008. II.2 Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden dem Zeitpunkt nach sowie Begründung der Anträge auf einstweilige Anordnung

II.2 Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden dem Zeitpunkt nach sowie Begründung der Anträge auf einstweilige Anordnung

II.2.1 Gesetzgebungsverfahren für die Zustimmungsgesetze zum Fiskalpakt, zu Art. 136 Abs. 3 AEUV und zum ESM-Vertrag sowie für das StabMechG, das ESMFinG und das Gesetz zur Änderung des BSchuWG

Internationale Verträge können in Deutschland nur durch Zustimmung des Parlaments in Form eines Bundesgesetzes in Kraft treten (Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG). Das gilt auch bei allen Formen intergouvernementaler Verträge ebenso wie bei Zustimmungsgesetzen zur Änderung des EU-Primärrechts (Art. 23 Abs. 1 GG), und auch, soweit diese auf EU-Ebene im vereinfachten Änderungsverfahren (Art. 48 Abs. 6 EUV) erfolgen (Rn. 243, 306 und 312 des Lissabonurteils, §2 IntVG, Nr. 10 des Beschlusses des Bundesrats vom 11.02.2010 (Az. 872/10), Nr. II des Antrags vom 23.02.2011 der Bundestagsfraktion von Bündnis90/die Grünen (Drucksache 1/4883).

Gegen Gesetze, welche keine Zustimmungsgesetze sind, ist die Verfassungsbeschwerde hingegen erst nach deren Verkündung gegeben; dabei ist der Rechtsweg direkt zum Bundesverfassungsgericht selbstverständlich nur da offen, wo kein anderer Rechtsweg vorgeschaltet ist.

Der Entwurf des Zustimmungsgesetzes (Drucksache 17/9046) zum Fiskalpakt vom 20.03.2012 wurde am 29.06.2012 vom Bundestag und am 29.06.2012 vom Bundesrat (Drucksache 130/12) beschlossen (Art. 77 Abs. 1 S. 1 +2 GG). Es würde gem. seinem Art. 2 Abs. 1 am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten.

Der Entwurf des Zustimmungsgesetzes (Drucksache 17/9045) zum ESM-Vertrag vom 20.03.2012 wurde am 29.06.2012 vom Bundestag und am 29.06.2012 vom Bundesrat (Drucksache 165/12) beschlossen (Art. 77 Abs. 1 S. 1 +2 GG). Es würde gem. seinem Art. 3 Abs. 1 mit Inkrafttreten des ESMFinG, frühestens jedoch am Tag nach der Verkündung des Zustimmungsgesetzes zum ESM-Vertrag, in Kraft treten.

Der Entwurf des Zustimmungsgesetzes (Drucksache 17/9047) zu Art. 136 Abs. 3 AEUV vom 20.03.2012 wurde am 29.06.2012 vom Bundestag und am 29.06.2012 vom Bundesrat (Drucksache 164/12) beschlossen (Art. 77 Abs. 1 S. 1 +2 GG). Es würde gem. seinem Art. 2 Abs. 1 am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten.

Der Entwurf des Gesetzes zur Änderung des StabMechG (Drucksache 17/9145) vom 27.03.2012 wurde am 27.04.2012 vom Bundestag beschlossen (Art. 77 Abs. 1 S. 1 +2 GG) und am 23.05.2012 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl I 2012,1166). Es ist gem. §6 StabMechG und Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des StabMechG am Tag nach seiner Verkündung, also am 24.05.2012, in Kraft getreten.

Der Entwurf des ESMFinG (Drucksache 17/9048) vom 20.03.2012 wurde am 29.06.2012 vom Bundestag und am 29.06.2012 vom Bundesrat (Drucksache 166/12) beschlossen (Art. 77 Abs. 1 S. 1 +2 GG). Es würde gem. §4 ESMFinG am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten.

Der Entwurf des Gesetzes zur Änderung des BSchuWG (Drucksache 17/9049) vom 20.03.2012 wurde am 29.06.2012 vom Bundestag und am 29.06.2012 vom Bundesrat (Drucksache 167/12) beschlossen (Art. 77 Abs. 1 S. 1 +2 GG). Es würde gem. seinem Art. 3 am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten.

Die Zustimmungsgesetze zu Art. 136 Abs. 3 AEUV, zum Fiskalpakt und zum ESM-Vertrag sowie das ESMFinG und das Gesetz zur Änderung des BSchuWG können nur mit Zustimmung des Bundesrats in Kraft treten, da die prognostizierbaren Auflagen sowie sanktionsbewehrten Empfehlungen und sanktionsbewehrten Meinungen seitens des IWF und der EU-Kommission im Rahmen des europäischen Finanzierungsmechanismus, der Neuregelung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, des Ungleichgewichtsverfahrens und der haushaltsmäßigen Überwachung in erheblichem Maße auch Auswirkungen auf die Länder haben würden. Da gem. Art. 31 GG Bundesrecht Landesrecht bricht, gehen auch Zustimmungsgesetze zu internationalen Verträgen dem Landesrecht gegenüber vor. Viele der IWF-artig strengen Eingriffe, welche IWF und EU-Kommission erzwingen würden, würden in erheblichem Maße in die Zuständigkeit der Länder eingreifen, z. B. bei Sparvorgaben auch für die Landeshaushalte und bei Vorgaben zur Privatisierung von Landesbehörden.

Nach der Zustimmung des Bundesrates sind für das Inkrafttreten der Zustimmungsgesetze die Unterschrift (Ausfertigung) des Bundespräsidenten und die Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt erforderlich (Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG).

Die Verkündung der Zustimmungsgesetze zu Art. 136 Abs. 3 AEUV, zum Fiskalpakt und zum ESM-Vertrag im Gesetzblatt würden den Weg frei machen für die Ratifizierung (die Übersendung der vom Bundespräsidenten ausgefertigten Zustimmungsgesetze an den jeweils zuständigen Depositarstaat). Die völkerrechtliche Bindung Deutschlands würde mit der Ratifizierung eintreten, selbst bei möglichem Vorliegen von Anfechtungsgründen nach Art. 48 WVRK bzw. Art. 49 WVRK, die erst einmal geltend gemacht werden müssten, um die völkerrechtliche Bindung wieder aufzuheben.

In Kraft treten würde der ESM für Deutschland am Tag nach der deutschen Ratifizierung bzw. sobald die Ratifizierungen durch Staaten der Eurozone, welche 90% des ESM-Stammkapitals entsprechen, erfolgt sind (Art. 48 und Anhang II ESM-Vertrag), sobald diese Voraussetzungen beide erfüllt sind. Und er würde natürlich erst nach Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes zum ESM in Kraft treten, welches wiederum nach Art. 3 Abs. 1 des Zustimmungsgesetz vom Inkrafttreten des Gesetzes zur finanziellen Beteiligung am ESM abhängig ist.

In Kraft treten würden der Fiskalpakt für Deutschland nach dessen Ratifizierung und sobald mindestens zwölf Ratifizierungen vorliegen, frühestens aber zum 01.01.2013 (Art. 14 Fiskalpakt).

Fortsetzung: https://sites.google.com/site/euradevormwald/02-esm/009-rechtsweg