BGE-Kritik-18-09-14
Silvia
29.08.2018
Ich kann Herrn Prof. Butterwegge nur zustimmen:
Ein BGE wäre ein riesiger Verschiebebahnhof hin zu mehr Armut, hin zur
Abschaffung des Sozialstaates.
1. Es löst das Solidarsystem, bahnbrechende Errungenschaft von
Bismarck und Grundlage der ehemaligen SPD, ab. Mit 1000 EUR ohne
weiteres Einkommen lassen sich nicht Miete UND teure ärztliche
Behandlungen finanzieren (ein Hartz IV-Empfänger bekommt heute netto
zwar weniger, aber zusätzlich Sachleistungen und ist über die
Krankenversicherung abgesichert).
Rentner, die krank sind, werden in Armut versinken, wenn statt der Rente
BGE gezahlt wird, aber keine Krankenversicherung mehr besteht.
https://schrotundkorn.de/lebenumwelt/lesen/allen-das-gleiche-grundeinkommen.html
Grundlage der SPD heute, ist doch nicht Bismarck, sondern Schröder mit Agenda 2010 und Hartz4-Zwangsarbeit. - „Miete und ärztliche Behandlungen“ sind zwei verschiedene Baustellen. Miete wäre „Grundeinkommen“ und ärztliche Behandlung ist Gesundheitsversorgung.
Die Gesundheitsversorgung ist sicherlich eine weitere Baustelle in der Gesellschaft. Dabei geht es darum, eine kostenlose Gesundheits-Grundversorgung für die Bürger zu ermöglichen, wie das Grundeinkommen eine „bedingungslose“ Versorgung mit Nahrung, Kleidung, Wohnen und Energie bedeutet. – Für teure ärztliche Spezialbehandlungen müssen ebenfalls Lösungen gefunden werden.
Was gar nicht geht und keinen Sinn macht, ist „Grundeinkommen“ gegen die Gesundheitsversorgung auszuspielen. Zumal das Gesundheitswesen über extra „Versicherungen“ noch fundiert ist. – Es müssen aber unbedingt auch in diesem Bereich Veränderungen erzielt werden. Denn jeder kennt vielleicht die langen Wartezeiten bei Fachärzten. Das ist untragbar. - Und die Gesetze sind schuld, wieder einmal von den zuständigen Personen verbockt.
2. Ihre ein Arbeitsleben lang eingezahlten Rentenbeiträge wären für
künftige Rentner verloren. Sie bekämen wenig mehr oder auch erheblich
weniger BGE als Rente und würden damit enteignet.
Auch das ist Kokolores. – In einer Grundeinkommensgesellschaft würden erworbene Ansprüche für jeden bestehen bleiben. Möglicherweise aber nicht komplett „zusätzlich“ zum Grundeinkommen, sondern teils verrechnet. - Für Personen, die ihr Berufsleben erst in einer Grundeinkommensgesellschaft beginnen, bestünde die Möglichkeit, sich ergänzend privat zu versichern, wer das will.
3. Höhere Einkommenssteuern und/ oder höhere Konsumsteuern sind
lediglich Umverteilungsmechanismen und führen letztlich zu weniger netto
in der Tasche. Spüren werden das die Menschen, die nur wenig mehr
oder nur das BGE haben. Zudem: Jedes unbequeme System kann und
wird irgendwie umgangen werden. Reiche würden mit ihrem Kapital ins
Ausland abwandern.
(Wenn überhaupt, sollten nicht lebenswichtige Konsumgüter, sondern
Luxusgüter und Genussmittel höher besteuert werden.)
Durch ein Grundeinkommen würden sich die Steuern nicht erhöhen, weil ein Großteil der Grundeinkommen-Bezieher sich das Grundeinkommen selbst geben, mit ihren Steuerzahlungen (linke Tasche, rechte Tasche). – Nur diejenigen Menschen, die heute zu wenig zum Leben, haben müssten durch „Umverteilung“ bei den Steuereinnahmen mehr bekommen. – Das ist aber überhaupt der Gedanke von Steuern, seitdem es sie gibt, und hätte nichts speziell mit Grundeinkommen zu tun.
Bei Grundeinkommen geht es auch nicht um „Kapital“, das irgendwelche Reiche „klauen“ oder rauben können, sondern um die Versorgung mit den lebensnotwendigen Gütern. – Das ist ein Hauptproblem bei Grundeinkommen-Kritikern, aber auch bei vielen Grundeinkommen-Befürwortern, dass sie sich nicht genügend damit beschäftigen, was das Grundeinkommen eigentlich ist. – Es ist bestimmt nicht Geld, es sind vielmehr die Güter, die die Menschen zum Leben brauchen. Und die kann „der Reiche“ nicht klauen oder ins Ausland hinterziehen.
Es ist richtig, bei einer Konsumsteuer, die einzelnen Produktgruppen sinnvoll unterschiedlich zu besteuern. Also lebensnotwendige Güter gering, und Luxusgüter hoch zu besteuern. – Da hat die Autorin recht.
4. Eine höhere Einkommenssteuer wirkt als Anreiz fürs Nichtarbeiten,
gerade im Niedriglohnsektor. Arbeit würde sich dann noch weniger lohnen
als ohnehin schon.
Deshalb wird auch nicht die Einkommenssteuer, sondern die Konsumsteuer als richtiges und angemessenes Steuerungssystem in einer Grundeinkommensgesellschaft vorgeschlagen. – Die Autorin müsste sich nur erkundigen, welche unterschiedlichen Grundeinkommen-Modelle es gibt. – Völlig absurd wäre es, das Grundeinkommen „zusätzlich“ zu allen bestehenden Einkommen und Sozialleistungen zu zahlen. Aber solche Grundeinkommen-Modelle gibt es auch, die das vorschlagen. – Richtig wäre es, ein Grundeinkommen mit Konsumsteuer einzuführen, weil dann, wie die Autorin anmahnt, der Anreiz zum Arbeiten nicht aufgehoben wird. – Mit der Einkommenssteuer hingegen, werden Arbeitswillige bestraft, deshalb ist die Einkommenssteuer eine sehr schlechte Idee, für eine Grundeinkommensgesellschaft.
5. Das BGE wirkt als Anreiz für den Zuzug von Ausländern aus ärmeren
Ländern, was das Finanzierungsproblem verstärkt. Es ist Augenwischerei,
an ein BGE ohne Gegenleistung zu glauben, was aber nichts an der
fatalen Wirkung ändern würde.
Das ist das große Thema überall auf der Welt. - Sind wir „weltoffen“ und wollen wir es akzeptieren, dass Menschen „wandern“, aus unterschiedlichsten Gründen. – Oder wollen wir wieder Mauern und Zäune bauen, und Arbeitslose als Grenzposten aufstellen, damit sie ihre wertvolle Lebenszeit mit derlei wichtigen Aktivitäten verbringen?
Ein Grundeinkommen würde jedenfalls jeden „Wanderer“ mit einem Geldbetrag ausstatten, der ihn befähigt, überall zu leben und niemandem auf der Tasche zu liegen. – Deshalb ist ein weltweites Grundeinkommen und die universalistische Idee des BGE von so großer Bedeutung. – Das Bedingungslose Grundeinkommen ist immer für alle Menschen gedacht, egal, wo auf der Welt willkürlich Grenzen gezogen werden.
6. Es würde sich eine Gesellschaft von immer mehr Empfängern und
immer weniger Leistungsträgern entwickeln, das irgendwann kollabieren
MUSS. (Bsp. kinderreiche Familien, die sich über das BGE der Kinder
finanzieren und diesen Trend fortsetzen, d.h. "vererben".)
Die „Vererbung“ von Vorurteilen ist womöglich das noch größere Problem. - Nicht einfach den Leuten etwas unterstellen, sondern allen Menschen die Chance einräumen, sich zu entwickeln, ist wichtig. – Dass sich die Gesellschaften so gestalten, wie es die Autorin skizziert, ist eine Vermutung, möglicherweise gespeist von einem „negativen Menschenbild“. Es kann auch ganz anders ablaufen. Und viele Grundeinkommen-Befürworter sehen genau das vor Augen. – Nämlich, dass sich die Gesellschaften zu ihrem Besseren entwickeln werden, weil das BGE den Menschen die Gelegenheit dazu gibt.
7. Propagiert wird das BGE ausgerechnet von der Linken, die sich
eigentlich für die Arbeiterschicht einsetzen will, offenbar aber nicht
rechnen kann! Die niedrigeren und mittleren Einkommensschichten
werden die Verlierer sein. Vernünftig leben kann mit stark gestiegener
Einkommens- oder Konsumsteuer und abgeschaffter Kranken- und
Rentenversicherung nur der, der überproportional viel verdient.
Ich sehe keinen einzigen Grund, warum man die bisherigen
Sozialversicherungsmodelle abschaffen, warum man vom Prinzip Lohn für
Leistung weggehen sollte. Es würde NUR falsche Anreize schaffen und
bei steigenden Lebenshaltungskosten Armut erzeugen, die sozialstaatlich
nicht mehr abgefedert würde. Ein chronisch Kranker z. B., der 600 EUR
Miete inkl. NK zu bezahlen hat, kann mit 400 EUR nicht leben und Arzt,
Krankenhaus und Medikamente finanzieren.
Das BGE löst keine Probleme. Es wäre an der Zeit, die
Grundlebenshaltungskosten, die monatlich zwingend anfallen, für alle
Menschen in Dtl. zu senken: Mieten und Nebenkosten, darüber hinaus
eine Absenkung der Einkommenssteuer, damit Arbeit wieder lohnt.
Da malt die Schreiberin den Teufel an die Wand. – Niemand ist „Verlierer“, wenn die Existenz ein Leben lang gesichert ist, die Hartz4-Schikanen wegfallen, das Betteln bei den Jobcenter-Mitarbeitern um angemessen Geld wegfällt und der menschenrechtsverletzende Arbeitszwang endlich wieder passé ist. – Die meisten Einwohner werden „Hurra!“ rufen, wenn die Grundrechte in diesem Land wieder geachtet sind.
Alles mischt die Autorin wie einen Brei zusammen, was so nicht zusammen gepappt gehört: Gesundheitsversorgung, Bedingungsloses Grundeinkommen, Einkommenssteuer oder Konsumsteuer, um daraus ihr Negativbild vom Grundeinkommen zu mixen.
Ob es weiterhin „Lohn für Leistung“ geben wird, wäre frei zu entscheiden auf dem Arbeitsmarkt zwischen gleichberechtigten Teilnehmern, wenn es ein Bedingungsloses Grundeinkommen gibt und der potenzielle Arbeitnehmer dankend „Nein“ sagen kann, zu ausbeuterischen Arbeitsangeboten der Unternehmer.
Wie gesagt, das Grundeinkommen soll die Existenzsicherung allen Menschen garantieren. Das ist die Idee. Zum Thema „Gesundheitsversorgung“ gibt es sicher auch eine ganze Menge zu erzählen. Das wäre aber eine „andere Baustelle“. – Und nur das bestehende System, dass auf dem „Arbeitszwang“ aufbaut, zu reparieren, dazu ist es einfach nicht mehr zeitgemäß. – Das Bedingungslose Grundeinkommen hat einen anderen Ansatz. Statt „Versicherungen“ für Notfälle, brauchen wir ein gemeinschaftliches System der existenziellen Gewährleistung, das unabhängig von Wettbewerbs- und Arbeitszwang funktioniert.