2.1.6 Wie es weitergeht

Es ist natürlich schwierig, Prognosen zur Zukunft des Lernens im digitalen Zeitalter zu treffen. Jedoch können Erwartungen von ExpertInnen zu diesem Bereich als Wegweiser in die Zukunft dienen.

Sie müssen sich vor Augen halten, dass es sich im Folgendem um Vorhersagen handelt; manche werden sich als wahr, andere wahrscheinlich als falsch herausstellen. Nichtsdestotrotz liefern die Annahmen einen Einblick darüber, welche Technologien auf dem Vormarsch sind.

Eine der glaubwürdigeren Quellen, die sich mit der Zukunft der Bildung beschäftigen, sind die Horizon Reports. Diese Berichte werden jährlich veröffentlicht und bieten Einblick in das, was EintscheidungsträgerInnen und interessierte Lehrkräfte besonders in den Blick nehmen. Folgende Informationen basieren teilweise auf dem Bericht von 2017.

Jeder Bericht prognostiziert die Zukunft der höheren Schulbildung für einen Zeitraum von fünf Jahren. Welche Trends und technischen Entwicklungen werden Veränderungen im Bildungswesen forcieren?

Der Bericht von 2017 listet sechs Haupttrends auf, sechs bedeutsame Herausforderungen und sechs technische Entwicklungen, die im Begriff sind, das Lehren und Lernen sowie die kreative Recherche in der höheren Schulbildung maßgeblich zu beeinflussen.

Illustration from Horizon report 2017 – www.nmc.org (engl. Original)

    • Gemischtes Lernen (Blended Learning): Blended Learning, das sich als am besten funktionierende Methoden sowohl in Bezug auf Online-, als auch auf klassischen Unterricht stützt, nimmt an Hochschulen und Universitäten immer mehr zu, da die Zahl der digitalen Lernplattformen und die Möglichkeiten des sinnvollen Einsatzes zu schulischen Zwecken kontinuierlich steigen.

    • Gemeinschaftliches Lernen: Gemeinschaftliches Lernen, das sich auf Partner- oder Gruppenarbeiten von SchülerInnen/StudenInnen oder Lehrkräften/Dozierenden bezieht, basiert auf der Betrachtung des Lernens als soziales Konstrukt.

    • Messung des Lernens: Es besteht zunehmendes Interesse an der Bewertung und einer Vielzahl an Methoden und Werkzeugen, die Lehrkräfte zur Evaluation, Messung und Dokumentation von Lernprozessen, den Erwerb von Fähigkeiten und anderen Bedürfnisse im schulischen Bereich nutzen können.

    • Neugestaltung von Lernumgebungen: Das schulische Umfeld wird immer mehr dahingehend gestaltet, dass projektbasierte Interaktionen erleichtert werden, insbesondere im Hinblick auf größere Mobilität und Flexibiltät sowie die Nutzung mehrerer Geräte.

    • Weiterentwicklung der Innovationskultur: Ein größerer Fokus auf Unternehmertum und Entdeckergeist führt dazu, dass höhere Schulbildung als Stätte zur Forcierung von Innovation angesehen wird.

    • Tiefergehende Lernansätze: Tiefergehendes Lernen, also die Bewältigung von Inhalten, die SchülerInnen/StudentInnen zum kritischen Denken, zur Problemlösung zur Zusammenarbeit sowie zu eigenverantwortlichem Lernen anregen, bildet einen kontinuierlichen Schwerpunkt.

Adaptive Lerntechnologien

Adaptives Lernen bezeichnet die Technologien zur Überwachung des Lernfortschritts der SchülerInnen/StudentInnen und ist eng mit der Lernanalyse verbunden. Laut EDUCAUSE passt sich adaptives Lernen "auf Basis der individuellen Möglichkeiten oder der Erlangung einer Fähigkeit dynamisch dem Niveau oder der Art der Unterrichtsinhalte an, und zwar in einer Weise, welche die Leistungsfähigkeit eines Lernenden sowohl durch automatisierte als auch lehrerbezogene Vermittlung steigert" (Übersetzung von K.L.V., 30.01.2018). Adaptive Lerntechnologien können sich durch die technischen Algorithmen dem Lernenden in Echtzeit anpassen und liefern so sowohl den Lernenden als auch den Lehrenden umsetzbare Daten. Ziel ist es, die SchülerInnen/StudentInnen auf akkurate und logische Weise auf einen Lernweg zu führen, aktives Lernen zu stärken, Risikogruppen ins Visier zu nehmen und Faktoren zu analysieren, welche die Fertigstellung einer Aufgabe und den Lernerfolg der SchülerInnen/StudentInnen beeinflussen. BefürworterInnen des adaptiven Lernens sehen im Konzept eine Lösung des "eisernen Dreiecks" der schulischen Herausforderungen: Kosten, Zugang und Qualität.

Illustration: Jon Hoem. Licence: CC BY-NC-SA (engl. Original)

Was bedeutet dies für Sie als Lehrkraft? Wenn Sie Onlinekurse oder andere Online-Lernmaterialien nutzen, könnten Sie sich in der Situation befinden, dass Sie genügend Daten zur Umsetzung adaptiven Lernens haben. Die technischen und pädagogischen Herausforderungen sind jedoch beträchtlich.

Wenn Ihr Unterricht hauptsächlich im Klassenzimmer stattfindet und Sie einen gemischten Ansatz verfolgen, könnten weniger Herangehensweisen dabei sein, die auf einen praktischen und klugen Umgang mit Technik abzielen. Sie könnten schülerInnenbezogene Rückmeldungssysteme nutzen, um eine Vorstellung bezüglich ihrer Fortschritte zu bekommen; Sie könnten die Nutzung und Erstellung von Blogs und Wikis überwachen oder Statistiken zu den Zuschauerzahlen von YouTube-Videos verwenden, etc.

Mobiles Lernen

Durch die stetige und extrem schnelle Verbesserung der Prozessoren von Smartphones, intelligenten Uhren und Tablets ermöglicht mobiles Lernen den Lernenden den Zugang zu Materialien von überall, häufig auf mehreren Geräten. Die Frage nach Bequemlichkeit bestimmt die Nachfrage. Es existieren Möglichkeiten für neue Modelle zur Weiterentwicklung von mobilen Technologien, die den Zugang zu Bildungsinhalten verbessern, insbesondere in Regionen in der Welt, in denen der Zugang zu Computern erschwert ist.

Lehrkräfte machen sich die Möglichkeiten mobiler Geräte zur Förderung tiefergehenden Lernens zunutze, indem sie neue Gelegenheiten für SchülerInnen zur Auseinandersetzung mit Fachinhalten schaffen. Mobile Apps ermöglichen etwa Zwei-Wege-Kommunikation in Echtzeit und helfen so den Lehrkräften, effektiv auf die Bedürfnisse der SchülerInnen eingehen zu können. Diese Entwicklung hat sowohl Auswirkungen auf die Präsentation bzw. Schaffung von Lerninhalten. Studien zu diesem Feld belegen, dass Lehrkräfte die technische und pädagogische Unterstützung ihrer Institutionen zur Integration mobiler Geräte in die Lehrpläne/Curricula benötigen.

The Internet of Things

The Internet of Things (IoT) (das Internet der Dinge) besteht aus Objekten mit Rechenleistung aufgrund von Prozessoren oder Sensoren, die zur Informationsübermittlung durch Netzwerke dazu in der Lage sind. Dies ermöglicht Fernverwaltung, Statusüberwachung, Spurenverfolgung (Tracking) und Benachrichtigungsdienste. Angeschlossene Geräte können Daten zum Lernfortschritt der SchülerInnen/StudentInnen und zu Aktivitäten auf dem Schulgelände/Campus generieren und über die Richtung der Inhaltsdistribution und institutionelle Planungsprozesse informieren. Aufgrund der zunehmenden Nutzung intelligenter Geräte in Schulen/Universitäten untersuchen Institutionen Konsequenzen für Privatsphäre und Sicherheit.


Lernmanagement-Systeme der nächsten Generation

Lernmanagement-Systeme (LMS), auch als Virtuelle Lernumgebungen bezeichnet, umfassen Software und Webapplikationen zur Onlinepräsentation von Kursinhalten sowie die Spurenverfolgung, also das Tracking des Partizipationsverhaltens der SchülerInnen/StudentInnen. Manche halten die Möglichkeiten aktueller LMS für begrenzt, für zu fokussiert auf die Überwachung des Lernprozesses als auf das eigentliche Lernen. LMS der nächsten Generation, die auch Virtuelle Lernumgebungen der nächsten Generation genannt werden, beziehen sich auf die Entwicklung flexiblerer Lernumgebungen, welche die Personifizierung unterstützen, allgemeine Designstandards erfüllen und eine größere Rolle in der Lernentwicklungsbeurteilung spielen.

Künstliche Intelligenz

Im Bereich der Künstlichen Intelligenz (Artificial Intelligence, AI) werden Weiterentwicklungen in der Informatik zur Schaffung intelligenter Maschinen genutzt, die in ihrer Funktionsweise den Menschen ähneln. Die technische Entwicklung des Wissens, die Computern die Simulation menschlicher Wahrnehmung und Entscheidungsfindung sowie menschlichen Lernens ermöglicht, basiert auf dem Zugang zu Kategorien, Eigenschaften und Beziehungen zwischen zusammengehörigen Informationen. Maschinengesteuertes Lernen ist ein untergeordneter Bereich der AI, bei dem Computer mit der Fähigkeit zum Lernen ohne vorherige Programmierung ausgestattet werden.


Neurologische Netzwerke, ein weiterer wichtiger Bereich der Forschung, stellen die biologische Funktionsweise menschlicher Gehirne dar, um auf spezifische Reize wie Worte und Stimmlage reagieren und diese interpretieren zu können. Neurologische Netzwerke erweisen sich als wertvoll für anspruchsvollere natürliche Nutzeroberflächen durch Spracherkennung und natürliche Sprachverarbeitung, sodass Menschen mit Maschinen ähnlich interagieren können wie miteinander.

Durch die kontinuierliche Entwicklung zugrundeliegender Technologien besitzt AI das Potenzial zur Verbesserung des Onlinelernens, adaptiver Lernsoftware und von Forschungsprozessen auf eine Art und Weise, die intuitiver auf SchülerInnen/StudentInnen reagieren.

Natürliche Nutzeroberflächen

Eine steigende Anzahl an Geräten mit natürlichen Nutzeroberflächen (Natural User Interfaces, NUI) akzeptieren Interaktion mit der Bedienoberfläche durch Wischen, Tippen oder andere Berührungsformen. Daneben reagieren sie auf Gesten wie Arm- und Handbewegung, andere Körperbewegungen und immer mehr auf natürliche Spracheingaben. Tablets und Smartphones gehörten zu den ersten Geräten, mithilfe derer die Erkennung bzw. Interpretation von physischen Gesten als Steuerungsinstrument möglich wurde.


NUIs ermöglichen NutzerInnen die Inanspruchnahme virtueller Aktivitäten, die der Interaktion in der echten Welt ähneln, indem sie Inhalte intuitiv manipulieren. Die interaktive Genauigkeit von Systemen zur Gesten- und Gesichtszügenerkennung und deren Nuancen ist angestiegen, ebenso die Deckungsgleichheit der Technologien zur Erfassung von Gesten mit der Spracherkennung. Während bereits einige Applikationen zur Gesten- und Spracherkennung existieren, entstehen durch Entwicklungen im haptischen Bereich, taktile Empfindungen zur Informationsübermittlung an den/die NutzerIn, neue Forschungsfelder in der Wissenschaft und zu deren Umsetzung im schulischen Bereich.

Die folgenden zehn Punkte befassen sich mit den Hauptthemen in Bezug auf Veränderungen im Bildungssystem:

    1. Die Zunahme progressiver Lernansätze erfordert kulturelle Veränderungen: Institutionen müssen so strukturiert sein, dass eine Kultur des Ideenaustauschs entstehen kann; sie müssen erfolgreiche Modelle in- und außerhalb des Schulgeländes/Campus erkennen können und innovatives Unterrichten belohnen – und der Lernerfolg der SchülerInnen/StudentInnen muss im Mittelpunkt stehen.

    2. Fähigkeiten zur Behauptung in der echten Welt sind Voraussetzung für die Stärkung der Vermittlungsfähigkeit sowie der Arbeitsplatzentwicklung: Studierende haben die Erwartung, nach dem Abschluss in ein gewinnbringendes Beschäftigungsverhältnis treten zu können. Institutionen haben die Verantwortung, tiefergehende, aktive Lernerfahrungen sowie fähigkeitsbezogene Schulungen anzubieten, während die Technik auf sinnvolle Weise eingesetzt wird.

    3. Der Schlüssel zur Steigerung effektiver Problemlösungen ist Zusammenarbeit: Gemeinschaften zur Unterrichtspraxis, interdisziplinäre Führungsgruppen und offene soziale Netzwerke können zur Verbreitung wissenschaftlich abgesicherter Ansätze beitragen. Institutionen und Lehrkräfte können durch das gemeinsame Lernen voneinander größere Fortschritte erzielen.

    4. Ausreichender Internetzugang bleibt ungleich verteilt.

    5. Es werden Prozesse zur Bewertung nuancierter Fähigkeiten auf persönlicher Ebene benötigt: Adaptive Technologien und der Schwerpunkt auf der Messung des Lernens bestimmen die institutionelle Entscheidungsfindung, wohingegen die Lernerfahrungen der SchülerInnen/StudentInnen personalisiert werden; Führungskräfte müssen nun die Bewertung des Erwerbs stimmlicher Fähigkeiten, Handlungskompetenz, Kreativität und und kritischen Denkvermögens berücksichtigen.

    6. Die fließende Beherrschung digitaler Welten beinhaltet mehr als das bloße Wissen über die Nutzung von Technologien: Das Training muss über den Erwerb isolierter Fähigkeiten zur Nutzung von Technologien hinausgehen und stattdessen ein tiefes Verständnis für digitale Umgebungen anbahnen, um eine intuitive Anpassung an neue Umstände sowie die gemeinsame Erstellung von Inhalten mit anderen zu ermöglichen.

    7. Der Rückgriff auf internetbasiertes, mobiles und gemischtes Lernen (Blended Learning) versteht sich von selbst: Wenn Institutionen nicht bereits handfeste Strategien zur Integration dieser im Augenblick weit verbreiteten Ansätze entwickelt haben, werden sie nicht von Dauer sein. Ein wichtiger Schritt ist deshalb die Bewertung, inwiefern diese Modelle zur Verbesserung der Lernergebnisse beitragen.

    8. Kreisläufe des Lernens müssen in Bewegung bleiben, um der Unterstützung zukünftiger Vorgehensweisen dienen zu können: Mit der Nutzung von Werkzeugen und Plattformen wie Lernmanagement-Systeme verfolgen Lehrkräfte den Wunsch, die Bestandteile der traditionellen Lernerfahrung zu entflechten und öffentlich zugängliche Inhalte und pädagogische Applikationen auf einzigartige und fesselnde Art und Weise neu zusammenzusetzen.

    9. Höhere Schulbildung kann Brutstätte zur Entwicklung intuitiverer Computertechnologien sein: Aufgrund des Übergangs künstlicher Intelligenz bzw. natürlicher Benutzeroberflächen in die Massennutzung entwickeln Universitäten Lernalgorithmen für Maschinen und haptische Geräte, die automatisch auf menschliche Interaktion reagieren.

    10. Das Herzblut höherer Schulbildung bildet lebenslanges Lernen: Institutionen müssen fortlaufende Lernprozesse – sowohl offizielle als auch inoffizielle – erkennen und für die jeweiligen Fakultäten, MitarbeiterInnen und StudentInnen priorisieren.

Der Gedanke ist der, dass jährliche Reflexionsberichte der Berichterstattung über die Entscheidungen dienen, die Institutionen in Bezug auf Technologien treffen, sodass das Unterrichten und Lernen sowie kreative Angebote verbessert, unterstützt und erweitert werden können.