6.2.6 Historische Feldforschung mit iPads und eBooks

Fokus: Authentizität - Aufgabe und Setting

Einführung

Diese Unterrichtsidee wurde ursprünglich mit angehenden Geschichtslehrkräften aus und in Großbritannien umgesetzt. Innerhalb des Projektes besuchten die Studierenden ein ehemaliges Schlachtfeld (Ypern) aus dem Ersten Weltkrieg. Das Ziel des Projektes war die Rekonstruktion der Geschichte eines verstorbenen Soldaten mithilfe der Informationen, die auf der Exkursion gesammelt wurden, um eine Digital Story zu erstellen. Hierfür nutzten die Studierenden iPads, um durch Texte, Bilder und Videos Informationen zusammenzutragen und zu speichern. Anhand der gewonnenen Informationen erstellten die Studierenden eine Narrative, die wiederum in eBooks gespeichert und visualisiert wurde.

Diese Idee kann natürlich auch in der Schule umgesetzt werden. Hierfür formuliert sich das Ziel, dass die Lernenden einen historischen (möglichst regionalen) Ort besuchen, ihre Exkursion dokumentieren und von der Lehrkraft hierzu aufgetragene Aufgaben bewältigen und lösen. Die gestellten Arbeitsaufträge hängen von dem jeweiligen Ort, den Lernzielen und der Klassenstufe ab. Dieses Projekt kann dazu genutzt werden, herkömmliche Ausflüge und Exkursionen innovativ, medial und handlungsorientiert umzudenken, damit authentisches und erfahrungsbezogenes Lernen entstehen kann. Da das Projekt mit einer Klasse vor- und nachbereitet werden muss, sollten mehrere Unterrichtsstunden dafür eingeplant werden. Es eignet sich ab der Klassenstufe 5 oder 6 und kann fächerübergreifend umgesetzt werden.

Didaktisches Konzept

Die didaktischen Ziele dieses Projektes beziehen sich vor allem auf das entdeckende Lernen, da sich die Lernenden eigenaktiv mit einem historischen Ort und ggf. mit historischen Personen auseinandersetzen. Die Schülerinnen und Schüler erhalten Aufgaben, die sie selbstgesteuert lösen müssen, indem sie sich an einem historischen Ort zurechtfinden. Hierfür sammeln sie Informationen und Eindrücke, gewinnen dabei neue Erkenntnisse und finden eigene Lösungswege, um die vorgegebenen Aufgaben zu bearbeiten. Das Projekt sollte trotz Anleitung und Orientierung durch vorbereitete Arbeitsaufträge und Hilfestellungen innerhalb einer offenen Lernumgebung umgesetzt werden. Erst durch die Öffnung des Unterrichts müssen die Lernenden aktiv selbst handeln, wodurch sie eigene Erfahrungen und Eindrücke gewinnen können. Durch den Besuch und die Erforschung eines regionalen historischen Ortes ergibt sich eine besondere Relevanz für die Lernenden und die Möglichkeit, an authentischen und für die Region wichtigen Themen zu forschen.

Das Projekt verfolgt außerdem einen erfahrungsorientierten Ansatz, da die Erfahrungen der Lernenden innerhalb der Exkursion sowohl Instrument als auch Notwendigkeit für das Projekt selbst darstellen. Der Lernprozess fußt auf den individuellen Eindrücken und Assoziationen, die die Schülerinnen und Schüler während der Exkursion erleben und sammeln. Diese Erfahrungen können im Projekt unterschiedlich dargestellt und reflektiert werden. Gleichzeitig konstruiert sich je nach historischem Ort eine Verbindung zu Erfahrungen vergangener Menschen, deren subjektive Perspektiven und Erlebnisse sichtbar gemacht werden können.

Bildungsplanbezug (Baden-Württemberg 2016 Sekundarstufe I)

Dieses Projekt konzentriert sich vor allem auf die Umsetzung der Leitperspektive „Medienbildung“, da die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Eindrücke, Erkenntnisse, Informationen und Forschungsergebnisse medial festhalten, speichern, sammeln und verarbeiten. Hierbei entsteht ein mediales Produkt in Form eines eBooks. Sie halten also zum einen Wissen und Informationen digital fest und zum anderen fokussieren sie ihr digitales Arbeiten auf Produktion und Präsentation. Sie üben sich außerdem im Digital Storytelling, wodurch sie sich wiederum mit einer sinnvollen, reflektieren und verantwortungsbewussten Nutzung digitaler Medien auseinandersetzen sowie diese selbstbestimmt ein- und umsetzen.

Förderung der prozessbezogenen Kompetenzen:

Methodenkompetenz:

  • unterschiedliche Materialien (insbesondere Texte, Karten, Statistiken, Karikaturen, Plakate, Historiengemälde, Fotografien, Filme, Zeitzeugenaussagen) auch unter Einbeziehung digitaler Medien analysieren

  • Informationen aus außerschulischen Lernorten auswerten (zum Beispiel Museum, Archiv, Denkmal, Kulturdenkmal, Gedenkstätte, historischer Ort)

Reflexionskompetenz:

  • historische Sachverhalte rekonstruieren (Rekonstruktion)

  • Auswirkungen von politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen und Prozesse auf die Lebens- und Erfahrungswelt der Menschen erläutern

  • fiktive historische Texte verfassen (Imagination) und auf Stimmigkeit überprüfen

Orientierungskompetenz:

  • das kollektive Gedächtnis, insbesondere unterschiedliche Geschichtsbilder, analysieren und bewerten, auch unter Berücksichtigung ihrer medialen Darstellung

Sachkompetenz:

  • historische Sachverhalte in Raum und Zeit einordnen

  • historische Sachverhalte in Zusammenhängen darstellen (Narration)

Auswahl der inhaltsbezogenen Kompetenzen:

Diese Auswahl ist abhängig vom gewählten historischen Ort.

Hauptintentionen

Die Schülerinnen und Schüler erforschen selbstständig einen historischen Ort oder eine Gedenkstätte mithilfe von Tablets, indem sie ihre Entdeckungen und Erkenntnisse in Bildern, Videos und Texten dokumentieren. Die Schülerinnen und Schüler lösen verschiedene Arbeitsaufträge innerhalb ihrer Exkursion, indem sie Daten erheben und ihre Ergebnisse digital in einem eBook festhalten und visualisieren.

Lernszenario

Zentral an diesem Projekt ist die effektive Nutzung von Tablets, hier speziell in Form von iPads. Allgemein finden die Lernenden alle Anweisungen und Aufgaben in einem eBook, das auf dem Tablet hinterlegt wurde. Dieses eBook muss von der Lehrkraft vorab erstellt werden (es können jedoch auch PowerPoint-Folien oder Videos alternativ eingesetzt werden). Schülerinnen und Schüler nutzen diese mobile Technologie zunächst, um Bilder und Videos aufzunehmen und Texte zu verfassen. Während dieser Recherchephase sollen sich die Lernenden einen Überblick über den historischen Ort oder die Gedenkstätte verschaffen. Gleichzeitig können sie bspw. auch Interviews mit dem Kameratool oder mit der Audiofunktion aufnehmen. Alle Informationen werden auf dem Tablet in einem digitalen Format gespeichert, wodurch an diesen Produkten zu einem späteren Zeitpunkt weitergearbeitet werden kann. Zudem können die entstandenen Bilder, Videos und Texte in das zu erarbeitende eBook integriert und dadurch mit anderen geteilt werden. Durch diese methodische Entscheidung erhalten die Schülerinnen und Schüler die volle Handlungsmacht über den Besuch und die damit verbundenen Erfahrungen und Erfassungen von Daten.

Im ursprünglichen Projekt mit Studierenden aus Großbritannien wurden die Tablets neben der Datenerhebung auch dazu genutzt, um Berichte über einzelne Soldaten zu erstellen, deren Leben sie zuvor erforscht hatten. Dazu sammelten sie an jedem der Schauplätze Informationen, die sie dann in einem eBook verarbeiteten und visualisierten. In einer Umsetzung im schulischen Kontext könnten die Schülerinnen und Schüler entweder Berichte, Steckbriefe oder fiktionale Texte verfassen.

Besonders an diesem Projekt ist nicht nur die aktive und effiziente Nutzung von mobilen Technologien auf verschiedenen Ebenen, sondern dass das Lernen der Schülerinnen und Schüler an außerschulischen Orten stattfinden kann, an denen sich tatsächliche historische Ereignisse abgespielt haben. Dadurch entstehen erfahrungsbezogenes und authentisches Lernen, das verstärkt Relevanz für die Lernenden erzeugt und einen nachhaltigen Wissensaufbau ermöglicht.

Das Projekt kann für Schülerinnen und Schüler einer höheren Klassenstufe insofern erweitert werden, indem diese vorab Leitfragen für die Exkursion erstellen und diese dann durch die Erforschung des historischen Ortes selbst beantworten (hierfür bräuchte es eine Einführung des Themas oder des Ortes in einer vorangehenden Stunde). Zudem können mit QR-Codes verschiedene Orte bzw. Bereiche gekennzeichnet und von der Lehrkraft mit zusätzlichen Informationen hinterlegt werden. Außerdem wäre es effektiv, wenn dem Projekt eine Reflexionsphase als Abschluss hinzugefügt wird, in der die Lernenden ihr eigenes Handeln und Lernen selbst reflektieren und einschätzen oder die entstehenden Produkte ihrer Mitschüler und Mitschülerinnen bewerten können.

Verwendete Tools

Mit „Book Creator“ können digitale und multimediale eBooks mit verschiedenen Funktionen erstellt werden. Entweder nutzt man die App (sofern Tablets oder Smartphones vorhanden sind) oder die Web-Anwendung für Google Chrome.

Für den Einsatz im Unterricht eignet sich die App aus den folgenden Gründen:

  • einfache Handhabung, intuitive Benutzung

  • multimediale Funktionen (Einfügen von Bildern/Fotos, Zeichnungen, Icons, Textfeldern, Audioaufnahmen, geometrische Formen, Videos, Kartenausschnitten)

  • Einbindung von visuellen und auditiven Informationen

  • bietet Möglichkeit der Interaktivität (Feedback)

Zudem kann in diesem Projekt die Google Creativity-App „Explain Everything“ benutzt werden, indem die Lehrkräfte hierdurch die Arbeitsanweisungen erstellen und hinterlegen. „Explain Everything“ ist ein digitales Whiteboard und ein interaktives Tool, mit dem Unterricht digital und vor allem in außerschulischen Lernorten realisiert werden kann.

Für den Einsatz im Unterricht eignet sich die App aus den folgenden Gründen:

  • man erstellt ein anschauliches, visuelles und interaktives Whiteboard, auf dem Informationen, Anweisungen und Aufgaben hinterlegt werden

  • ermöglicht Skizzierung von Unterrichtsinhalten, Aufnehmen von Videos und das Zusammenarbeiten von Lehrkraft und Klasse

  • Inhalte können einfach geteilt werden

  • Medien können direkt von Google Drive oder Dropbox importiert werden; Exportieren ist ebenso möglich

  • Voice-Chat in Echtzeit realisierbar

  • Feedbackmöglichkeiten integrierbar