6.2.1 Tutorial für Geflüchtete in Deutschland

Fokus: Personalisierung - Handlungsmacht und Individualisierung

Einführung

Dieses Projekt entspricht der Idee des „Service Learning“, da hier fachliches Lernen mit sozialem Engagement verbunden wird. Den Lernenden wird gezeigt, wie ihre eigenen bedeutungsvollen Aktionen Einfluss auf den sozialen Lernprozess anderer haben können. In dem hier gezeigten Beispiel unterstützen Schülerinnen und Schüler Geflüchtete dabei, ihre Integrationsbestrebungen in einer fremden, unbekannten Gesellschaft zu erfüllen, indem die Lernenden eigene Tutorials für die Geflüchtete erstellen. Während des Erstellungsprozesses erwerben die Lernenden die dafür benötigten Fähig- und Fertigkeiten, um ihr Wissen in den Tutorials adressatengerecht zu veranschaulichen. Hierbei wird eine Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen und Vereinen angestrebt. Die Ziele des Projektes liegen darin, dass Schülerinnen und Schüler sich mit Fragen und Problemen von Geflüchteten auseinandersetzen und hierfür adressatenorientierte Tutorials als Hilfestellungen erstellen.

Das Projekt umfasst mehrere Schulstunden und ist ab Klasse 8 der Sekundarstufe I durchführbar. Der Hauptfokus des Projektes liegt auf dem Fach Englisch. Das Projekt kann aber auch im bilingualen Unterricht oder im fächerübergreifenden Unterricht umgesetzt werden.

Didaktisches Konzept

Das handlungsorientierte Projekt setzt sowohl auf Selbstständigkeit und selbstgesteuertes Lernen als auch auf Problemorientierung. Die Projektidee zielt darauf ab, dass die Schülerinnen und Schüler ihre erworbenen Sprachkenntnisse aus dem Englischunterricht nun auf konkrete und reale Situationen anwenden, um bestimmte Probleme in einem authentischen Kontext zu lösen. Dadurch werden die zuvor erarbeiteten Fähig- und Fertigkeiten nachhaltig und lösungsorientiert genutzt, wodurch die Lernenden beweisen, dass sie ihre Kompetenzzuwächse in verschiedenen Situationen variabel und prozessorientiert einsetzen können. Die angestrebte Verbindung zwischen Denken und Handeln spiegelt sich in der gegenwärtigen Problembearbeitung der SuS wider, da sie nach den bestmöglichen sowie nach nachhaltigen Lösungswegen suchen, wodurch das Projekt auch Relevanz für das zukünftige Handeln der Lernenden erhält.

Die Lernenden übernehmen außerdem Verantwortung für ihr eigenes Lernen und Verantwortung für das Produkt, das am Ende der Einheit entsteht und als angestrebtes Lernergebnis sichtbar wird. Dadurch liegen die Eigenaktivität, Kooperationsfähigkeit durch die Arbeit in einer Gruppe und die persönliche Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand im Fokus der Betrachtung. Die Schülerinnen und Schüler konstituieren sich durch diese offene Lernumgebung das Wissen selbst.

Das Prinzip der Problemorientierung geht mit den zuvor beschriebenen Zielen und Aussagen dieses didaktischen Konzepts einher, da auch die Problemorientierung auf einem selbstgesteuerten, situativen und sozialen Lernen basiert. Die Schülerinnen und Schüler finden gemeinsam und in Aushandlung konkrete Lösungsansätze, setzen diese in tatsächliche Medienprodukte um und erfahren so Selbstwirksamkeit und Selbstständigkeit. Sie entwickeln in diesem Prozess für verschiedene Bereiche Lösungsstrategien und arbeiten aktiv auf ein Problem bzw. auf dessen Lösung hin.

Bildungsplanbezug (Baden-Württemberg 2016 Grundschule)

Dieses Projekt fokussiert neben der Leitperspektive „Medienbildung“ auch die Leitperspektive „Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt“, da die Schülerinnen und Schüler personale und gesellschaftliche Vielfalt erkennen, Selbstfindung und Akzeptanz anderer Lebensformen anstreben und werteorientiert handeln. Dieses Projekt verbindet außerdem interkulturellen Austausch mit der Förderung von Akzeptanz und Toleranz in Verbindung mit Geflüchteten, deren Lebens- und Gedankenwelt sowie Probleme und Sorgen beleuchtet werden. Die Schülerinnen und Schüler erweitern so ihren personalen und gesellschaftlichen Horizont und erkennen die vorhandene Vielfalt in ihrer Gemeinschaft als normal und fördernd an.

Förderung der prozessbezogenen Kompetenzen:

Sprachbewusstsein:

Die SuS nutzen vertraute Ausdrucksmittel des Englischen zunehmend bewusst, indem sie eigene Texte für Tutorials verfassen. Sie achten dabei auf Stil, Register sowie kulturell bestimmte Formen des Sprachgebrauchs, wodurch ihr Tutorial angepasst an die Situation und an die potentiellen ZuschauerInnen ist. Sie gestalten den interkulturellen Austausch weitestgehend sicher. Ihrem Gegenüber begegnen sie respektvoll und tolerant, unabhängig davon, ob dessen Identität anders geprägt ist als ihre eigene.

Auswahl der inhaltsbezogenen Kompetenzen:

3.2.2 Interkulturelle kommunikative Kompetenz

  • sich auf Basis vorgegebener Informationen, gegebenenfalls sprachlich unterstützt, zu Themen der Lebenswelt Jugendlicher verschiedener Zielkulturen äußern und austauschen

  • Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur eigenen Kultur beschreiben, Ursachen anhand ausgewählter Beispiele verstehen und sich, gegebenenfalls sprachlich unterstützt, darüber austauschen

3.2.3.4 Sprechen – zusammenhängendes monologisches Sprechen

  • ein selbstständig erarbeitetes Thema zusammenhängend und medial unterstützt präsentieren (z. B. mithilfe von Bildern oder eines Präsentationsprogramms)

Q: Bildungsplan 2016 Sekundarstufe, bildungsplaene-bw.de

Hauptintentionen

Die SuS erstellen eigene Online-Tutorials zu selbstgewählten Themen für Geflüchtete, indem sie beispielsweise Comics, Videos oder Infografiken auf Englisch erstellen.

Die SuS nehmen für sie fremde und somit neue Perspektiven ein und reflektieren diese, indem sie zielgerichtete und „konsumentenorientierte“ Tutorials in Englisch erstellen.

Lernszenario

Zu Beginn des Lernszenarios werden Geflüchtete gebeten, Videos mit für sie wichtige Fragen über Deutschland zu erstellen. Die Schülerinnen und Schüler nehmen diese Videos auf. Diese Videos dienen dann als Ausgangspunkt für die erste Unterrichtsstunde, in der die Lernenden dazu angehalten werden, Vermutungen über verschiedene Probleme, die beim Umzug in ein Land mit einer fremden Kultur auftreten können, anzustellen. Die Schülerinnen und Schüler nutzen iPads, um kooperative Mindmaps zu erstellen und diese vor der Klasse zu präsentieren. Bevor die Lernenden die Videos erstellen, muss ein Storyboard mit den konzeptionellen Ideen bei der Lehrkraft abgegeben werden.

Jede Lerngruppe macht sich mit einem Problemszenario vertraut und personalisiert ihr Endprodukt (z.B. Thema, Art der Erzählung, Medien, die genutzt werden sollen, etc.). Die verschiedenen Gruppen nutzen ihre iPads zu dem Sammeln von Daten und benutzen die Kamera, um Fotografien und Videos für ihre Tutorials zu erstellen. Des Weiteren nutzen sie das iPad für den Videoschnitt und zur Erstellung von Comics und Bilderbüchern.

Die funktionsfähigen Tutorials werden der Klasse präsentiert und vor der Freigabe an die ProjektpartnerInnen durch Online-Feedback evaluiert.

Mögliche Erweiterungen des Projektes könnten insofern stattfinden, wenn die Schülerinnen und Schüler eigene Bilderbücher erstellen und diese vor Beginn ihrer Medienproduktion bei der Lehrkraft einreichen. Außerdem könnte eine Zusammenarbeit mit einer anderen Schule angestrebt werden, die sich ebenfalls mit dieser Thematik beschäftigt. Hierbei besteht die Möglichkeit, eine gemeinsame Datenbank zu erstellen, die dann Arbeitsmaterial für Schulen und Geflüchtete bereithält.

Verwendete Tools

Für das Erstellen von kooperativen Mindmaps wird das Online-Mindmapping-Tool „Mindmeister“ genutzt. Hier können die Benutzer oder die Benutzerinnen ihre Gedanken über eine Cloud visualisieren, teilen und präsentieren. „Mindmeister“ ist komplett webbasiert, wodurch keine Software heruntergeladen werden muss. Die App kann außerdem zum Brainstormen, Notizen machen und zur Projektplanung genutzt werden.

Für den Einsatz im Unterricht eignet sich diese App aus den folgenden Gründen:

  • Mindmaps können einfach und schnell mit anderen geteilt werden

  • Kollaboratives Arbeiten ist möglich

  • Es kann über Ideen abgestimmt, kommentiert und über Chat kommuniziert werden

  • Erstellte Mindmaps können als dynamische Slideshow präsentiert werden


Mit der iOS-App „Strip Design“ können eigenständig Comics erstellt werden, indem eigene Bilder oder Zeichnungen eingefügt oder erstellt werden.

Für den Einsatz im Unterricht eignet sich diese App aus den folgenden Gründen:

  • einfache Erstellung & Bedienung (besonders für Kinder)

  • problemloses Auswechseln der verwendeten Bilder

  • Designs für Comic selbst wählbar; viele verschiedene Vorlagen

  • einfache Bearbeitung der Bilder durch integrierte Tools

  • Einfügen von schriftlichen Kommentaren, Denk- und Sprechblasen

Für das Erstellen von Videos ist die iOS-App „iMovie“ hilfreich, die auf Apple-Geräten bereits vorinstalliert ist.

Für den Einsatz im Unterricht eignet sich die App aus den folgenden Gründen:

  • einfach und verständlich aufgebaut

  • fertige Produkte können sowohl auf einem Endgerät als auch in einer Cloud gespeichert werden

  • einfache Handhabung



Autor und Konzeption: Dr. Ulf Frank Kerber