012.) Die ÖDP - eine Partei auf dem Boden des Grundgesetzes?

"...

b.

Die Selbsteinschätzung von [Felix Staratschek], er handele aus Treue zum Grundgesetz und habe ein Widerstandsrecht, ja sogar eine ethische Pflicht, sich dem grundgesetzgefährdenden Verhalten des [ÖDP- Bundesvorstandes] und des Bundesvorsitzenden [Sebastian Frankenberger] entgegenzustellen, hat nach Auffassung des Bundesschiedsgerichtes keine objektive Berechtigung. Daher kann sich [Felix Staratschek] zur Rechtfertigung seines Handelns nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen oder ähnliches berufen. Zwar bestimmt § 1.1 der Satzung der ÖDP, dass die ÖDP auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Hieraus kann jedoch nicht geschlussfolgert werden, das es der ÖDP verwehrt ist, sich für politische Forderungen einzusetzen, die eine Veränderung oder Weiterentwicklung des Grundgesetzes erfordern. ....."

Es ist ein sehr seltsames Demokratieverständnis, dass das Bundesschiedsgericht der ÖDP hier äußert. Dieses halte ich mit dem Prinzipien der ÖDP für unvereinbar:

1. Es geht hier nicht um eine "Weiterentwicklung" des Grundgesetzes, sondern - das betont der Verein "Mehr Demokratie", um eine "neu gefasste Verfassung". Und das geht über das hinaus, was die Satzung akut zulässt. Will man das, muss man erst die Satzung ändern, weil die Satzung auf das Grundgesetz Bezug nimmt, dass zu deren Erstellung vor 30 Jahren galt.

2. Die Weiterentwicklung des Grundgesetzes steht akut dem Bundestag und teilweise auch dem Bundesrat als Co- Entscheider zu. Dafür ist akut keine Volksabstimmung nötig, die nur dann gebraucht wird, wenn man will, dass durch eine neue Verfassung dieses Grundgesetz seine Gültigkeit verliert. Die Klage von "Mehr Demokratie" geht also weit über das hinaus, was das Schiedsgericht hier anführt.

3. Forderungen für Verbesserungen des Grundgesetzes sind grundsätzlich mit dem ÖDP- Grundprinzipien vereinbar, das habe ich nie in Frage gestellt. Aber diese Forderungen müssen auf einer gültigen Beschlusslage der ÖDP aufbauen. Und eine so grundlegende Sache, wie eine Verfassungsänderung muss von einem Parteitag als Parteiziel beschlossen werden, das darf kein Bundesvorstand aus der Luft greifen.

Das Bundesschiedsgericht führt hier etwas gegen meinen Standpunkt an, was ich nicht in Frage stelle und nicht Gegenstand meiner Kritik ist. Es weicht somit meinen Forderungen geschickt aus, prüfen zu lassen, ab das Handeln des Bundesvorstandes hier mit den Basistexten der ÖDP kompatibel ist.

"... Denn mit "Boden" des Grundgesetzes ist nicht der Wortlaut der Verfassung im Sinne eines unabänderlichen Kanons gemeint. Vielmehr wird hiermit der Kern der staatlichen Verfassung angesprochen, wonach die Bundesrepublik Deutschland ein auf Unantastbarkeit der Menschenwürde basierender rechtsstaatlicher verfasster demokratischer und sozialer Bundesstaat ist, der die Grundrechte seiner Bürger achtet und gewährleistet (vgl.hierzu Artikel 1 und Artikel 20 des Grundgesetzes). Diesen Prinzipien werden in der Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes (Artikel 79 Absatz 3) besonders betont und der Verfassungsänderung entzogen. Über diesen Kernbereich hinaus beinhaltet das Grundgesetz eine dynamische Verfassung, die Änderungen mit (2/3- Mehrheit) durchaus zulässt. Das Grundgesetz geht sogar noch weiter: In Artikel 46 sieht es ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass sich das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland eine neue Verfassung gibt, die das Grundgesetz ersetzen kann. Daher begegnet die in der Verfassungsbeschwerde von Mehr Demokratie e.V. vertretene Auffassung, dass die Beteiligung an dem ESM- Vertrag so tief in die Staatlichkeit der Bundesrepublik eingreife, dass hierfür zumindest eine Verfassungsänderung, wenn nicht sogar eine Ablösung des Grundgesetzes durch die neue Verfassung geboten sei (vgl. hierzu Seite 102 der Verfassungsbeschwerde,

http://www.verfassungsbeschwerde.eu/fileadmin/pdf/2012-06-29_Verfassungsbeschwerde.pdf ) aus der Sicht des Bundesschiedsgericht keinen verfassungs- oder rechtsstaatlichen Bedenken. ....."

Die paraolympische Disziplin im Eulen nach Athen tragen hat das Bundesschiedsgericht der ÖDP mit diesen Sätzen gewonnen. Denn es erklärt hier etwas, dass auch in meinen Texten so steht,vermischt das aber mit einer dem Verfahren nicht angemessenen Betrachtungsweise.

Fakt ist, dass das ganze Grundgesetz umgeschrieben werden kann, sofern die Texte dem hier genannten Artikel 1 und 20 Grundgesetz nicht widersprechen. Wenn "Mehr Demokratie" diese beiden Artikel nicht antasten will oder durch weitere Artikel oder Einschränkungen der Ewigkeitsklausel aufweichen will, dann braucht es keine neue Verfassung und damit keine Volksabstimmung.

Zwar ist es globalrechtlich nicht unzulässig, eine neue Verfassung zu fordern, aber die ÖDP ist in dem, was diese fordern darf an ihre Satzung und ihre Beschlusslagen gebunden. Sie bekennt sich ausdrücklich zur demokratischen und freiheitlichen Gesellschaft des Grundgesetzes und damit auch dazu, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Wenn künftig Staatsgewalt vom ESM oder Fiskalpakt ausgehen soll, ohne eine ausreichende demokratische Rückbindung, dann passt das nicht zu dieser schriftlichen Verfasstheit der ÖDP.

Ob die Mittel einer Verfassung dazu da sind, deren auf dem Naturrecht basierende Aussagen durch eine formalrechtliche Aktion außer Kraft zu setzen, das muss wahrscheinlich juristisch erst mal diskutiert werden. Zumindest kommt die Aktion von "Mehr Demokratie" dem Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten von 1933 sehr nahe. Denn damals wurde der NSDAP geführten Regierung unter Adolf Hitler erlaubt, das Land ohne Parlamentsbeschlüsse zu regieren, wenn nur der Reichstag als solches nicht angetastet wurde.

Fast genauso sieht es heute aus! Diese neue Verfassung, die "Mehr Demokratie" hier riskieren will und dabei die Unterstützung durch den ÖDP- Bundesvorstand bekommen hat, dient einzig dazu, Befugnisse vom Parlament an nicht mehr kontrollierbare Mächte zu geben, deren Machtfülle danach sogar noch wachsen kann. Ein nicht kontrollierbarer juristisch vollkommen imuner Gouvernörsrat soll dort die Entscheidungen fällen. Gouvernöre waren in der Vergangenheit die obersten Vertreter eines Landes in deren Kolonien.

---Welche Macht will hier unsere Demokratien entmachten und in ihrem Sinne kolonialisieren?

Wie schon zuvor dargelegt steht das im Widerspruch zu den Aussagen von Grundsatzprogramm und Satzung der ÖDP, so dass der ÖDP- Bundesvorstand, wenn der diese Basistexte der ÖDP ernst nähme, diese Aktion mit allem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen müsste.

Immerhin gibt es den Europaartikel 23 im Grundgesetz, wo es im Absatz 1 heißt:

"Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die

---demokratischen,

---rechtsstaatlichen,

---sozialen und

---föderativen Grundsätzen und

---dem Grundsatz der Subsidiarität

verpflichtet ist und

---einem diesem Grundgesetz im Wesentlichen vergleichbaren Grundrechteschutz gewährleistet."

Das legt immerhin auch Nahe, dass die Aussagen der Ewigkeitsklausel auch für eine neu gefasste Verfassung gelten müssen, die ja unter der Gültigkeit des Grundgesetzes erstellt werden müsste. Eine Ausarbeitung einer neu gefassten Verfassung, die die Ewigkeitsklausel angreift, wäre nach dieser Logik ein grundgesetzwidriges Handeln, weil das Grundgesetz sein Schutzniveau hier im Artikel 23 als Messlatte für die übergeordnete Politik sieht. Da außer dem Naturrecht alles auf der Welt, vergänglich ist, auch Staaten, wie die Bundesrepublik Deutschland, kann es sein, dass die Deutschen beschließen, in einer neuen Verfasstheit, wie der in Europaartikel erwähnten EU leben wollen. Aber diese Verfasstheit darf nicht zu einem schlechteren Grundrechteschutz führen. Der Artikel 23 Absatz 1 nimmt deswegen, um das zu betonen - obwohl das formal gar nicht nötig wäre - , direkt Bezug zur Ewigkeitsklausel. Die Ewigkeitsklausel bezieht sich sowieso auf alle Gesetze, die in Deutschland wirken, so dass diese Erwähnung nicht zwingend nötig wäre.

Fassen wir zusammen:

1. Das Grundgesetz kann heute bis auf die Artikel 1 und 20 von den parlamentarischen Mehrheiten verändert werden.

2. Eine Volksabstimmung ist nur zwingend vorgeschrieben, wenn man das ganze Grundgesetz durch eine neue Verfassung ersetzt. Das ist aber nicht nötig, solange man die Ewigkeitsklausel nicht antasten will.

3. Das Grundgesetz stellt hohe Forderungen an die europäische Einigung, dass dessen neue Verfasstheit in ihrer Schutzwirkung nicht schwächer ist, als die des Grundgesetzes.

Fakt ist, eine neu gefasste Verfassung, die ESM und Fiskalpakt Handlungsmacht überträgt, widerspricht diesen hohen im Grundgesetz genannten Anforderungen. Dieses Ziel anzustreben, unsere Verfassung diesen Verträgen anzupassen, statt die Verträge an das Grundgesetz anzupassen, ist daher grundgesetzwidrig. Andernfalls wäre die Ewigkeitsklausel sehr schwach, wenn man die so einfach ausschalten könnte.

Fortsetzung: https://sites.google.com/site/euradevormwald/beschluss-1/013

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