten Gütern und Dienstleistungen. - Wenn aber die wichtigste Versorgung der Menschen diejenige ist, die die Existenz sichert, dann muss nur diese auch geleistet werden. - Alles darüber hinaus, ist nicht »notwendig«.
Eine Wirtschaft, die als vordringlichste Aufgabe »nur« die Grundversorgung der Bevölkerung hat, braucht kein »Wachstum«. Das, was wir immer brauchen, ist ein Leben lang immer das Gleiche: Nahrung, Kleidung, Wohnraum und Energie.
Die Bereitstellung dieser Dinge ist planbar, wie eine »Planwirtschaft«. - Diese Planung sollten wir aber nicht den Politikbonzen überlassen, wie es im Kommunismus geschah, sondern den Fachleuten in der Wirtschaft, in Zusammenarbeit mit den Verbrauchern und Konsumenten.
So ist das Schreckgespenst »Kapitalismus«, von dem Frau Herrmann erzählt und an dem sie gleichzeitig auch festhält, gar nicht so wichtig für uns Menschen. - Eine Loslösung davon ist möglich, wenn wir Bürgerinnen und Bürger uns Gedanken darüber machen, wofür Wirtschaft eigentlich gut ist, und was wir notwendigerweise produziert brauchen und was eher unbedeutend ist.