Toxische Papiere

Wissen Sie, was „toxische Papiere“ sind ?

Sie haben noch nie davon gehört ? Oder nur am Rande, als im Zuge der Finanzkrise von deren Auslagerung in eigene „Bad Banks“ die Rede war ? Das wäre verständlich, denn der „Normalbürger“ mit gesundem Menschenverstand beschäftigt sich nicht mit diesen vergifteten Schrottpapieren. Und schon gar nicht würde er sie kaufen. Das machen nur Banken. Deshalb war die Finanzkrise ursprünglich eine Bankenkrise, die auf sonderbaren Wegen in eine Staatsschuldenkrise verwandelt wurde. Bei diesen Vorgängen spielen die erwähnten toxischen Wertpapiere eine Schlüsselrolle. Doch alles der Reihe nach.

Seit der Einführung des „neoliberalen Experiments“ ab den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts gingen Banken zunehmend dazu über, ihre traditionelle Geschäftstätigkeit in Richtung Finanzinvestments mit hohem Risiko, aber Aussichten auf schnellen Gewinn zu verschieben. Bei der geringen Erfahrung der meisten Banken in diesem undurchsichtigen und mit Absicht äußerst komplex gehaltenen Geschäftsbereich wurden – wie könnte es anders sein – heftige Verluste eingefahren.

Durch die Aufhebung des Glass-Steagall-Acts durch die Regierung Clinton 1999 wurde diese Entwicklung noch beschleunigt. Dieses Gesetz war in den USA nach der Wirtschaftskrise 1933 beschlossen worden und sah eine Aufteilung des Bankwesens in konventionelle Geschäftsbanken, die Einlagen von Firmen und Privatkunden verwalten und an diese Kredite vergeben, und spekulierende Investmentbanken, denen der staatliche Schutz entzogen wurde, vor.

Damit gingen immer radikalere Liberalisierungen auf dem Finanzsektor einher. Besonders fatale Folgen zeitigte der unter der beschönigenden Bezeichnung „Finanzmarktförderplan 2006“ unter der deutschen Regierung Schröder (SPD und Grüne) mit Finanzminister Eichel getätigte Liberalisierungsschub. Er sah u. a. die Freigabe des Handels mit Forderungen und Risiken aus Kreditgeschäften vor. Das geht, vereinfacht gesagt, z. B. so vor sich: Eine US-Bank will das Risiko eines Kredits, den sie an einen Hauskäufer vergeben hat, auf Grund der gefallenen Immobilienpreise und der Arbeitslosigkeit des Mannes nicht mehr tragen. Deshalb wandelt sie ihn in ein Wertpapier mit wohlklingendem Namen und hervorragender Bewertung durch die Ratingagenturen um („Verbriefung“). Der nächstbeste Ahnungslose kauft es, wodurch der Kredit vor der Zeit abbezahlt und das Risiko getilgt ist.

Die (US-)Banken können diese „Subprime-Kredite“ immer wieder vergeben. Die daraus geschnürten Wertpapiere werden irreführend „forderungsbesicherte Wertpapiere“ („Asset Backed Securities“) genannt, wie wenn Forderungen eine Sicherheit darstellen würden. In Wahrheit verhält es sich genau umgekehrt: Forderungen müssen mit Sicherheiten unterlegt werden.

Diese (fast) wertlosen Wertpapiere wurden dann mit Hilfe diverser Lobby-Organisationen und raffinierten Tricks unter die Leute gebracht. Interessanterweise sehr viele deutsche Banken im Eigentum des Staates oder der Länder spekulierten sich reihenweise in den Abgrund.

Um öffentliche und private Banken davor zu bewahren, pumpt der Staat, d. h. der Steuerzahler gigantische Milliardenbeträge in sie, die den Budgets natürlich fehlen und auf den Finanzmärkten aufgenommen werden müssen, d. h. man holt sich teures Geld auf den Finanzmärkten, um die auf betrügerische Weise entstandenen Forderungen eben dieser Finanzmärkte bedienen zu können. So schauen Wirtschaftskriege aus, in diesem Fall des Finanzsystems gegen das politische System, vor allem gegen die Nationalstaaten.

Wenn das politische System nicht bereit ist, diese Auswüchse des liberalisierten Marktes zurückzunehmen und gegenüber der globalen Finanzindustrie Verantwortung für die eigenen Bürger zu übernehmen – und danach sieht es in Zeiten von ständigen Steuererhöhungen für den Mittelstand, Leistungskürzungen für sozial Schwache, der Haftungs- und Schuldenunion mit EU-Bankenaufsicht, Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB, Eurobonds und der Agenten von Goldman Sachs an den Schalthebeln der Macht nicht aus – dann muss der Bürger selbst sein Geschick in die Hand nehmen. (Mag. Norbert Steiner; November 2012)