Tiroler Landlibell

Kaiser Maximilian I. beurkundete in diesem Vertrag, unterzeichnet am 23. Juni 1511, u.a. das Selbstbestimmungsrecht der Tiroler Stände über ihren Kriegseinsatz (inkl. detailiertes Aufgebot, Abgabenordnung etc.) Im Kern beinhaltet diese Vertragsurkunde demnach eine Art bewaffnete Neutralitätsverpflichtung. Tiroler sollten nur zur Verteidigung ihres Landes herangezogen werden, was für die Tiroler ja eine Selbstverständlichkeit war. Nicht alle Regenten hielten sich in den folgenden 400 Jahren an den Vertrag. Kaiser Franz Josef schickte z.B. Tiroler Soldaten - für seine Kriegsziele - nach Gallizien (heute südliches Polen).

Die Tiroler Schützen sehen im Landlibell eine Art Gründungsurkunde und feiern schon seit Wochen im ganzen Land, nördlich und südlich des Brenners. Dabei werden von diversen Redeeliten die hohen Ideale und Werte wie Freiheit und Selbstbestimmung beschworen. Es ist allerdings traurige Realität, dass sie bestenfalls noch auf geduldigem Papier stehen dürfen.

Welche politische Bereiche gibt es heute noch, wo österreichische Politiker - auch auf Landesebene - souverän entscheiden können? Ich kenne keinen. Die EU hat es geschafft (unter tatkräftiger Mithilfe österreichischer Polit-Vasallen) innerhalb von etwa 20 Jahren - exakt seit dem Maastricht-Vertrag - die oberste gesetzliche Entscheidungsgewalt „grenzenlos“ an sich zu ziehen. Dieses Europäische Ungetüm gaukelt den Tirolern – auch allen anderen Österreichern – Freiheiten vor, ihre Volksvertreter könnten z.B. im Rahmen der Subsidiarität eigenverantwortlich entscheiden. (Subsidiarität hat mit Selbstbestimmung und Eigenverantwortung auf untergeordneter Ebene zu tun, solange sie in der Lage ist eine Aufgabe zu bewältigen)

Liebe Landsleute, wo ist in einem einzigen Anwendungsfall zu Gunsten der Tiroler, Salzburger, Oberösterreicher, einfach aller Österreicher entschieden worden? BeimTransit, Grundverkehr, bei Gentechnik, Glühbirnen, Wasserspar-Richtlinie, lebensmittelrechtlichen Bestimmungen, Haustierhaltung, Vorratsdatenspeicherung oder Arbeitnehmerfreizügigkeit, um nur ein paar aktuellere Streitthemen aufzulisten? Nein, es gibt doch eine Ausnahme, - für Banken, Fonds und multinationale Konzerne. Dank der Brüsseler Haftungs-Union genießen sie exklusive Freiheiten und dürfen Gelder beliebig transferieren oder verspekulieren – risikolos. (Man könnte fast vermuten, zwischen der „kaiserlichen“ Kommission in Brüssel und den „Kapitalmarkt-Ständen“ bestehen Abmachungen nach Art des Landlibells.)

Vielleicht denkt der Tiroler Landeshauptmann einmal über diesen Zusammenhang nach und setzt in Wien und Brüssel endlich Taten.

(Innsbruck, am 24.6.2011 - DI. Rudolf Pomaroli)