039. IWF-Auflagen, "Griechenlandhilfe", Behördenprivatisierung...

IV.5.3 zu erwartende Auflagen gemessen an den bisherigen Auflagen von IWF, EU-Kommission und inzwischen auch EZB gegenüber Griechenland – und die Beweise, dass es von Anfang an nie darum ging, Griechenland zu helfen

Die konkreten Auflagen, welchen sich Griechenland zur Erlangung des Kredits unterworfen hat, welchem Deutschland im Gesetz zu Drucksache 17/1544 zugestimmt hat, und welche in einem “Memorandum of Understanding” vom 02.05.2010 festgelegt sind, stehen u. a. unter dem folgenden Link:

http://peter.fleissner.org/Transform/MoU.pdf

Im “Memorandum of Understanding” zu Griechenland verlangt der IWF (bzw. die Troika) deutliche Kürzungen bei Renten und bei den Gehältern im öffentlichen Dienst. Darüber hinaus verlangt er die Erleichterung betrieblicher Bündnisse für Arbeit zwecks Aushebelung der Tarifverträge. Gleichzeitig verlangt er aber auch ausdrücklich den Erhalt des griechischen Mindestlohns dem Grunde nach und die Einführung einer Mindestrente in Griechenland. Es scheint, als habe das lettische Verfassungsgerichtsurteil vom 22.12.2009 (Az. 2009-43-01, siehe auch Abschnitt VII.4 dieser Verfassungsbeschwerden) den IWF zumindest insoweit und zumindest für EU-Mitgliedsstaaten bzgl. Kürzungen bei den Ärmsten deutlich vorsichtiger gemacht, solange sein Geschäftsführender Direktor noch Dominique Strauss-Kahn war (Abschnitt IV.9 dieser Verfassungsbeschwerden). Daraus lässt sich aber allenfalls Rücksicht auf die Menschenwürde erkennen, nicht auf andere soziale Menschenrechte nationaler Verfassungen oder der Vereinten Nationen, geschweige denn eine Respektierung durch den IWF von deren auf der nationalen Ebene durchzusetzendem Vorrang vor dem IWF-Recht.

Dass der IWF (bzw. die Troika) gegenüber Griechenland zumindest vorübergehend rücksichtsvoller war als gegenüber dem Niger, hat auch zur Beruhigung der öffentlichen Meinung in Europa ge-dient. Hinsichtlich der Privatisierung hoheitlicher Aufgaben in Griechenland war zumindest ist im ersten « Memorandum of Understanding » nichts zu finden. In jenem wurde aber bereits für den öffentlichen Dienst in Griechenland nur noch eine Neueinstellung auf fünf ausscheidende Beschäftigte erlaubt.

Laut dem Artikel „Papandreou hält eigene Beamten für überfordert“ der Financial Times Deutschland vom 13.07.2011 (http://ftd.de/artikel/60078446.xml?v=2.0) beabsichtigt die griechische Regierung, die Vollstreckung der Steuerforderungen an Private outzusourcen. Dass dabei ein Teil der Finanzverwaltung mit besonders starkem Eingriffscharakter gewählt wurde, wirkt wie eine Annäherung selbst an die nach Art. 4 EUV von der funktionellen Privatisierung ausgeschlossene innere Sicherheit („öffentliche Ordnung“, Art. 4 EUV). In dem FTD-Artikel werden darüber hinaus deutliche Defizite bzgl. der Steuerfestsetzung und der Finanzgerichtsbarkeit in Griechenland erwähnt, sodass sich der Eindruck aufdrängt, dass dies die nächsten zu privatisierenden Bereiche sein könnten. Die Finanzverwaltung sah selbst Napoleon Bonaparte, zusammen mit Innen-, Außen- und Verteidigungsbereich als so zentral an, dass ein funktionsfähiger Staat diese selbst betreiben müsse. Die Vermischung zwischen privatwirtschaftlichen Interessen und hoheitlicher Macht ist im Bereich der Finanzverwaltung auch deshalb besonders sensibel bzgl. des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 GG), weil es dort für die meisten Bürger um mehr Geld geht als beim Kontakt mit den meisten anderen Verwaltungen. Besonders sensibel im Hinblick auf die Demokratie (Art. 20 Abs. 1+2 GG) und das grundrechtsgleiche Wahlrecht (Art. 38 GG) wäre eine funktionelle Privatisierung der Finanzverwaltung darüber hinaus vor allem in dem Bereich, wo es um die Überprüfung der Gemeinnützigkeit geht; wenn diese Stellen in private Hand gelangen würden, würde ein kaum zu widerstehender Anreiz geschaffen, die weitere Gewährung der Gemeinnützigkeit von Parteien und Verbänden von politischen Auflagen der privaten Behördenbetreiber abhängig zu machen. Bereits die Betreiber örtlicher Finanzbehörden könnten so das bundespolitische Verhalten von Parteien und Verbänden entscheidend mitbestimmen, und das ohne jegliche Legitimation des Volkes oder der Mitglieder der betroffenen Organisationen.

Auch wenn der Beginn des Ausverkaufs der griechischen Finanzverwaltung in Zusammenhang mit der Griechenlandhilfe stehen mag, so ist das gleiche ebenso für den gesamten europäischen Finanzierungsmechanismus zu erwarten, für welchen die Griechenlandhilfe nur die Testversion ist. Und noch mehr im Rahmen der Ungleichgewichtsverfahren angesichts von deren genereller Ausrichtung, alles exportierbar machen zu können (Abschnitt V.11 dieser Verfassungsbeschwerden).

Der Artikel „Obdachlos wegen der Krise“ der Tagesschau beweist, dass auch gegenüber Staaten der Eurozone von der Troika Hunger und Obdachlosigkeit geschaffen werden, was sich auswirkt als zusätzliches Druckmittel zur Durchsetzung der Gesamtheit der Auflagen.

www.tagesschau.de/ausland/griechenlandkrise128.html

Der Tagesschau-Bericht enthüllt, dass es in Griechenland für jeden Arbeitslosen „maximal ein Jahr lang einige Hundert Euro pro Monat Unterstützung“ gibt, und danach nichts mehr, weder zum Wohnen noch zum Lebensunterhalt. Leider beleuchtet die Tagesschau nicht, wie es dazu gekommen ist, dass in Griechenland alle Langzeitarbeitslosen der Obdachlosigkeit und vor allem dem Hunger überantwortet werden. Das kann es in einem Land, wo es bis 2009 noch 13 bis 14 Monatsrenten pro Jahr gab, nicht schon vor der Troika gegeben haben. Gleichzeitig steht eine explizite Auflage, Langzeitarbeitslosen gar keine Unterstützung mehr zu geben, weder im ursprünglichen noch in einem späteren Memorandum of Understanding zwischen Griechenland und Troika. Es gibt also für die Armen, soweit die Kapazitäten der Suppenküchen nicht ausreichen, tödliche Auflagen, welche nicht einmal für die Öffentlichkeit transparent gemacht werden. Das ist eine deutliche Parallele zu Rumänien, wo die Verwüstung des Gesundheitswesens im Dienste der Troika betrieben wird, aber ebenso wenig im MoU fixiert ist (Abschnitt IV.5.5 dieser Verfassungsbeschwerden). Und es ist eine Parallele zu Spanien, wo monatelang der Ausnahmezustand verhängt wurde, um ebenfalls die Streichung jeglicher Hilfe zum Lebensunterhalt für Langzeitarbeitslose durchzusetzen (Abschnitt XII.5 dieser Verfassungsbeschwerden).

Laut dem am 15.02.2012 auf dem Griechenland-Blog in deutscher Sprache veröffentlichten offenen Brief des berühmten griechischen Dirigenten, Komponisten und Freiheitskämpfers gegen die Militärdiktatur Mikis Theodorakis haben in Griechenland inzwischen 432.000 Unternehmen geschlossen, davon 80.000 im Einzelhandel. Einen wesentlichen Grund für den Hunger in Griechenland, der seit 1941 mit damals 300.000 Hungernden nicht mehr so groß wie heute gewesen sei, sieht er in der überproportionalen Steuerbelastung von Mittel- und Unterschicht. Außerdem schreibt er, dass Papandreou im Sommer 2009 mit dem damaligen IWF-Geschäftsführer Strauss-Kahn besprochen haben soll, wie man Griechenland unter die Mit-Herrschaft des IWF bekomme.

www.griechenland-blog.gr/2012/mikis-theodorakis-spricht-von-verschwoerung-gegen-griechenland/6730

Laut dem Artikel „Finanzministerium in Griechenland ruft zur Nutzung der Quittungskarte auf“ des Griechenland-Blogs vom 19.11.2011 werden die griechischen Privathaushalte gezwungen, für ihren Privatbereich zu bilanzieren wie Unternehmen. Dafür müssen sie für alle Einkäufe eine elektronische Quittungskarte verwenden, worüber ihnen dann auch die Daten für die Bilanzierung ihres Privathaushalts zur Verfügung stehen. Private Verwendungen des Einkommens, die nicht nachge-wiesen werden, werden dabei mit einer Steuer belegt. Ein Überwachungsstaat mit einer Strafsteuer, die vor allem die armen und die weniger gebildeten Einwohner trifft. Und das noch kombiniert mit dem Sperrkonto für alle griechischen Staatseinnahmen (s. u.).

www.griechenland-blog.gr/2011/finanzministerium-in-griechenland-ruft-zur-nutzung-der-quittungskarte-auf/6024/

Die neuen Auflagen der Troika gegenüber Griechenland laut dem Artikel „Tsunami vor Griechenland“ von Lost in Europe von Ende Januar 2012 beweisen, dass deren Grausamkeit der Praxis des IWF inzwischen in nichts mehr nachsteht.

Http://lostineurope.posterous.com/griechenland-das-thema

Inzwischen wird sogar in die Sozialhilfe („welfare benefits“) eingegriffen (Nr. 14 des Artikels). Die Leistungen für Krankenhaus und Medikamente werden weiter gekürzt (Nr 11). Es wird eine „Arbeitsreserve“ (Nr. 7) gebildet in der Form, dass auf 10 ausscheidende Beschäftigte im öffentlichen Sektor nur noch jeweils 1 Neueinstellung kommt. Das Wort „Arbeitsreserve“ entlarvt, dass es dabei nicht wie am Anfang bei den Auflagen der Troika gegenüber Griechenland und Rumänien, um lediglich einen Neubesetzungsstopp geht, sondern dass zusätzlich auch Beschäftigte entlassen werden sollen. Das passt auch zum Abbau von 150.000 Stellen im öffentlichen Dienst Griechenlands laut dem taz-Artikel „Der Pleitegeier kreist weiter“ vom 10.02.2012 und zu den laut Tagesschau längst per Ausnahmezustand gem. Art. 44 der griechischen Verfassung durchgesetzten Änderungen für den Arbeitsmarkt (Abschnitt XII.3 dieser Verfassungsbeschwerden) und zum Ausnahmezustand in Rumänien zwecks Umstrukturierung der Finanzverwaltung (Abschnitt XII.2 dieser Verfassungsbeschwerden). Denn laut Nr. 5 des Artikels verlangt die Troika die Schließung von 200 örtlichen Finanzämtern in Griechenland bis Ende 2012. Das kann nur bedeuten, da insbesondere Goldman Sachs etc. ihre CDS-Wetten gewinnen wollen (siehe Artikel „Die Angst der Amerikaner“ der Financial Times vom 03.11.2011, Abschnitt III.23 dieser Verfassungsbeschwerden), dass es um die totale funktionelle Privatisierung der örtlichen Finanzbehörden geht. Auf der Linie liegt auch die Erhöhung der staatlichen Gebühren etc. (Nr. 18), damit die griechischen Bürger die von den dann privaten Finanzamtsbetreibern geforderten Gewinnmargen bezahlen, und das so wenig wie möglich zu Lasten des Schuldendienstes geht. Da die größten Gläubiger Griechenlands, wie bei den meisten Ländern Banken sind, ist damit zu rechnen, dass vorwiegend diese die dortigen Finanzämter übernehmen wollen – wie praktisch, dann fallen gelegentliche Beihilfen zur Hinterziehung von Einnahmen aus Kapitalvermögen nicht mehr so leicht auf. Gerade der geplante Ausverkauf der griechischen Finanzverwaltung statt einer solidarischen Unterstützung, um deren Effizienz zu verbessern, zeigt deutlichst, dass es in keiner Weise darum geht, Griechenland zu helfen, auf eigenen Beinen zu stehen. Vergleichbare Auflagen sind mit etwas zeitlicher Verzögerung gegenüber allen Staaten zu prognostizieren, welche man in die Zwangsjacke des europäischen Finanzierungsmechanismus bekommt.

Nicht einmal vor der Demokratie macht die Troika halt. Laut Nr. 20 des Artikels von Lost in Europe verlangt sie nun von allen politischen Parteien, sich vor der nächsten Wahl bereits rechts-verbindlich darauf zu verpflichten, die Auflagen auch nach der nächsten Wahl alle einzuhalten. Das stammt aus der IWF-Praxis. Ein vergleichbar demokratiefeindlicher Schritt wurde 1997 gegenüber Südkorea inmitten der Asienkrise unternommen. Allerdings mit dem Unterschied, dass der IWF, der damals noch die US-Regierung vorschieben musste, sich damals, anders als heute, noch mit der Verpflichtung der drei aussichtsreichsten Kandidaten begnügt hatte. (S. 334, „The Globaliziation of Poverty and the New World Order“, Prof. Dr. Michel Chossudovsky“)

Laut dem Artikel „Back-door debt restructuring on the cards of Greece“ des EU Observer vom 31. 01.2011 versuchen EU-Kommission, IWF und EZB auch noch, Griechenland zu einer Verfassungsänderung zur Erzwingung von Haushaltsdisziplin und zur Defizitbegrenzung zu zwingen.

http://euobserver.com/19/31722?print=1

Nr. 26 lit. a der Stellungnahme zum Euro-Gipfel vom 26.10.2011 hat außerdem inzwischen enthüllt, dass die Verpflichtung zur Aufnahme von Schuldenbremsen in die nationalen Verfassungen der Mitgliedsstaaten der Eurozone nur ein Vorwand ist, um gleichzeitig die Verfassungen auf die Erfüllung der sanktionsbewehrten Auflagen aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt zu verpflichten (Abschnitt III.23 dieser Verfassungsbeschwerden).

Schon der Versuch an sich, Griechenland zu einer Verfassungsänderung zu zwingen, ist unvereinbar mit der Struktursicherungsklausel Art. 4 EUV, denn die Verpflichtung der EU aus Art. 4 EUV zur Achtung der „nationalen Identitäten“ und der „grundlegenden Strukturen“ der Mitgliedsstaaten bedeutet gem. dem Lissabonurteil insbesondere auch die Verpflichtung der EU, die Verfassungsidentitäten der Mitgliedsstaaten zu achten. Noch ungeheuerlicher ist die Erhebung einer solchen Forderung durch den IWF, da das IWF-Recht vom Rang her ganz normales Völkerrecht ist, mit dem Rang nationaler Verfassungen, des nicht zur GASP gehörenden Teils des EU-Rechts und den höchsten Verträgen der UNO nicht vergleichbar ist.

Der Artikel der Deutschen Mittelstandsnachrichten vom 22.02.2012 „Peinlicher Fehler der EU: Greichen-Verfassung kann erst 2013 geändert werden“ enthüllt, dass die Troika von Griechenland verlangt hat, in seine Verfassung zu verankern, dass seine Staatsschulden vorrangig vor anderen Verpflichtungen zu bezahlen sind. Das bezieht sich offensichtlich auf das Sperrkonto, welches vor allem die deutsche Bundesregierung Griechenland aufzwingen will(s. u.).

Www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de/2012/02/38615/

Zur vorrangigen Bezahlung der Gläubiger haben die deutsche Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und der französische Präsident Niclas Sarkozy von Griechenland verlangt, hierfür Einnahmen auf ein Sperrkonto fließen zu lassen (taz-Artikel „Sonderkonto statt Sparkommissar“ vom 07.02.2012)

www.taz.de/1/digitaz/artikel/&ressort=wu&dig=2012%2F02%2F07%2Fa0080&cHash=10728f4de4

Dabei soll laut dem taz-Artikel „Rettung mit vielen Fragezeichen“ vom 21.02.2012 vor allem die deutsche Bundesregierung auf das Sperrkonto gedrängt haben.

www.taz.de/1/digitaz/artikel/&ressort=wu&dig=2012%2F02%2F21%2Fa0067&cHash=cc52de8599

Der taz-Artikel „Der Pleitegeier kreist weiter“ vom 10.02.2012 präzisiert darüber hinaus, dass das Sperrkonto dafür gedacht ist, dass alle Einnahmen Griechenlands vorrangig an die Gläubiger des Staates gehen.

www.taz.de/1/digitaz/artikel/&ressort=wu&dig=2012%2F02%2F13%2Fa0070&cHash=dc4e419cdf

Laut dem Artikel „Griechenland muss auch selbst für den Bailout bezahlen“ vom 23.02.2012 der Deutschen Mittelstandsnachrichten verlangt auch die Troika von Griechenland die Einführung des Sperrkontos

www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de/2012/02/38676

Solche Angriffe auf die Verfassung wären auch gegenüber Deutschland zu erwarten, spätestens sobald man auch Deutschland unter in die Mühlen des europäischen Finanzierungsmechanismus bekäme. Abgesehen davon will Art. 3 Abs. 2 Fiskalpakt inzwischen die Verfassungen aller Staaten der Eurozone aufbrechen (Abschnitt V.1 dieser Verfassungsbeschwerden).

Darüber hinaus ist angesichts der IWF-Artigkeit aller Auflagen im Rahmen des europäischen Finanzierungsmechanismus (Präambel EFSF-Rahmenvertrag, Schlussfolgerungen des Ecofin-Rats vom 10.05.2010, Erklärung der Eurogruppe vom 28.11.2010, Nr. 49 des Berichts der Task Force vom 21.10.2010 (Abschnitt III.14 dieser Verfassungsbeschwerden) und Nr. 17 der Stellungnahme zum Euro-Gipfel vom 26.10.2011 (Abschnitt III.23 dieser Verfassungsbeschwerden)) davon auszugehen, dass die entsprechenden Verfassungsänderungen gezielt auf die Aushebelung der Grund- und Menschenrechte aller Einwohner Deutschlands zu Gunsten der Gläubiger des Staates gerichtet würden.

Laut dem EU Observer – Artikel vom 31.01.2011 hat man sogar auf dem Weltwirtschaftsforum 2011 in Davos darüber diskutiert, Staaten der Eurozone als Kreditauflage Verfassungsänderungen aufzuzwingen. Wohl weniger aus einer Haltung der Transparenz, sondern eher aus der Ignorierung der Tatsache heraus, dass in einer Demokratie das Volk und nicht die, die sich für die Repräsentanten der Weltwirtschaft halten, der Souverän ist.

Der Brief vom 17.08.2011 der deutschen Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Seiner Exzellenz, des französische Präsidenten Nicolas Sarkozy, an Herman van Rompuy, den Präsidenten des Europäischen Rates, enthüllt, dass beide „alle Staaten des Euro-Währungsgebiets“ als verpflichtet ansehen, „auf der Grundlage ihrer Verpflichtungen aus dem Euro-Plus-Pakt“ „bis Sommer 2012 eine finanzpolitische Regelung für einen ausgeglichenen Haushalt“ „in die Verfassung“ aufzunehmen, welche „die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes umsetzen und sicherstellen, dass jeder Mitgliedsstaat des Euro-Währungsgebiets seinen Haushalt so schnell wie möglich ausgleicht.“

www.bundesregierung.de/cotent/DE/Pressemitteilungen/BPA/2011/08/2011-08-17-dt-franz-brief-rompuy.html

Siehe dazu jeweils Art. 3 Fiskalpakt sowie die Abschnitte V.1, III.12 und III.17 dieser Verfassungsbeschwerden.

Am 13.02.2012 enthüllte der Corriere della Serra in seinem Artikel „Fregate, sottomarini e caccia Quelle pressioni di Merkel e Sarkò per ottenere commesse militari“, dass die sog. „Griechenlandhilfe“ nur unter der Vorbedingung gewährt worden ist, dass Griechenland bestimmte Rüstungsgüter von deutschen und französischen Firmen kauft. Die Zeitung sagt unter Berufung auf das Wall Street Journal:

„L' estate scorsa il Wall Street Journal rivelavera che Berlino e Parigi avevano preteso l' acquisito di armamenti come condizione per approvare il piano di salvateggio della Grecia.“

Gerade die deutsche Bundeskanzlerin verlange den Griechen immer neue Sparopfer ab, zwinge ihnen aber gleichzeitig den Kauf deutscher Rüstungsgüter auf, unterstützt auch von Daniel Cohn-Bendit (ein offizieller Lobbyist der auch mit Bilderberg verbandelten militaristischen Denkfabrik European Council on Foreign Relations, Anmerkung der Beschwerdeführerin). So wurden den Griechen 4 U-Boote für 1,3 Mrd. €, 223 Leopard II – Panzer für 403,- Mio. € sowie französische Kriegsschiffe für 4,- Mrd. € aufgezwungen. Laut dem Corriere della Serra gehören die griechischen Ausgaben für Rüstungsgüter im Verhältnis zum BIP zu den höchsten weltweit. Selbst von 2011 nach 2012 sollen sie noch einmal um 12,8 % steigen, die in den Ende Januar bekannt gewordenen Auflagen der Troika enthaltene Verpflichtung zur Reduzierung des Rüstungsetats dürfte also nur kosmetisch gemeint sein.

http://archiviostorico.corriere.it/2012/febbraio/13/Fregate_sottomarini_caccia_Quelle_pressioni_co_8:120213025.shtml

Am 24.02.2012 wurden dem Bundestag wegen der im Rahmen der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung die Vereinbarungen vom 22.02.2012 für die griechische Umschuldung vorgelegt (Drucksache 17/8731). Unter dieser Drucksache sind 736 Seiten mit den offiziellen Konditionen incl. der Finanzhilfen und der drakonischen Auflagen der EFSF gegen die Griechen dazu zu finden.

Die Seitenangaben im folgenden beziehen sich auf die Nummerierung in Drucksache 17/8731.

Erstmals verlangt die Troika darin die Senkung der griechischen Militärausgaben um 300,- Mio € (S. 42), immer noch deutlich weniger als das, was man vorher der Regierung Papandreou an Waffenkäufen aufgedrängt hat als informelle Bedingung dafür, dass es überhaupt erst zur Griechenland-Hilfe zugunsten der Gläubiger Griechenlands gekommen ist.

S. 47+48 beweisen, dass die neuen und strengeren Vorschriften zu den Eigenkapitalanforderungen von Banken den Sinn haben, kleinere Banken abzuwickeln und Großbanken zu subventionieren. Unter der Überschrift „Regulierung und Aufsicht des Finanzsektors“ wird Griechenland zur Auflage gemacht, dass dessen Zentralbank zusammen „mit Unterstützung externer Berater“ (hier konkret der Fa. Black Rock, S. 121) eine „umfassende Kapitalbedarfsanalyse“ durchführt („umfassend“, also bzgl. aller Kreditinstitute in Griechenland). Zur IWF-üblichen Platzierung eigener Mitarbeiter in den Schaltstellen nationaler Zentralbanken siehe Abschnitt IV.11 dieser Verfassungsbeschwerden. Die Kreditinstitute, welche keinen überzeugenden Plan zur Erreichung der strengen Eigenkapitalanforderungen vorlegen, sollen abgewickelt (bzw. an andere Banken verkauft, S. 200) werden, der Rest aus der griechischen Bankenrettungsinstitution HFSF beschenkt werden. Für die Rekapitalisierung der großen und die Abwicklung der kleinen und mittleren Banken ver-langt die Troika Griechenland 50,- Mrd. € ab (S. 123 von Drucksache 17/1831). Die 23,- Mrd. € Finanzhilfe der EFSF (Nr. 4 auf S. 27 von Drucksache 17/8731, Abschnitt XI.5.4 dieser Verfassungsbeschwerden) dürften ein Teil davon sein. Mit EFSF-Mitteln wird also nicht nur die Subventionierung von Großbanken betrieben, sondern auch die Abwicklung von deren kleineren Konkurrenten organisiert. Wenn Deutschland an die Reihe kommt, und sei es über den Kauf von deutschen Staatsanleihen, auf dem Sekundärmarkt, bedeutet das im Klartext die Vernichtung der Sparkassen, Genossenschaftsbanken sowie kleineren und mittelständischen privaten Geschäftsbanken unter dem Deckmantel der Regulierung des Finanzsektors und der höheren Eigenkapitalanforderungen als zu prognostizierende Auflage von EFSF bzw. ESM. Dass das nicht zu hoch gegriffen ist, beweisen die Erfahrungen mit der vom IWF erzwungenen Zwangsabwicklung solventer kleiner und mittelständischer Banken in Vietnam, Südkorea und Thailand und die Forderung des heute als unabhängig auftretenden ehemaligen IWF-Mitarbeiters Prof. Dr. Paul de Grauwe, die Eigenkapitalanforderungen auf 20% zu erhöhen (Abschnitte IV.5.12 und XI.21 dieser Verfassungsbeschwerden). EFSF und ESM sind auch für die europaweite steuersubeventionierte Oligopolisierung des Bankensektors vorgesehen.

Als Pendant zur Zerstörung der kleinen und mittleren Banken über die verschärften Eigenkapitalanforderungen verlangt die Troika von Griechenland die Einführung einer Gewerbesteuer als Mindeststeuer (S. 103).

Die zur Öffnung für den Weltmarkt vorgesehenen freiberuflichen und gewerblichen Berufe in Griechenland finden sich auf S. 128+136 von Drucksache 17/8731.

Die beabsichtigte Behördenprivatisierung zeigt sich insbesondere an der EFSF-Auflage zur Aufhebung aller Beschäftigungszusagen auf Lebenszeit (S. 50+207 von Drucksache 17/8731) unter der Überschrift „wachstumssteigernde Strukturreformen“.

Die beabsichtigte Schließung von 200 lokalen Finanzämtern findet sich auf S. 107+195 und für die Verwaltung allgemein auf S. 188 von Drucksache 17/8731, die Verringerung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst auf S. 109. Die sensibelsten Auswirkungen der Privatisierung ganzer Finanzämter sind bei deren zu erwartendem Erwerb durch Banken die Erleichterung der Steuerverkürzung auf Kapitalerträge und der Entzug der Gemeinnützigkeit bankenkritischer Verbände und Parteien. Außerdem will man zusätzlich für Einsprüche gegen Steuerbescheide private Schlichter einsetzen (S. 191). Noch deutlicher wird auf S. 186 die Aufgabe der staatlichen Kontrolle „über die entscheidenden Ressourcen“ verlangt. Auf S. 191 schließlich wird die Katze aus dem Sack gelassen, dass es um die Vergabe hoheitlicher Aufgaben an privat geht, und zwar ausdrücklich auf Bundesebene („gesamtstaatliche Ebene“), als auch auf Landes- und Kommunalebene („Ebene der Gebietskörper-schaften“).

Die Marginalisierung der griechischen Sozialversicherung ist auf mehrere Arten vorgesehen.

Die Troika hat Griechenland auferlegt, dass dessen Sozialversicherung ihr gesamtes Vermögen in griechische Staatsanleihen anlegt (S. 113). Damit wären bei einem Bankrott von Bund, Ländern oder Gemeinden auch die Ersparnisse der Sozialversicherung weg – ein sehr ähnliches Ergebnis wie

bei der rigorosen Schuldentragfähigkeitsanalyse im Rahmen des ESM (Abschnitt IV.6.2.5 dieser Verfassungsbeschwerden).

Darüber hinaus verpflichtet die Troika Griechenland, die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung insgesamt um 5% zu kürzen, allein durch Leistungskürzungen und ohne jeglichen Ausgleich über Steuerzuschüsse, dabei allerdings kleine Renten zu verschonen; eine Verschonung von Krankenversicherungsleistungen verlangt die Troika allerdings an keiner Stelle explizit (S. 127+209).

Im Abschnitt der Auflagen zur Erstellung eines umfassenden und modernen Grundbuchs nahezu versteckt ist die Verpflichtung, „alle verbleibenden Rechte anzubieten“ (ca. 15 Mio. Rechte laut der Troika, S. 134 von Drucksache 17/8731). Von Ausnahmen für Naturschutzgebiete oder zur Ernährungssicherung der in Griechenland ohne jegliche finanzielle Unterstützung dastehenden Langzeit-arbeitslosen steht dort nichts.

Darüber hinaus verlangt die Troika von Griechenland die Erzielung eines Haushaltsüberschusses von 4,5 % des BIP (S. 187) – weitaus mehr, als selbst der verschärfte Stabilität- und Wachstumspakt fordert. Diesen Überschuss will die Troika vor allem durch „tiefgreifende Strukturreformen“ „auf der Ausgabenseite“ erreichen, darunter vor allem durch drastische Kürzungen bei Sozialversicherungen und die Schließung angeblich nicht mehr hinreichend kosteneffizienter Behörden (S. 188). Von der Sozialversicherung will die Troika „konkrete Maßnahmen“ zum Schutz der „Kernbestandteile“ (was in den meisten Staaten Renten- und Krankenversicherung bedeuten dürfte) und der „Schwächsten der griechischen Gesellschaft“, wobei sie nicht verlangt, dass diese Maßnahmen ausreichen müssen zur Bewahrung der Kernbestandteile und zum Überleben der ärmsten Bevölkerungsgruppen. Die Hauptlast der Einsparungen verlangt die Troika zu Lasten des Sozialsystems. Die Behördenschließungen haben nicht primär den Sinn von Einsparungen, sondern des Ausverkaufs der hoheitlichen Macht des Staates. Daneben verlangt die Troika auch weitere Kürzungen im Verteidigungsbereich (S. 192). Die dauerhafte Marginalisierung des Sozialsystems ist der Troika so wichtig, dass sie für den Fall einer haushaltsmäßigen Erholung ausdrücklich keine Erholung des Sozialsystems zulassen, sondern für den Fall die weitere Senkung der Sozialversicherungsbeiträge erzwingen will.

Außerdem verlangt die Troika die Lockerung von Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften, bei Stadtplanung, Baurecht und Nahrungsmittelindustrie (S. 135); letzteres dürfte ein weiteres Einfalls- tor für die Freunde der Kommission aus der Gentechnikindustrie bedeuten.

Auf S. 704 von Drucksache 17/8731 schließlich findet sich unter Punkt „4.1 von dem begünstigten Mitgliedsstaat vereinnahmte Beträge“ die Auferlegung des Sperrkontos, über welches alle griechischen Staatseinnahmen laufen sollen, solange Griechenland noch fällige unbezahlte Schulden hat. In Auflagen wird dies als „Gemeinsame Zahlstelle“ benannt, welche bei der Bank von Griechenland unter Aufsicht der Troika angesiedelt sein soll.

IV.5.4 zu erwartende Behördenprivatisierungen und Entstaatlichung der Eurostaaten gemessen an bisherigen IWF-Auflagen

Dieser Abschnitt legt dar, dass der IWF bereits gegenüber unterschiedlichsten Ländern die materielle oder funktionelle Privatisierung hoheitlicher Aufgaben gefordert und in vielen Fällen auch durchgesetzt hat. Gleichzeitig ist anzumerken, dass der Ausverkauf der hoheitlichen Tätigkeiten vor allem der Eurostaaten, daneben aber auch der übrigen EU-Mitgliedsstaaten, in noch höherem Maße als durch den IWF durch eine mit iwf-typischer Strenge (also alle Grundrechte, grundrechtsgleichen Rechte und universellen Menschenrechte ignorierend) vorgehende EU-Kommission ausgeht, weil Art. 2 von Protokoll 26 zu den Verträgen der EU Teil des EU-Primärrechts, nicht des IWF-Rechts, ist.

Laut einer kanadischen Studie hat der IWF Kredite an zahlreiche Staaten, darunter an Jamaica und an Trinidad und Tobago, an die Auflage gebunden, Teile ihrer hoheitlichen Aufgaben an Privatfirmen zu vergeben.

www.erudit.org/revue/ri/2003/v58/n4/007819ar.html

Gegenüber Argentinien hat der IWF durchgesetzt, dass die gesetzliche Rentenversicherung und der Zoll privatisiert wurden (Studie “Argentinien: Tangotanz auf dem Vulkan” des Südwind-Instituts)

www.suedwind-institut.de/0dt_sw-start-fs.htm

Gegenüber der Türkei hat er in 2009 die Privatisierung einer Steuerbehörde auf Bundesebene verlangt (taz-Artikel vom 07.10.2009 “Weg vom IWF-Diktat”)

www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=a2&dig=2009%2F10%2F07%2Fa0049&cHash=c6ee3d8560

Damit ist zu erwarten, dass der IWF, wenn er erst einmal die Gelegenheit erhält, dass seine Auflagen mit EU-sekundärrechtlichem Rang transportiert werden, auch gegenüber Mitgliedern der Eurozone die Vergabe ihrer Behörden an Privatfirmen fordern wird.

Die folgenden Zahlen- und Seitenangaben in diesem Abschnitt stammen aus Prof. Dr. Chossudovskys Werk „The Globalization of Poverty and the New World Order“. Sie geben einen Einblick in die vom IWF erzeugte Personalknappheit im öffentlichen Dienst. Der Hauptbeitrag des IWF für die funktionelle Privatisierung hoheitlicher Aufgaben ist, dass er Massenentlassungen im öffentlichen Dienst mit seinen Auflagen durchsetzt. Diese führen dann, wie von Prof. Chossudovsky leider nicht weiter beleuchtet wird, weil er stärker einen sozialen Fokus hat, zu einem Personalmangel, welcher über materielle oder funktionelle Privatisierung wieder gefüllt wird:

-- Schrumpfung des öffentlichen Dienstes in Somalia auf 25.000 Beschäftigte bis 1995 (S. 98)

-- Entlassung von 360.000 Staatsdienern in Brasilien 1994 und dafür sogar erzwungene Verfassungsänderung und Verwendung von Einsparungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung für Entlassungsentschädigungen (S. 193, 200, 201) (siehe auch Abschnitte IV.5.14 und III.12 dieser Verfassungsbeschwerden)

Darüber hinaus hat die Troika jetzt auch in Griechenland bzgl. des Ausverkaufs des öffentlichen Dienstes an die Banken ihr Gesicht gezeigt (Abschnitt IV.5.3 dieser Verfassungsbeschwerde).

IV.5.5 zu erwartende Auflagen gemessen an den Auflagen von EU-Kommission und IWF gegenüber Rumänien

Dass es unzumutbar wäre, die Zustimmung zu Art. 136 Abs. 3 AEUV zuzulassen, und erst dann Grenzen zu setzen, wenn die IWF-Auflagen oder iwf-typischen Auflagen bereits umgesetzt sind, und es einzelne geschafft haben, durch den gesamten Rechtsweg bis zum Bundesverfassungsgericht zu gelangen, zeigt gerade auch Rumänien besonders deutlich. Dort wurde nicht nur die Kürzung der Renten um 15% verlangt und von Regierung und Parlament durchgewunken, sondern außerdem Zuzahlungen bei der ambulanten Versorgung, obwohl in Rumänien schon vor dem IWF (bzw. der Troika) bei Krankenhausaufenthalten von der Medizin bis zum Material alles selbst bezahlt werden muss, und die Krankenversicherung praktisch nur die ärztliche Arbeitsleistung bezahlt, und obwohl die Krankenhaushygenie so schlecht ist, dass viele Patienten dort an Tuberkulose erkanken. Nun soll den Armen auch noch die ambulante Versorgung genommen werden. Von den 435 rumänischen Krankenhäusern sollen 150 bis 200 geschlossen und der Rest auf die größtenteils vor dem Bankrott stehenden rumänischen Kommunen übertragen werden. 9.300 bis 10.000 Betten sollen in den nicht direkt zu schließenden Kliniken abgebaut werden.

www.wsws.org/de/2010/jun2010/ruma-j09-shtml

www.wsws.org/de/2010/apr2010/ruma-a5.shtml

www.wsws.ord/de/2010/jun2010/ruma-j18.shtml

Auch die taz bestätigt, dass es seit 2010 durch die Troika-Auflagen drastische Kürzungen im rumänischen Gesundheitswesen gegeben hat und gibt. Laut dem Artikel „Gott sei Dank nicht mehr in die Klinik“ vom 17.01.2012 bricht „die Gesundheitsversorgung im ärmsten EU-Land“ „Stück für Stück zusammen“. Die Gesundheitsausgaben lägen mit 3,5% bis 4% des BIP nur noch etwa halb so hoch wie im EU-Durchschnitt. 40.000 Ärzte fehlten im Land, Zehntausende Ärzte und Pfleger seien ausgewandert. In manchen ländlichen Gegenden gebe es „kaum noch Gesundheitsversorgung, in vielen Kleinstädten nur sehr eingeschränkt.“

Nur mit Bestechungsgeld erhalte man noch eine ordentliche medizinische Behandlung. Leidtragende seien Arme und Alte.

Wegen der Sparmaßnahmen, darunter neben den drastischen Kürzungen im Gesundheitswesen auch die Kürzung der Gehälter im öffentlichen Dienst um 25% sowie der Renten und vieler Sozialleistungen um 15 % bis 25% seien inzwischen 3 Millionen Rumänen ausgewandert, die meisten nach Italien, Spanien und Deutschland.

www.taz.de/!85782/

Soweit der Beschwerdeführerin bekannt ist, gibt es in Rumänien kein Verfassungsgerichtsurteil, welches den Kürzungen im Gesundheitswesen Grenzen setzen würde.

Die IWF-Auflagen gegenüber Rumänien zeigen auch, dass es dem IWF in keiner Weise darum geht, dass sich das Bruttoinlandsprodukt des Landes jemals wieder erholt. Der IWF hat also offensichtlich gar kein Interesse daran, dass sich das Verhältnis zwischen BIP und Gesamtschuldenstand, welches in der Regel entscheidend dafür ist, dass ein Staat sich zu niedrigen Zinsen verschulden kann, jemals wieder verbessert.

Und es zeigt ein wirtschaftswissenschaftlich nicht nachvollziehbares pathologisches Verhältnis des IWF gegenüber den Grund- und Menschenrechten auf. Denn die vom IWF verlangten Kürzungen im Gesundheitswesen Rumäniens bedeuten nicht nur eine maßlose Verletzung des in Rumänien genauso wie in Deutschland geltenden Menschenrechts auf das für den jeweiligen Menschen erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit (Art. 12 UNO-Sozialpakt), sondern sind für unzählige ärmere Kranke in Rumänien das Todesurteil.

Es gibt keine Indizien dafür, dass der IWF sich Deutschland gegenüber zurückhaltender gebärden würde, wenn Deutschland erst einmal in die Mühlen des europäischen Finanzierungsmechanismus geraten würde, zumal die deutsche Bundesregierung bereits auf die abschließende Stellungnahme des IWF gegenüber der Eurozone mit Übereifer zu Lasten der Arbeitslosen und der gering verdienenden Familien reagiert hat.

Wenn der IWF also für die meisten Bürger selbst jede Krankenhausbehandlung unerreichbar machen will, dann wird er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch die Streichung der von der Beschwerdeführerin benötigten Medikamente aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung verlangen.

Und es ist nicht ausgeschlossen, dass auch die Beschwerdeführerin irgendwann einmal auf eine Krankenhausbehandlung angewiesen sein wird.

Sobald also Deutschland erst einmal in die Klauen der iwf-typischen Auflagen geraten würde, wäre die Beschwerdeführerin gezwungen, sich mindestens an zwei juristischen Fronten dagegen durch alle Instanzen hindurch zu wehren – für den Erhalt ihrer Rentenansprüche und für ihre Medikamentenversorgung. Das ist für jemanden, der normal rechtsschutzversichert ist, schon ein gewaltige Belastung.

IV.5.6 zu erwartende Auflagen gemessen an Davison Budhoos Enthüllungen über den IWF

Selbst hinsichtlich seiner finanz- und wirtschaftspolitischen Kompetenz ist der IWF äußerst umstritten. Davison Budhoo, ein ehemals hochrangiger Mitarbeiter, der 12 Jahre lang beim IWF beschäftigt gewesen war, verglich in seinem Rücktrittsschreiben das gesamte Strukturanpassungspro- gramm des IWF ob seines Übermaßes mit Folter an Regierungen und ganzen Völkern. Er selbst, Budhoo, bekannte sich mitschuldig am Blut von Millionen armer und hungernder Menschen.

Budhoo warf dem IWF außerdem vor, die Arbeitskosten, als einer der entscheidenden statistischen Messgrößen für seine Auflagen an Trinidad und Tobago, gefälscht zu haben.

(« Die Schock-Strategie », S. 361- 363 und Fußnoten 21-23, Naomi Klein, S. Fischer Verlag)

www.naomiklein.org/files/resources/pdfs/budhoo.pdf

Die Vorwürfe von Budhoo hinsichtlich mutmaßlicher Statistikfälschungen des IWF lassen sich aber auch nicht isoliert betrachten. Im Jahr 1995 hat Michael Bruno, Chefökonom für wirtschaftliche Entwicklung der eng mit dem IWF zusammen arbeitenden Weltbank, vor einem Auditorium von 500 Ökonomen aus 68 Ländern in Tunis sich ausdrücklich dafür ausgesprochen, künstlich, z. B. durch Streichung von Hilfsgeldern, bestehende Krisen zu verschärfen, um damit mehr Reformen durchsetzen zu können. Er sah die Zerstörung öffentlicher Strukturen als einen begrüßenswerten Schritt zum Neuanfang und sagte in diesem Zusammenhang

“Ja, während die Krise sich verschlimmert, kann die Regierung immer mehr dahinsiechen.”

(« Die Schock-Strategie », S. 359- 361, Naomi Klein, S. Fischer Verlag)

Die damalige Rede von Michael Bruno wurde in eine offizielle Publikation der Weltbank aufgenommen. Zu Michael Bruno siehe auch Abschnitt IV.5.10 dieser Verfassungsbeschwerden.

Damit besteht der dringende Verdacht, dass der IWF, bekäme er erst einmal die Macht, dass seine Kreditauflagen mit supranationalem EU-sekundärrechtlichem Rang transportiert würden, Auflagen gezielt zur Krisenverschärfung nutzen würde, um auf diese Weise noch mehr Auflagen machen und durchsetzen zu können.

Die Umstrittenheit der Kreditauflagen des IWF hat bis zum Jahr 2006 so weit zugenommen, dass inzwischen zahlreiche insbesondere lateinamerikanische Länder sich gegenüber dem IWF und der Weltbank zurückziehen (« Die Schock-Strategie », S. 644, Naomi Klein, S. Fischer Verlag).

Auf der Gipfelkonferenz der Völker hat am 17.05.2010 der Ökonom und Präsident von Ecuador, Raphael Correa, angekündigt, den griechischen Staatschef Giorgios Papandreou schriftlich über seine Einschätzung zum IWF zu informieren. Er teilte dazu der Öffentlichkeit bereits am 17.05. 2010 mit, dass die Maßnahmen des IWF üblicherweise die Krise vertiefen oder zu volkswirtschaftlichen Lösungen finden, welche Menschen und Entwicklungsniveau vernichten.

http://www.hintergrund.de/20100517894/politik/politik-eu/gipfelkonferenz-der-voelker-lehnt-die-neoliberale-politik-der-europaeischen-union-entschieden-ab.html

Die IWF-Auflagen hinsichtlich der Impfungen in Brasilien beweisen, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch den IWF, würde er mit Hilfe der Blankett-Ermächtigung des Art. 136 Abs. 3 AEUV erst einmal mit der entsprechenden Macht ausgestattet, nicht nur den Umstieg in der Krankenversicherung zur Kopfpauschale erzwungen, sondern gleichzeitig die Niedrighaltung der Steuerzuschüsse dazu durch massive Herausnahme von Medikamenten aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen erzwungen würde. Und die Beschwerdeführerin wäre mit ihren Medikamenten mit Sicherheit betroffen, wenn der IWF nicht einmal vor Masernimpfungen für Kin-der in Brasilien Halt macht.

Die offenbar ständige Praxis des IWF, die Kürzung von Nahrungsmittelsubventionen zu erzwingen, unter offenkundiger Kollision mit Art. 11 Abs. 2 lit. b Uno-Sozialpakt, und die bisher zumindest einmal auffällig gewordene Praxis, sogar die Verteilung von in keiner Weise den Staatshaushalt belastenden Nahrungsmittelhilfslieferungen zu erschweren, würden auch für Deutschland zu einer beträchtlichen Erhöhung der Nahrungsmittelpreise führen.

Der Wesensgehalt des Menschenrechts auf Nahrung (Art. 11 UNO-Sozialpakt) umfasst gem. Tz. 8 des Allgem. Kommentars Nr. 12 zum UNO-Sozialpakt das Recht, entweder durch eigenen Anbau oder durch wirtschaftliche Ressourcen, Zugang zu haben zu Nahrung in ausreichender Menge, Qualität, ohne giftige Stoffe und ohne auf kulturell nicht akzeptierte Nahrung angewiesen zu sein.

Die zu erwartenden IWF-Auflagen gegen Deutschland im Nahrungsbereich werden die Beschwerdeführerin voraussichtlich dazu zwingen, sich zu einem wesentlich geringeren Anteil als bisher biologisch zu ernähren, und damit mehr Schadstoffe über die Nahrung aufzunehmen, würden also zu einem deutlichen Rückschritt hinsichtlich der Verwirklichung des Menschenrechts auf Nahrung bei ihr führen.

Für Langzeitarbeitslose oder auch für Unternehmer, die heute auf das Arbeitslosengeld II bzw. auf ergänzende Grundsicherung nach dem SGB 12 angewiesen sind, wäre aber sehr wohl damit zu rech-nen, dass ihnen IWF-Auflagen den Hunger (also eine Verletzung des Wesensgehalts des Menschenrechts auf Nahrung bereits auf Grund unzureichender Nahrungsmenge) bringen würden.

Bereits mit der Verschärfung von §31 SGB 2 im Jahr 2006, wonach bei unzureichenden Nachweisen über mangelnde Arbeitsbemühungen die Leistungen zum Lebensunterhalt in mehreren Schritten bis zu 100% gekürzt werden können, hat Deutschland die Forderung von Tz. 5 der abschließenden Stellunganahme vom 11.09.2006 zu den Artikel IV – Konsultationen gegenüber Deutschland über-erfüllt. Damals hatte der IWF eine Kürzung von 30%, nicht von bis zu 100%, gefordert.

www.imf.org/external/np/ms/2006/091106.htm

IV.5.7 eine genauere Betrachtung der Vorwürfe von Davison Budhoo gegen den IWF

Dieser Abschnitt dient dem Beweis, dass jegliche Transportierung von IWF-Auflagen oder IWF-typischen Auflagen mit eu-rechtlichem Rang verfassungswidrig ist. Der offene Brief des Wirt- schaftswissenschaftlers Davison Budhoo an Michel Camdessus, den damaligen geschäftsführenden Direktor des IWF, vom 18.05.1988 enthält noch weit mehr Beweismittel.

Er ist vor allem auch deshalb von Bedeutung, weil er verdeutlicht, dass der IWF eine Organisation ist, welche sich in den Verdacht gebracht hat, Taten begangen zu haben, welche heute als Völker-mord (Art. 6 lit. c römisches Statut) bzw. in Deutschland als Betrug (§263 StGB) oder Nötigung (§240 StGB) zu qualifizieren sein könnten.

Solch einer Institution - und auch jeglicher in deren Geiste stehender – kann man doch nicht per Blankett-Ermächtigung die Macht geben, Kreditauflagen mit supranationalem Rang zu Lasten der Einwohner Europas zu machen, oder gar entscheidende Machtpositionen in einem Staateninsolvenzverfahren einräumen – abgesehen davon, dass Staateninsolvenzverfahren für Deutschland ohnehin verfassungswidrig sind nach dem Waldenfels-Urteil.

Art. 23 GG will ein über die Herzen der Menschen vereintes Europa, nicht ein geplündertes.

Herr Budhoo kündigte mit besagtem Brief nach 12 Jahren Mitarbeit beim IWF. Erst im Jahr 1990 stellte er ihn der Weltöffentlichkeit vor.

Herr Budhoo selbst schätzte damals in besagtem Brief, dass allein an seinen Händen das „Blut“ von Millionen armer und hungernder Menschen klebe. Es sei so viel Blut, dass es in Strömen fließe, und dass es fraglich sei, ob es auf der ganzen Welt zusammen genug Seife gebe, um es abzuwaschen.

Das Wort „Blut“ kann dabei nicht ganz wörtlich gemeint gewesen sein, denn der IWF befehligt selbst keinerlei bewaffnete Streitmacht. Es kann nur gemeint sein, dass durch das Handeln des IWF Millionen unschuldiger Menschen zu Tode kommen.

Davison Budhoo stellte die Frage in den Raum, ob die Welt, wenn alle Beweismittel über den IWF ans Licht kämen, sich damit zufrieden geben würde, den IWF als einen der heimtückischsten Feinde der Menschheit („among the most insidious enemies of mankind“) zu brandmarken, und das Thema ansonsten auf sich beruhen lassen würde, oder ob die Erben derer, die, so Budhoo, zerstückelt („dismembered“) worden seien im Rahmen des eigenen seltsamen „Holocaust“ des IWF („in our own peculiar Holocaust“) ihre Forderungen nach einem weiteren Nürnberg laut herausschreien würden.

Budhoo verwendete das Wort „zerstückeln“ offenbar bildhaft, um einen Eindruck besonderer Grausamkeit und Kaltblütigkeit anschaulich zu machen. Die Verwendung des Wortes „Holocaust“ ist, auch als Bild, sehr problematisch, weil dieser Begriff historisch festgelegt ist auf die Beschreibung der Verbrechen der Nationalsozialisten an den Juden.Vermutlich fiel Budhoo kein anderer Begriff ein, welcher der Zahl der IWF-Toten gerecht werden könnte, ohne dass er sich auf eine konkrete strafrechtliche Anschuldigung zu einem konkreten strafrechtlichen Begriff gegenüber dem IWF hätte festlegen müssen. Von Bedeutung für die Wahl seiner Formulierung wird auch gewesen sein, dass das Römische Statut des internationalen Strafgerichtshofs, welches Verbrechen wie Völkermord (Art. 6, insbesondere lit. c) benennt, erst vom 17.07.1998 datiert, sodass er auf dieses Statut 1988 noch nicht verweisen konnte.

Mit „einem weiteren Nürnberg“ spielt er eindeutig auf die Strafverfahren gegen einige der schlimmsten Naziverbrecher an, welche kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Nürnberg stattfanden.

Falls er verklagt werde, so Budhoo, werde er für schuldig, sehr schuldig befunden werden ohne mildernde Umstände.

Millionen Tote kann eine militärisch unbewaffnete Institution wie der IWF nur gefordert haben durch die „Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen“ (Art. 6 lit. c römisches Statut). Das scheint am deutlichsten bei der Untersagung der Nahrungsmittelnotreserven und bei der Behinderung der Verteilung von Nahrungsmittelnotlieferungen im Niger der Fall gewesen zu sein (siehe Abschnitt IV.5.2 dieser Verfassungsbeschwerden). Ob dabei ein Völkermord i. S. v. Art. 6 lit. c römisches Statut vorgelegen hat, dürfte von der Zahl der Opfer abhängen, welche die Hungerkatastrophe durch das Verhalten des IWF mehr gefordert hat, als es ohne dieses Verhalten der Fall gewesen wäre. Denn ein Völkermord kann nur vorliegen, wenn die Opfergruppe einer gemeinsamen Ethnie, Nation oder Religion angehört. Wenn sich die Auferlegung der lebenszerstörerischen Bedingungen gegen die Armen richtet, egal, zu welcher Nation, Religion oder Ethnie sie gehören, dann kann dieses Merkmal nach Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin nur erfüllt sein, wenn es so viele Arme innerhalb des Niger getroffen hat, dass man von einem Teil des Volkes sprechen kann. Art. 6 lit. c fordert außerdem den Vorsatz als Tatbestandsmerkmal. An dessen Vorliegen hat die Beschwerdeführerin indes keinerlei Zweifel, weil es dafür genügt, dass der Täter die Tat begeht, obwohl ihm bewusst ist, dass sein Handeln für die Opfer die entsprechenden Folgen haben wird (Art. 30 römisches Statut), dass es also dem Täter um ein Ziel gegangen ist, für welches er die Folgen für die Opfer billigend in Kauf genommen hat. Nicht erforderlich ist für einen Völkermord, dass die Schä-digung der Opfer das eigentliche Ziel der Tat gewesen sein muss.

Budhoo warf dem IWF vor, alles bewahrenswerte („everything worth preserving“) zu zerstören. Der IWF sei seelenlos. Er sah sich veranlasst, daran zu erinnern, dass die Armen und Mittellosen nicht der überflüssige Müll seien, für welchen der IWF sie halte.

Er warf die Frage auf, ob das Personal des Währungsfonds Amok laufe angesichts der unerwartet großen Macht.

Angesichts solcher Beobachtungen bzgl. des Verhaltens von IWF-Mitarbeitern scheint der Beschwerdeführerin auch nicht ausgeschlossen, dass das Leid der Einwohner des Schuldnerstaatens zumindest im Niger auch das direkte Ziel der Tat gewesen sein könnte.

Budhoos Vermutung, das IWF-Personal könnte angesichts seiner großen Macht Amok laufen, also sachlicher gesagt, das Maß verloren haben, ist nicht nur für den IWF von Bedeutung, sondern wirft die Frage auf, ob nicht jeder, der solch ein Maß demokratisch unkontrollierter Macht erhält, der gleichen Versuchung erliegen kann, z. B. auch die Versammlung der privaten Gläubiger im Staaten-insolvenzverfahren der Eurozone.

Budhoo beschuldigte den IWF, er habe aus einem unerklärlichen Antrieb heraus versucht, Trinidad und Tobago erst wirtschaftlich zu zerstören, um es dann in eine Bastion der Lehre des IWF („Fund orthodoxy“) zu verwandeln, intolerablen Druck auf die Regierung des Landes ausgeübt, Handlun-gen zu unternehmen zur Negierung bestimmter vitaler Aspekte und Vereinbarungen, wie sie verankert sind in der Verfassung des Landes, auf Grund derer die Regierung arbeitet, innerhalb von deren Rahmen Grundrechte der Menschen anerkannt und geschützt werden, und Normen von sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Gleichheit geschützt werden.

Was Budhoo damit etwas kompliziert gesagt hat, ist, dass der IWF die Regierung von Trinidad und Tobago genötigt habe zum Verfassungsbruch. Noch drastischer sind die kolonialherrenaritge mutmassliche versuchte Nötigung gegenüber Griechenland zur Verfassungsänderung und deren demütigende Vorführung auf dem Weltwirtschaftsforum (Abschnitte IV.5.3 und III.12 dieser Verfassungsbeschwerden). Wie bereits in Abschnitt IV.4.1 dieser Verfassungsbeschwerden dargestellt, ist IWF-Recht vom Rang her ganz normales Völkerrecht. Der IWF ist direkt weder an die nationalen Verfassungen noch an die Menschenrechte der UNO gebunden. Wollte er sicherstellen, dass seine Auflagen nur bis zur Grenze dessen umgesetzt werden, was die Grundrechte und die universellen Menschenrechte erlauben, so könnte er entweder direkt seine Auflagen entsprechend der menschenrechtlichen Rechtslage im jeweiligen Land anpassen, oder er müsste das Land ordnungsgemäß dar-auf hinweisen, dass dieses selbst in der Verantwortung ist, zu überprüfen, wie weit seine Auflagen umgesetzt werden können, und ihm gegenüber das auch entsprechend zu begründen.

Laut Budhoo jedoch ist der IWF absolut rücksichtslos und unwillig, auch nur die geringsten Abweichungen von seinen Auflagen, und sei es für eine sozial gerechte Aufteilung der Lasten, auf die Bevölkerung zuzulassen. Er illustrierte dies mit dem Bild eines bei Vollmond eine schwere Dampfwalze fahrenden Werwolfs.

Das lässt keinen Zweifel daran, dass Budhoo das Auftreten der IWF-Mitarbeiter als zum Verfas- sungsbruch nötigend erlebt hat.

Davison Budhoo legt außerdem dar, dass der IWF Trinidad und Tobago mit falsch wiedergegebenen bzw. von einem willkürlich gewählten Ausgangspunkt aus betrachteten volkswirtschaftlichen Daten des Landes vorsätzlich betrogen habe, um Macht über das Land zu erlangen.

Der IWF stellte dabei laut Budhoo die relativen Kosten einer Arbeitseinheit („Relative Unit Labour Cost“, RULC) überhöht da, was ihm die Gelegenheit gegeben habe, gegenüber der Regierung von Trinidad und Tobago den Eindruck zu vermitteln, das Land sei wegen überhöhter Lohnstückkosten nicht wettbewerbsfähig genug im Vergleich zu seinen Haupthandelspartnern. Tatsächlich habe sich dieser Index laut Budhoo um +69% statt +142,9% in den IWF-Berichten von 1985, von 1980-1985 um +66,1% statt um +164,7% in den IWF-Berichten von 1986, von 1983-1985 um +14,9% statt um +36,9% in den IWF-Berichten von 1986, in 1985 um -1,7% statt um +9% und in 1986 um -46,5% statt um keine Angaben verändert.

Weitere Falschangaben des IWF waren laut Budhoo:

-- fiskalisches Defizit 1986 um 1,9 Milliarden Trinidad und Tobago-Dollar (TT $) zu hoch

-- 1,5 Millionen TT $ unbezahlte Rechnungen erfunden

-- Budgetdefizit 1986 um 250 Millionen TT $ zu hoch

-- Zahlungsbilanzdefizit um 500 Millionen TT $ zu hoch

-- staatliche Subventionen für öffentliche Unternehmen 1 Milliarde TT $ zu hoch

Außerdem hat der IWF laut Budhoo durch die Wahl des Bezugszeitpunkts für die Entwicklung des realen effektiven Wechselkurses des TT $ diesen als überbewertet erscheinen lassen. Vom letzten Quartal 1981 bis November 1985 sei der Kurs um 45% gestiegen, dann aber allein im Dezember 1985 um 30% gesunken. Durch die Wahl des Bezugspunktes 1980 gelang es dem IWF, die Währung als überbewertet erscheinen zu lassen.

Auch die Handelsbilanzentwicklung („terms of trade“) ist laut Budhoo vom IWF als Grund für die Forderung nach Währungsabwertung herangezogen worden. Diese ging 1982 bis 1985 um 10% nach unten, 1986 um 40% und erholte sich danach wieder. Trinidad und Tobago ist im Export laut Budhoo zu 80% vom Erdöl abhängig, und 1986 sank der Ölpreis dramatisch.

Zu den Auflagen des IWF gegenüber Trinidad und Tobago haben laut Budhoo gehört:

-- massive Abwertung der Währung

-- totaler Freihandel

-- totale Kapitalverkehrsfreiheit

-- eskalierende Zinssätze

-- eskalierender Preisanstieg auf dem Binnenmarkt

-- rapider Einkommensrückgang bei den Armen

-- massive Personaleinsparung im öffentlichen Dienst

Die massive Abwertung der Währung hat mehrere Wirkungen gehabt. Trinidad und Tobago fiel es dadurch ebenso wie durch die eskalierenden Zinssätze schwerer, seine in stärkeren Währungen aufgenommenen Schulden zurückzuzahlen. Und es blieb länger im Machtbereich des IWF. Schließlich wurden für alle anderen Länder Erdölexporte aus Trinidad und Tobago billiger, denn bei einem schwachen TT $ muss man weniger US $ einnehmen, um die eigenen Kosten in TT $ zu decken. Die totale Kapitalverkehrsfreiheit macht ein Land außer durch den IWF auch durch größere Kapitalanleger erpressbar.

Budhoos offener Brief enthält darüber hinaus gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der IWF sich in erheblichem Maße längst der Kontrolle durch seine Mitgliedsstaaten entzogen hat. Er spricht von Sicherheitsmechanismen in den Articles of Agreement, also in der Satzung, des IWF, welche nie-mals aktiviert worden seien auf Grund der unvorhergesehenen Übernahme („hijacking“) des IWF durch seine eigenen Beschäftigten. Selbst hitziger Kritik des Board of Governors, der Vollversammlung der Notenbankchefs und Finanzminister der IWF-Mitgliedsländer, gegenüber hat der Fonds nach Budhoos Beobachtung mit Beschwichtigungsmanövern ausgesessen – so sehr scheint er außer Kontrolle geraten zu sein.

Budhoos Aussage zur in erheblichem Maße geschehenen Selbständigmachung des IWF steht im Gegensatz zum Verdacht vieler IWF-Opfer in ärmeren Ländern, der IWF verfolge im wesentlichen Interessen seines größten Anteilseigners, der USA. Die USA liegen jedoch mit einem Anteil am Festkapital und an den Stimmrechten im IWF von kaum mehr als 1/6 nur knapp höher als die Sperrminorität im Gouverneursrat des IWF. Sie können damit zwar grundlegende Richtungswechsel des IWF als einziges Land im Alleingang blockieren, sie sind aber auch weit von einer Mehrheit im Gouverneursrat entfernt. Budhoos Aussage scheint daher glaubhaft.

Laut Budhoo sorgt der IWF dafür, dass seine Macht selbsterhaltend („self-sustainable“) ist.

Das bedeutet, dafür zu sorgen, dass immer genug Länder nicht von ihrer echten oder vermeintlichen IWF-Abhängigkeit loskommen.

Ein entscheidender Schritt, welchen der IWF von jedem Land der „3. Welt“, welchem er Kredite gibt, als Auflage macht, ist die Abwertung der Landeswährung. Da die meisten internationalen Kredite in als besonders stark geltenden Währungen wie z. B. dem US-Dollar, dem Schweizer Franken oder der IWF-Verrechnungseinheit Sonderziehungsrechte vergeben werden und auch in diesen Währungen zurückgezahlt werden müssen, sorgt die Abwertung der Währung des Schuldnerlandes dafür, dass dieses zwar unglaublich wettbewerbsfähig wird, aber mit seinen Exporterlösen in der abgewerteten Landeswährung die Schulden noch weniger zurückzahlen kann, als wenn es nicht abwerten würde. Gerade die Währungsabwertung sorgt dafür, dass die Opferländer des IWF ihre Rohstoffe und die Arbeitskraft ihrer Einwohner regelrecht für den Export zugunsten der einflussreichsten Unternehmen aus den reicheren Ländern verschleudern.

Der IWF steigert seine Macht vor allem dann, wenn möglichst viele Staaten nicht aus der Schulden- falle herauskommen und weiter bei ihm zu seinen Konditionen Geld leihen.

Der offene Brief von Davison Budhoo stammt aus dem Jahr 1988. Wie sich am Verhalten des IWF gegen die Hungernden in Brasilien, Malawi, Äthiopien und im Niger sowie gegen die Kranken in Rumänien, Thailand und Lettland zeigt, ist der IWF von sich aus immer noch, bzw. nach der Ausschaltung von Dominique Strauss-Kahn wieder verstärkt, so menschenrechtsverachtend wie 1988. Der mögliche IWF-Völkermordfall im Niger in den Jahre 2004 und 2005 liegt nach dem Jahr 1988, ebenso wie der Tuberkuloseanstieg in Osteuropa und Zentralasien durch den IWF. Und auch bei den Rentenkürzungsforderungen gegenüber Rumänien und Lettland hat sich der IWF erst nach Verfassungsgerichtsurteilen bereit gefunden, den Rentnern das Lebensnotwendige zu belassen – wenngleich er sich in Rumänien zum Ausgleich die Mehrwertsteuer von 19% auf 24% hat erhöhen lassen, sodass er die Armen dann doch bei den Lebenshaltungskosten treffen konnte.

Dass die IWF-Mitarbeiter laut IWF-Satzung eine diplomatenähnliche Immunität haben, sodass sie möglicherweise nur bei Überschreitung ihrer Kompetenzen strafrechtlich belangt werden können, dürfte für diese Verfassungsbeschwerden unbeachtlich sein, erklärt aber ihre Ignoranz bzgl. der Menschenrechte der Einwohner der Schuldnerländer.

Entscheidend sind die gewichtigen Indizien für schwerste Straftaten durch den IWF bzw. durch dessen Mitarbeiter.

Darum bleibt zum Schutz von Demokratie, Rechtsstaat, Grund- und Menschenrechten, jeweils immer i. V. m. Art. 38 GG, nur, das StabMechG und die Zustimmungsgesetze zum Fiskalpakt und zum ESM sowie die an diese anknüpfenden EU-Verordnungen (Abschnitte V.3 bis V.7 und VI.2 dieser Verfassungsbeschwerden) im Ganzen als verfassungswidrig zu erklären, da Erwägungsgründe 2+3 i. V. m. Art. 12 ESM-Vertrag sowie Erwägungsgrund 3 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 von EU-Verordnung 2011/385 (COD) die IWF-Artigkeit der Auflagen vorschreiben würden. Und wie in Abschnitt IV.6 dieser Verfassungsbeschwerden gezeigt wird, ist mit IWF-Artigkeit nicht einmal die Begrenzung auf das nach der IWF-Satzung zulässige gemeint, sondern ein Verhalten, wie es der IWF tatsächlich selbst an den Tag legt.