Was bedeuten Abstimmungen, wie sie zum Beispiel in der Schweiz stattfinden? – Die Schweizer hatten jetzt schon zwei Mal die Gelegenheit, über moderne Weiterentwicklungen der Gesellschaft abzustimmen. In der Hinsicht sind sie dem »deutschen Michel« schon meilenweit voraus.
Aber Abstimmungen allein scheinen nicht zu garantieren, dass eine Idee sich durchsetzt. - Was nun?
Wer von einer Idee überzeugt ist und sie unterstützt, wird natürlich an ihr festhalten, auch wenn eine Mehrheit der Bevölkerung dagegen stimmt. – Vielleicht ist ja der »mündige Bürger« noch nicht so mündig, wie erhofft, und er orientiert sich vorerst lieber an dem, was die Regierung sagt. - Also wenn die Regierung eine Abstimmungs-Vorlage ablehnt, sagt sich der gestresste Arbeitnehmer, der nur so nebenbei sich für Politik interessiert, dann wird das wohl richtig sein, wie die Regierung das bewertet. Und hält sich an die Empfehlung der Regierung.
Und diejenigen, die eine Weiterentwicklung der Gesellschaften befürworten, werden sich weiterhin für die Ansätze einsetzen, auch wenn die Mehrheit der Bürger anders abstimmte? – Das wird von den Themen abhängen, und den Umständen. – In Ländern, in denen die Menschenrechte und Grundrecht missachtet werden, zum Beispiel in Deutschland durch die Hartz4-Sanktionen, muss der Grundeinkommen-Aktivist einfach weiter sich für das Grundeinkommen einsetzen, wenn wieder »Würde« im eigenen Land hergestellt werden soll. – Es sei denn, aus Resignation erlahmt die Aktivität.
Beim »Vollgeld« ist es ähnlich. - Ein genialer Ansatz, der die Finanzsituation in den Gesellschaften auf einen Schlag deutlich verbessern würde, muss weiterverfolgt werden, falls nicht die Kräfte nachlassen und der Mainstream-Passant überhand nimmt.
Und ja, all zu »blauäugig« sollten die Engagierten auch nicht sein. – Wahlbetrug gibt es nicht? Oder vielleicht doch? – Statt nur auf die Wahlzettel zu schauen, Kreuzchen machen und später im Radio und Fernsehen die Ergebnisse erzählt zu bekommen, sollten die Menschen aus »Fleisch und Blut« angesprochen werden und lokal und vor Ort ein »Wissen« vorhanden sein, wer alles für eine Sache und ein Thema eintritt. - Dann können Zahlen besser überprüft werden.
Die einen orientieren sich an »Dokumentationen«, Talkshows, Fachleuten und Sachverständigen. - Und wenn die Regierung die Richtung vorgibt, folgen viele bei Fuß. – Sie nehmen die Parlamentarische Demokratie ernst und erwarten vom Fachpersonal angemessen und seriös durch die Fährnisse des Alltags geleitet zu werden. – Sie selbst gehen ganz auf, in ihrem Job, haben dann noch das Privatleben und Urlaub. – Für sie ist Ausbrechen aus dieser Ordnung kein Thema.
Es sei denn, ja, es sei denn, dass sie aus dem System dieser Ordnung herausfallen und sich »unfair« von den Ordnungskräften behandelt fühlen. – Dann kann es passieren, dass diese Menschen anfangen, die Umstände zu hinterfragen und nachforschen, was da los ist, warum das alles nicht mehr so richtig funktioniert.
Und ein solcher Weg kann zu einer anderen Gruppe von Staatsbürgern führen, zu denjenigen, die überlegen, wie es in den Gesellschaften besser laufen könnte, und welche Veränderungen und Anpassungen der Verhältnisse sinnvoll wären.
Der Unterschied lässt sich gut am Beispiel »Hartz4« demonstrieren. – Wer keine Zeit hat, keine Lust, selbst den Dingen auf den Grund zu gehen, wird sich an den Mainstream-Aussagen zu Hartz4 orientieren, wird sich von der Regierung sagen lassen, dass mit dem »Fördern und Fordern« alles in Ordnung ist und alles mit rechten Dingen zugeht. - Wer »im System« verankert ist, wird jegliche Kritik an den Regierenden mit Misstrauen und Ablehnung verfolgen.
Aber diejenigen, die bei der »Reise nach Jerusalem« immer wieder ohne Stuhl dastehen, werden das Spiel und die Spielregeln in Frage stellen und irgendwann nicht mehr mitspielen wollen. – Wer Zeit und Lust hat, kann sich zum Beispiel den »Brandbrief« von Ralph Boes anschauen, und überlegen, ob das, was er da der Kanzlerin Merkel geschrieben hatte, stimmt.
Jeder Bürger, jede Bürgerin kann selbst überlegen, werden durch die Hartz4-Sanktionen die Grundrechte der Bürger verletzt. - Wer selbst von Hartz4 betroffen ist, kann dazu eine Meinung haben. Oder vielleicht kennt man jemanden, der von Hartz4 betroffen ist. Oder man hat ein Buch über Hartz4 gelesen, oder die vielen wütenden und verzweifelten Berichte im Internet.
Wie auch immer. Der Bürgersouverän müsste in dem Fall selbst darüber urteilen, selbst entscheiden, werden mit den Hartz4-Sanktionen die Grundrechte verletzt? – Wer es schafft, sich diesbezüglich zu einem eigenen Urteil durchzuringen, hat etwas erreicht, was eine bleibende Erfahrung darstellt und in der Regel nie wieder aufgegeben wird: die Selbstbestimmung.
Selbst bestimmen, was richtig ist, was wahr ist, was stimmt. - Dabei geht es nicht darum, »auf ewig« dieselbe Meinung zu haben. Im Gegenteil. Lebenslanges lernen, neue Informationen, Perspektivenwechsel und so weiter, bestimmen das Meinungsbild und können im Laufe des Lebens immer wieder neue »Standpunkte« hervorrufen. - Wichtig ist aber, immer und zu jeder Zeit, einen festen Stand zu haben und eine »aktuelle« Position, die man mit Herzblut vertritt und verteidigt. – Das heißt, der Mensch braucht ein starkes »Ich«.
Hat der Mensch den »Bürgerstatus« erreicht, mit seinem starken Ich, dann bedeutet sein Handeln, dass nicht nur »eine Stimme« bei einer Abstimmung abgegeben wird, sondern dass der Bürger zu einem Thema eine Entscheidung getroffen, ein Urteil gefällt und eine feste Meinung hat. – Und das ist etwas zentral anderes, als nur »Kreuzchen machen« bei Wahlen. – Wer zum Beispiel selbst entschieden hat, dass die Hartz4-Sanktionen menschenrechtsverletzend sind, stellt sich anders in die Gesellschaft, als derjenige, der nur »wählen geht« , oder bei der Bewertung von Hartz4-Sanktionen erst einmal einen Rechtsanwalt zurate ziehen muss.
Die »Stellvertreter-Demokratie« meint ja auch, dass der Bürger nicht oder kaum inhaltlich involviert ist. - Wer zwei Stunden in einem Vortrag schweigend sitzt und im Anschluss Fragen an den Referenten stellen darf, ist nicht gemeint, wenn von dem Bürgersouverän gesprochen wird. Der Bürgersouverän beschäftigt sich selbst mit den Themen, entwickelt eine eigene Meinung, trifft Entscheidungen und fällt ein Urteil.
So ist es auch nur folgerichtig, wenn bei Abstimmungen zu zentralen Themen, die die Bürger mehr in die Verantwortung und in den Mittelpunkt rücken würden, eine Mehrheit das ablehnt. – Denn die Ablehnung kommt von denen, die den Bürgerstatus nicht haben wollen. Sie lehnen es ab, mit mehr Freiheit ausgestattet zu werden und ein Geldsystem zu haben, dass der Zivilgesellschaft mehr Möglichkeiten einräumt. – Die alten Ordnungen sollen (vorerst?) erhalten bleiben.