2.5.5 Herausforderungen

Trotz der verschiedenen Formen und Methoden von Assessments, die ihrerseits viele Vorteile mit sich bringen, gibt es auch einige Herausforderungen. Dieser Abschnitt macht Sie mit etwaigen Schwierigkeiten bekannt und hilft Ihnen dabei, diese zu vermeiden oder sich bewusst und angemessen damit auseinanderzusetzen.

1. Im Bezug auf Pädagogik ist das Hauptziel eines Assessments, Daten zu liefern, die dabei behilflich sind, geplanten Unterricht zu überarbeiten. Dabei sollten offensichtliche Fragen wie "Was nun? Wie geht es weiter?" beantwortet werden.

2. Es bereitet außerordentlich viel Arbeit, genaue und personalisierte Assessments zu entwickeln, die für einzelne Lernende Wege nach vorne offenbaren – wahrscheinlich ist es für eine einzelne Lehrkraft nicht leistbar. Deswegen müssen Lernmodelle überdacht werden und notfalls Abstriche gemacht werden (oder noch schlimmer: Burnout der Lehrkräfte).

3. Lese-und Schreibfähigkeit können das inhaltliche Wissen verschleiern. Des Weiteren stehen Sprachentwicklung, lexikalisches Wissen und Hörfähigkeiten mit mathematischen Fähigkeiten und Lesefähigkeiten in Verbindung (Flanagan 2006). Das bedeutet, dass es oftmals leichter sein kann etwas anderes zu beurteilen als akademische Standards. Dabei erfährt man vielleicht nicht genau das, was man wissen möchte, aber zumindest erfährt man etwas.

4. Eine Selbsteinschätzung von Lernenden kann zwar eine Herausforderung darstellen, ist aber für den Lernprozess unabdingbar. Nach Ross & Rolheiser haben Lernende, denen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu Selbstevaluation an die Hand gegeben werden, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine größere Ausdauer, sich mit schwierigen Aufgaben auseinanderzusetzen, haben mehr Vertrauen in ihre Fähigkeiten und übernehmen mehr Verantwortung für ihre Arbeiten (Ross & Rolheiser 2001).

5. Assessments können mehr verschleiern, als das sie offenbaren. Wenn die Assessments direkt auf die gegebenen Standards zugeschnitten sind und diese Standards weder von den Lehrkräften noch von den Entwicklern sachgemäß verstanden werden, können sich Lernende, Lehrende, Assessment- und Curriculums-Entwickelnde in keiner gemeinsamen Sprache über Inhalte und deren Implikationen verständigen. Zusätzlich entsteht ein beachtliches Datenrauschen, das diejenigen, die diese Daten nutzen möchten, täuschen kann und jegliche Versuche, datenbasierten Unterricht zu halten, stört.

6. Die Lehrkräfte sehen Erkenntnisse/Ergebnisse oder die Bereitschaft der Lernenden zu studieren/eine Karriere anzustreben; die Lernenden sehen oftmals Noten und Leistung (z.B. viele oder wenige Misserfolge) (Atkinson 1964).

7. Es besteht ein Unterschied zwischen Selbst-Evaluation und Selbst-Benotung . "Selbst-Evaluation" bedeutet nicht, dass die Lernenden die Noten für ihre zu erledigenden Aufgaben und Lehrveranstaltungen anstelle der Lehrkräfte bestimmen. Hier verweist der Begriff auf Verständnis und Anwendung bestimmter Kriterien, die zur Evaluation der eigenen Arbeiten und des eigenen Verhaltens dienen. Dadurch wird bestimmt, ob festgelegte Ziele erreicht wurden (Andrade 2008).

8. Wenn das Assessment nicht klar an das Curriculum und an die Lernmodelle angepasst ist, ist es nur eine weiter Aufgabe. Das bedeutet, wenn die Daten des Assessments nicht sofort dafür genutzt werden, um den geplanten Unterricht im Wesentlichen zu überdenken, dient das Assessment im besten Fall der Übung und bringt im schlechtesten Fall mehr Arbeit für die Lehrkräfte und die Lernenden mit sich. Wenn Assessment, Curriculum und Lernmodelle nicht "im Dialog stehen", ist der Aufwand oft umsonst.

9. Das Wort "hoch" ist stets relativ. Hohe Erwartungen fördern – wenn sie personalisiert und erreichbar sind – die Ausdauer der Lernenden (Brophy 2004). Selbstvertrauen, das durch bewusst vereinfachte Assessments hervorgerufen wird, ist oftmals relativ kurzlebig. Die Psychologie im Bezug auf Assessments ist genauso zu beachten wie deren pädagogische Implikationen.

10. Bedeutungsvolle Assessment müssen so erstellt werden, dass die für den Erfolg angelegten Maßstäbe die Lernenden ansprechen. Die Lernenden sind meist motivierter, Misserfolge zu vermeiden als Erfolge zu verbuchen (Atkinson 1964).

11. In einer perfekten Welt würden wir uns nicht fragen, wie wir in einem Test abgeschnitten hätten, sondern ob und wie der Test auf uns zugeschnitten war. Das bedeutet, wir würden uns fragen, inwieweit der Test unsere Kenntnisse der Materie beleuchtet (anstatt alleinig unsere Darbietung zu bewerten). Anders ausgedrückt, könnte angemerkt werden, dass eine ebenso wichtige Funktion des Assessments die Identifikation dessen ist, was ein Lernender wirklich verinnerlicht hat. Falls das nicht geschieht, liegt das Versäumnis beim Test, nicht bei den Lernenden.

12. Das Klassenzimmer kann nicht mit "der wirklichen Welt" gleichgesetzt werden. Die "wirkliche Welt" im Bezug auf Benotung und Assessment widerspiegeln zu wollen, ist leichter gesagt als getan (z.B. können Jura-Studierende wenn sie aufgrund mangelnden Lernaufwands durch ihr Examen fallen, nun mal keine Anwälte oder Anwältinnen werden. Das gleiche Prinzip müsste im Klassenzimmer angewendet werden, da man die Lernenden auf die "wirkliche Welt" vorbereiten möchte).

13. Die meisten ordentlichen Lehrkräfte wissen bereits vor der Auswertung des Assessment, wie ihre Lernenden abschneiden werden. Darum ist es sinnvoll, Curriculum und Unterricht so zu gestalten, dass beides ohne großen Aufwand an die Leistungen der Lernenden angepasst werden kann. Wenn man vor dem Assessment nicht weiß, wofür die daraus resultierenden Daten genutzt werden, hinkt man bereits hinterher.

14. Jedes Assessment hat seine Fehler; umso häufiger, lernendenzentrierter und konfrontationsvermeidender, umso besser. Man ist dabei oftmals versucht, jedes Assessment als Messlatte für menschliches Potential anzusehen. Bestenfalls ist es eine unvollkommene Momentaufnahme.

15. Es ist verlockend die Ergebnisse eines Assessment persönlich zu nehmen, was aber nicht der Fall ist. Umso weniger persönlich man Assessment nimmt, umso analytischer kann man sich damit auseinandersetzen.

16. Es geschieht schnell, dass man bei Assessments auf die Bestätigungstendenzen herein fällt – d.h. Daten sucht, die das bestätigen, was man bereits vermutet. Allerdings sollte man sich dazu zwingen, die Ergebnisse aus einer anderen Perspektive zu betrachten.

17. Assessments müssen nicht automatisch in Form von Test durchgeführt werden. Alle Aufgaben, die die Lernenden bearbeiten, liefern eine große Menge an Daten. Welchen Gewinn man daraus schlägt, kommt ganz darauf an, was man messen möchte (dies ist ehrlich gesagt eher ein Vorteil des Assessments) .

18. Technologien können die Datensammlung einfacher und effektiver gestalten – das muss allerdings nicht immer der Fall sein. Tatsächlich können Technologien, wenn sie nicht ordnungsgemäß eingesetzt werden, die Datenfindung verkomplizieren, da sie einen großen Datenfluss liefern, der oftmals allerdings für Lehrkräfte nicht nutzbar ist.

nach Terry Heick "18 Inconvenient Truths about Assessment" https://www.teachthought.com/pedagogy/the-inconvenient-truths-about-assessment/