Universum 25
Verhaltenswissenschaft oder Behavioral science
Viele Experimente werden in Angriff genommen, um Theorien zu überprüfen, andere um neue Wege in Physik und Chemie zu beschreiten. Und dann gibt es noch Experimente, deren tieferer Sinn zu diesem Zeitpunkt nicht abzusehen ist.
John B. Cahoun, ein amerikanischer Ethologe und Verhaltensforscher, wollte der Frage über die Auswirkungen einer menschlichen Überbevölkerung auf dem Grund gehen. Seine ersten Experimente startete John B. Cahoun bereits im Jahr 1947 mit einer kleinen Nagetiergruppe.
1972 startet „Universum 25“. Hierfür wurde ein großes Mäusegehege angelegt. Ein Paradies für Nagetiere, mit Futter im Überfluss. Auch das Platzangebot war, für die zu Beginn eingesetzten Nagetiere, äusserst üppig ausgelegt. Es wurde darauf geachtet, das Versuchsareal sauber, und die Tiere gesund zu halten. Sie brauchten weder Fressfeinde, noch Hitze oder Kälte fürchten.
Sechs Kubikmeter gestand man den Versuchstieren zu, die zu Beginn des Experiments, aus gerade einmal vier gesunden Mäusepärchen bestand. Wenig verwunderlich war daher, daß sich unter diesen Bedingungen die Mäuse rasch vermehrten, so daß sich nach zwei Monaten bereits sechshundert tierische Probanden im Versuchsaufbau befanden. Auf Grund der Größe aber noch lange nicht am Limit des physischen Fassungsvermögens, daß man bei viertausend Tieren ansiedelte. Erstaunlich aber waren die Verhaltensänderungen, welche die Mäuse nun an den Tag legten. Cahoun konnte das Entstehen von hierarchischen Strukturen feststellen. Vierzehn unterschiedliche Gruppen bildeten sich, obwohl es keinen Mangel an Futter, Platz oder Raum gab. Gerade Jungtiere wurden resolut in bestimmte Bereiche des Geheges vertrieben. Und die männlichen Aussenseiter entwickelten noch weitere artuntypische Auffälligkeiten. Sie zeigten kaum noch Abwehrverhalten, sie hörten auf, ihre schwangeren Weibchen zu verteidigen und auch der Nachwuchs verlor den Schutz der männlichen Mäuse. Zudem weigerten sie sich, überhaupt noch eine soziale Rolle einzunehmen. Die Weibchen entwickelten ein völlig gegensätzliches Verhalten. Sie wurden im Laufe des Experiments immer aggressiver, wenn es hieß, den Nachwuchs zu schützen. Mitunter kam es aber auch vor, daß die eigenen Jungtiere unter der Aggression der Muttertiere zu leiden hatten. In einigen Fällen wurden Jungtiere getötet, wonach sich das Weibchen zurückzog und jede weitere Paarung vermied. Trotz dieser Verhaltensauffälligkeiten, wuchs die Population noch bis auf 2200 Tiere an.
Man kann eine Ähnlichkeit zum durchschnittlichen Menschen, gerade in Ballungszentren nicht leugnen, ebenso wenig das Bestehen von Hierarchien und das Verhalten dieser Gruppierungen gegenüber niedriger stehenden. Man fühlt sich eher darin bestätigt, daß sich das „Universum 25“ näher an unserer menschlichen Realität bewegt, als es uns bewußt sein mag. Wie in diesem Experiment beobachtet, entwickelten sich die einzelnen Zirkel erst mit ansteigender Population. Die Tiere, die bereits in solche hierarchischen Strukturen geboren wurden, fügten sich zum größten Teil ein und blieben in ihrer Rolle.
Das tragische Ende von „Universum 25“ sollte jedoch erst folgen. Bei einer Population von 2200 Tieren, welche John B. Cahoun als die „Todesphase“ bezeichnete, gab es eine steigende Anzahl von „Schönlingen“, wie sie der Wissenschaftler bezeichnete. Mäuse, die sich weigerten um ihr Territorium zu kämpfen, hatten kein Interesse an Weibchen oder Paarung und zogen sich von jeder sozialen Funktion zurück. Das Leben dieser „Schönlinge“ bestand nur noch aus Nahrungsaufnahme, schlafen und das Pflegen des Fells.
Kurze Zeit, nach dieser Phase, bestand die Mäusepopulation nur noch aus aggressiver Elite, aggressiven Weibchen und den „Schönlingen“. Das Interesse an Paarung war gering und die Todesrate bei Jungtieren lag bei beinahe 100 Prozent. Kurz vor dem endgültigen Niedergang, lag die Schwangerschaftsrate bei null Prozent. Gleichzeitig formte sich Kannibalismus heraus, obwohl keinerlei Mangel an Futter bestand. Schnell starb eine große Zahl an Mäusen aus und am 1780 Tag, seit dem Start des Experiments, verendete der letzte Bewohner des Mäuseparadieses.
John B. Cahoun stellte natürlich Überlegungen an, wie es zu diesem Ergebnis kommen konnte und es ist erschreckend einfach. Und ebenso erschreckend ist die Sicht auf die Dinge, knapp fünfzig Jahre danach. Ein Leben im Überfluß, ein Leben ohne Herausforderungen und Aufgaben führt dazu, daß zuerst der Geist stirbt und ihm später der physische Körper folgt.
Wo steht die Menschheit heute? Stehen wir bereits an der Kippe zum Niedergang? Welche Parallelen können wir heute bereits ziehen? Wir haben aggressive, hierarchische Strukturen, welche den normalen Menschen bevormunden, ja auch unterdrücken. Wie steht es um die Damenwelt? Noch haben sich nicht alle aus dem familiären Denken zurückgezogen, aber in Ballungszentren geht der Trend zur Karriere oder Party und weniger in Richtung Heim, Herd und Familie. Dann bleiben noch die „Schönlinge“, und diese Gruppe kann man beim besten Willen nicht mehr wegreden.
Soziales Engagement fehlt dem Gros ebenso, wie das Übernehmen von Verantwortung für sich und sein Umfeld. Natürlich kann man dieses Experiment mit Nagetieren nicht unbedingt 1:1 auf den Menschen übertragen, aber Übereinstimmungen findet man auf jeden Fall. Dies führt dann unweigerlich zu den geheimnisvollen Georgia Guidestones, welche im Jahre 1980, in Elbert County, Georgia errichtet wurden. Die wohl bekannteste Zeile darauf ist wahrscheinlich:
DIE MENSCHHEIT UNTER 500.000.000 IN STÄNDIGEM GLEICHGEWICHT MIT DER NATUR HALTEN
„MAINTAIN HUMANITY UNDER 500.000.000 IN PERPETUAL BALANCE WITH NATURE“
Selbstverständlich wäre dies der Natur förderlich, da der ungebremste Raubbau an unserem Planeten exorbitant ist, jedoch wird solch eine, bedrohlich wirkende Meinung, nur von einer hierarchisch oben angesiedelten Gruppe befürwortet werden, welche sicher nicht Gefahr laufen wird, nicht unter den 500 Millionen Glücklichen zu sein.
Aber selbst wenn dieses Steinmonument ausschließlich die Gedanken eines einzelnen Menschen darstellt, und es eben nicht in Stein gemeißelt ist, befindet sich die Menschheit auf dem falschen Weg. Ein Weg, auf dem wir uns immer mehr entzweien.