065. IX.10 Menschenrecht auf Nahrung (Art. 11 UNO-Sozialpakt i. V. m. Art. 1 Abs. 1+2 GG, Art. 25 GG, Art. 38 GG)

IX.10 Menschenrecht auf Nahrung (Art. 11 UNO-Sozialpakt i. V. m. Art. 1 Abs. 1+2 GG, Art. 25 GG, Art. 38 GG)

Das Menschenrecht auf Nahrung (Art. 11 Sozialpakt) ist definiert (Tz. 14 des Berichts von Prof. Jean Ziegler, ehem. UNO-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Nahrung, vom 07.02. 2001, Az. E/CN.4/2001/53) als das Recht, regelmäßigen, dauerhaften und freien Zugang zu haben, entweder direkt oder mittels käuflichen Erwerbs, zu quantitativ und qualitativ angemessener und ausreichender Nahrung entsprechend den kulturellen Traditionen, zu welchen die Verbraucherin gehört, und welche ein körperliches und geistiges, individuelles wie kollektives, erfüllendes und würdevolles Leben frei von Furcht sichert. Laut Tz. 8 des Allgemeinen Kommentars Nr. 12 zum UNO-Sozialpakt beinhaltet der Kernbereich des Nahrungsrechtes die Verfügbarkeit von Nahrung in ausreichender Menge und Qualität zur Erfüllung der ernährungsmäßigen Bedürfnisse jedes einzelnen Menschen, welche frei ist von schädlichen Substanzen und akzeptabel in der jeweiligen Kultur; dabei sollte der Zugang zur Nahrung nachhaltig erfolgen und nicht den Genuss anderer Menschenrechte verletzen.

Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II betonte in seiner Rede zum katholischen Weltfriedenstag vom 01.01.2003, dass die Verpflichtung aus den Menschenrechten alle Menschenrechte betreffe und keine willkürlichen Auswahlentscheidungen dulde, welche Formen der Diskriminierung und

Ungerechtigkeit mit sich bringen würden; der Papst bekräftigte damit sowohl den gleichrangigen Anspruch aller Menschen auf die Menschenrechte, als auch die Gleichrangigkeit aller Menschenrechte der UNO untereinander. Er sah eine besondere Dringlichkeit zur Verwirklichung der folgenden Rechte auch in den ärmeren Ländern, um die Schere zu den reicheren Ländern zu verringern :

“Ich denke beispielsweise an das Recht auf Nahrung, auf Trinkwasser, auf Unterkunft, auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit. Der Friede verlangt, dass dieser Abstand Schritt für Schritt abgebaut und schließlich überwunden wird.”

Erwägungsgründe 2, 3 und 6, Art. 3 und Art. 12 ESM-Vertrag sowie Erwägungsgrund 3 und Art. 6 Abs. 1 von EU-Verordnung 2011/385 (COD) und Art. 136 Abs. 3 S. 2 AEUV (dieser sogar mit eu-primärrechtlichem Rang) verletzen das Menschenrecht auf Nahrung dadurch, dass sie für alle Finanzhilfen ein Ausmaß an Strenge vorschreiben, welches laut den Schlussfolgerungen des Ecofin-Rates vom 10.05.2010 sowie der Erklärung der Eurogruppe vom 28.11.2010, der Präambel EFSF-Rahmenvertrags, Nr. 49 des Berichts der Task Force vom 21.10.2010 und Nr. 17 der Stellungnahme zum Euro-Gipfel vom 26.10.2011 sowohl für den Euro-Rettungsschirm als auch für den ESM incl. Staateninsolvenzverfahren und für die Verschärfung der auf Art. 121, 126 und 148 AEUV gestützten Empfehlungen im Rahmen der haushaltsmäßigen Überwachung IWF-typisch gemeint ist, also die Grund- und Menschenrechte der Einwohner der Schuldnerstaaten vollkommen ignorierend.

Wie die Beispiele Malawi, Niger und Äthiopien zeigen (siehe Abschnitt IV.5.2 dieser Verfassungsbeschwerden), würde der IWF auch für Deutschland, wenn erst einmal genug anderes verkauft wäre, den Ausverkauf der Nahrungsmittelnotreserven erzwingen, sodass staatliche Nahrungsversorgung als Sachleistung nicht mehr möglich wäre. Darüber hinaus hat der IWF zumindest in Kenia und im Niger versucht, die Verteilung von nicht staatlicher Nahrungsmittelnothilfe zu verhindern, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden; wenn Deutschland erst einmal in den Mühlen verbindlicher IWF-Auflagen stünde, wäre damit zu rechnen, dass IWF, Troika bzw. EU-Kommission verlangen würden, private Nahrungsmittelnothilfen in Deutschland, wie z. B. durch die Tafelbewegung oder durch religiöse Organisationen, zu verbieten. Deutschland ist, absolut gesehen, deutlich höher verschuldet als Kenia, Niger, Malawi oder Äthiopien. Wenn auf Grund deutlich steigender Zinssätze Deutschland in den europäischen Finanzierungsmechanismus gezwungen würde, wären seine Schulden so erdrückend, dass die soziale Grundsicherung vermutlich nur noch über Sachleistungen erfolgen könnte, da man diese gläubigerseits nicht so schnell abschöpfen kann wie Geld und Bankguthaben. Damit würden IWF-typische Auflagen zum Ausverkauf der Nahrungsmittelnotreserven das entscheidende Instrument zum Verhungernlassen des auf die Grundsicherung zum Überleben angewiesenen Teils der deutschen Bevölkerung.

Da die Beschwerdeführerin als Selbständige nicht arbeitslosenversichert ist, wäre sie im Falle der Arbeitslosigkeit viel schneller von den fehlenden Nahrungsmittelnotreserven betroffen als z. B. Arbeiter oder Angestellte.

Selbst aus einer radikal parteiischen Haltung zu Gunsten der Gläubiger des Staates ist es völlig irrational, einen Teil der Einwohner des Schuldnerstaates verhungern zu lassen, da diese dann nicht mehr zum Abarbeiten der Staatsschulden zur Verfügung stehen. Die Beschwerdeführerin folgert daraus, dass der Grund für das iwf-typische Verhungernlassen ein psychopathischer Mangel an Mitgefühl ist (Abschnitte IV.5.7 und XII.8 dieser Verfassungsbeschwerden). Da der IWF nachweislich schon mindestens drei Länder zum Ausverkauf ihrer Nahrungsmittelnotreserven gezwungen hat, ist anzunehmen, dass er mit Deutschland das gleiche machen wird, wenn Deutschland erst einmal in die Mühlen des europäischen Finanzierungsmechanismus gerät. Und das alles sogar nach der Buchveröffentlichung von Davison Budhoos offenem Brief (siehe Abschnitte IV.5.6 und IV.5.7 dieser Verfassungsbeschwerden), also in nachweislich tiefster Bösgläubigkeit.

Das Menschenrecht auf Nahrung wird durch Art. 5 Abs. 2 Fiskalpakt (bzw. Art. 136 Abs. 3 AEUV) i. V. m. Erwägungsgrund 7 und Art. 6 Abs. 5 von EU-Verordnung 2011/385 (COD), durch Art. 21 von EU-Verordnung 2011/0276 (COD) sowie durch Art. 5 Abs. 3 EFSF-Rahmenvertrag und durch Art. 19 ESM-Vertrag auch dadurch verletzt, dass diese als auch dafür vorgesehen sind, zumindest sämtliche Strukturreformen der EU-Wirtschaftsregierung durchzusetzen durch die Möglichkeit, EU-Agrarmittel einzubehalten (siehe Abschnitte III.14 + VI.1.3 + VI.2.1+VI.3 dieser Verfassungsbeschwerden). Dabei konzentrieren sich die beiden EU-Verordnungen (zumindest erst einmal) auf die ELER-Agrarmittel, während über die Ausweitung des Instrumentariums von EFSF und ESM auch alle Agrarmittel (also auch die für die meisten Landwirte ökonomisch überlebenswichtigen Mittel aus der ersten Säule der Agrarförderung) erfasst werden könnten. Und Art. 21 Abs. 6 EU-Verordnung 2011/0276 (COD) würde die Kommission sogar als Muss-Vorschrift verpflichten, die ELER-Mittel zu kürzen oder zu streichen, sobald Empfehlungen bzw. Auflagen aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt, aus dem Ungleichgewichtsverfahren oder dem ESM nicht erfüllt würden. Diese Kürzungen bzw. Streichungen könnte sie dann selbst nach Erfüllung der Empfehlungen oder Auflagen weiterhin willkürlich bestehen lassen (Art. 21 Abs. 8).

So könnte die EU-Kommission bzw. die Troika die Mitgliedsstaaten z. B. vor die Wahl stellen, entweder ihre gesamte Sozialversicherung auf eine Mindestsicherung zu reduzieren, die Behörden zu privatisieren und die Genmanipulation in der Landwirtschaft zuzulassen, oder andernfalls plötzlich die Agrarmittel für die Landwirte im jeweiligen Mitgliedsstaat zu stoppen, was einen erheblichen Teil der Landwirte ruinieren und mit Verzögerung von Monaten die Agrarproduktion im betroffenen Mitgliedsstaat erst einmal zusammenbrechen lassen würde. Die Folge wären nicht nur ein deutlicher Anstieg der Lebensmittelpreise bzw. Lebensmittelknappheit bei den Ärmsten, sondern der nahezu komplette Ersatz der bäuerlichen Landwirtschaft durch Agrarkonzerne und damit die Konzentration der Nahrung in deren Hand als Druckmittel gegenüber der Politik und zugleich die Schleifung der praktischen Möglichkeiten auf Seiten der landwirtschaftlichen Produzenten, die Genmanipulation ihrer Produkte zu verweigern. Der Anreiz für die EU-Kommission, einen Teil ihrer Empfehlungen so unannehmbar zu machen, dass sie die Handhabe bekommt, den betroffenen Mitgliedsstaaten gegenüber plötzlich die Agrarsubventionen zu kürzen, um damit deren bäuerliche Landwirtschaft größtenteils zu vernichten und so die Gentechnik in der Landwirtschaft durchzusetzen, liegt auf der Hand angesichts ihrer Auflagen gegenüber Griechenland (siehe Abschnitt V.13 dieser Verfassungsbeschwerden).

Darüber hinaus will man im Rahmen der Ungleichgewichtsverfahren der Kommission die Macht geben, Bußgelder bereits gegen Staaten zu verhängen, welche lediglich Korrekturmaßnahmenpläne vorgelegt haben, mit denen die Kommission nicht vollständig zufrieden ist. Damit könnte die Kommission Bußgelder willkürlich verhängen selbst gegenüber Staaten, die alle ihre ausdrücklichen Empfehlungen vollständig befolgen, die nur von sich aus nicht direkt so viel anbieten, wie die Kommission es gerne hätte. Siehe auch Abschnitt V.5 dieser Verfassungsbeschwerden. Da, wie in Abschnitt VI.1.3 dieser Verfassungsbeschwerden dargestellt, zusätzlich zu den Bußgeldern Kürzungen wichtiger EU-Fördermittel incl. (erst einmal der ELER-) Agrarsubventionen geplant sind, könnte die Kommission, mal eben nach eigenem Gutdünken jederzeit die Agrarsubventionen für ganze Staaten vorübergehend streichen und so deren bäuerliche Landwirtschaft und Ernährungssicherheit zerstören, und bräuchte dafür lediglich behaupten, sie wäre mit einem Maßnahmenplan unzufrieden. Eine derartige Einladung zur Willkür gegenüber der Ernährungssicherheit ganzer Staaten ist mit dem Menschenrecht auf Nahrung (Art. 11 UNO-Sozialpakt) unvereinbar.

Art. 3, 4, 5 und 7 Fiskalpakt sowie Art. 136 Abs. 3 AEUV verletzen das Menschenrecht auf Nahrung dadurch, dass sie als Grundlage dafür vorgesehen sind, auch die präventive Komponente und das Gesamtschuldenkriterium des Stabilitäts- und Wachstumspaktes mit Bußgeldandrohung zu versehen. Das gleiche gilt für Art. 9 Fiskalpakt sowie Art. 136 Abs. 3 AEUV als beabsichtigte Grundlage für ein bußgeldbewehrtes Ungleichgewichtsverfahren mit von der EU-Kommission willkürlich wählbaren Kriterien. Damit würde die EU-Kommission in die Lage versetzt, allen Staaten der Eurozone bußgeldbewehrte „Empfehlungen“ zu machen.

Tz. 7.2.1 des im Januar 2010 veröffentlichten Stabilitäts- und Wachstumsprogramms Griechenlands, wonach ausgerechnet das für seine gentechnikkritische Bevölkerung bekannte Griechenland sich zur Marktöffnung für die „Biotechnologie“, also für die Genmanipulation in der Landwirtschaft verpflichtet hat, beweist, dass die EU-Kommission bereits heute das Euro-Defizitverfahren für die Interessen der Gentechnikindustrie missbraucht:

http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/10/st05/st05454.en10.pdf

Im Gentechnikurteil vom 24.11.2010 (Az. 1 BvF 2/05) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das deutsche Gentechnikgesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist, und dass die gesetzlichen Berufsausübungsregelungen zur Gentechnik in der Landwirtschaft daher nicht gelockert wer-den müssen. Nach Leitsatz 2 des Urteils sieht das Bundesverfassungsgericht die Risiken der Gentechnik in der Landwirtschaft als noch nicht endgültig geklärt an, wodurch den Gesetzgeber eine besondere Sorgfaltspflicht trifft. Nach Rn. 233 des Urteils wäre es zum Schutz der Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 1 GG), auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und auf Ei-gentum (Art. 14 Abs. 1 GG) zulässig, nicht nur die Berufsausübung der genmanipulatierten Landwirtschaft zu regeln, sondern auch deren Untersagung zulässig. Im Gentechnikurteil konnte kein Verbot der Gentechnik in der Landwirtschaft für Deutschland ausgesprochen werden, weil das gar nicht Streitgegenstand war, sondern vielmehr, ob die Sicherheitsvorschriften auch noch gelockert werden müssten. Darüber hinaus wurde im dortigen Verfahren das Menschenrecht auf Nahrung, welches durch die Gentechnik in der Landwirtschaft noch deutlich mehr als die deutschen Grundrechte verletzt wird, nicht geltend gemacht. Und nach der Beschreibung des Verfahrensgangs des Gentechnikurteils vom 24.11.2010 scheinen es dort weder Kläger noch Beklagte unternommen zu haben, die nach Auffassung der Beschwerdeführerin fähigsten unabhängigen Wissenschaftler zur Gentechnik vom Unabhängigen Wissenschaftsrat ( www.indsp.org ) als Zeugen zu benennen. Das erklärt, warum im dortigen Verfahren auch die Tatsachenfrage der Risiken der Genmanipulation in der Landwirtschaft nicht geklärt werden konnte.

In den hier vorliegenden Verfassungsbeschwerden kann auch nicht darüber entschieden werden, die Gentechnik in der Landwirtschaft zu verbieten, da Streitgegenstände hier das StabMechG, das ESMFinG, das Gesetz zur Änderung des BSchuWG und die Zustimmung zu Fiskalpakt, Art. 136 Abs. 3 AEUV und ESM sind. Es ist im vorliegenden Verfahren jedoch formal möglich und auch geboten, ausdrücklich zu untersagen, dass über eine Blankett-Ermächtigung der Stabilitäts- und Wachstumspakt so umgebaut wird, dass die EU-Kommission ihren Mißbrauch des Stabilitäts- und Wachstumspaktes auch noch über das bisherige Defizitverfahren hinaus für die Interessen der Gentechnikindustrie ausdehnt, und so das Menschenrecht auf Nahrung verletzt.

Das Aufzwingen genmanipulatierter Nahrung ist bereits deshalb unvereinbar mit dem Kerngehalt des Menschenrechts auf Nahrung, weil diese kulturell nicht akzeptiert ist (Art. 8 Allgem. Kommentar Nr. 12 zum UNO-Sozialpakt), denn eine deutliche Mehrheit sowohl der Deutschen als auch der Europäer lehnt die Genmanipulation in der Landwirtschaft ab, und dies ganz besonders bei allen Nahrungspflanzen und solchen, die in die Nahrung auskreuzen können. In Deutschland liegt die Ablehnung der Gentechnik in der Landwirtschaft zwischen 70% und 80% der Bevölkerung; siehe Parallelbericht der Aktion Genklage zum 5. Staatenbericht Deutschlands zum UNO-Sozialpakt.

http://www2.ohchr.org/english/bodies/cescr/docs/ngos/CourtActionGMOs_Germany46.doc

Bereits auf Grund der fehlenden kulturellen Akzeptanz darf genmanipulierte Nahrung zumindest nicht außerhalb geschlossener Gewächshäuser angebaut werden.

Genmanipulierte Nahrung verletzt den Kerngehalt des Menschenrechts auf Nahrung aber auch bzgl. der Nahrungsmenge (Art. 8 Allgem. Kommentar Nr. 12 zum UNO-Sozialpakt), weil es diese gefährdet. Denn zur Versorgung mit ausreichender Menge an Nahrung ist es erforderlich, dass genug Nahrung produziert wird. Für die Bestäubung zahlreicher Nahrungspflanzen, wie Obst, Honig, Mohrrüben, Mais, Raps, Feldbohnen, Buchweizen und Raps, aber auch für Heilkräuter und Tierfutter wie Klee, ist eine ausreichende Zahl von Bienen unerlässlich. Nach Tz. 4.2 des Gutachtens von August 2006 des Instituts für Biodiversität werden Bienen durch das vor allem in genveränderten Mais, Rapsund Baumwollpflanzen eingebaute Gift des Bodenbakteriums Bt (Bacillus Thurengiensis) schädlingsanfälliger; das Gutachten verweist hierzu auf eine Studie aus Jena im Auftrag des Bundesforschungsministeriums

(www.biosicherheit.de/de/sicherheitsforschung/68.doku.html).

Das Bt-Bakterium wird in geringer Dosierung sogar im Biolandbau gesprüht (Greenpeace, “Anbau von Genmais in Deutschland”, Mai 2007). In den genveränderten Pflanzen ist es in stark schwankender, aber deutlich höherer als der natürlichen Konzentration enthalten (Greenpeace- Studie

“Gift im Genmais”, Juni 2007). Ob das Bienensterben in den USA in 2007 durch Bt mitverursacht war, ist nach Kenntnisstand der Beschwerdeführerin umstritten.

Aber nicht nur genveränderte Pflanzen mit dem Gift des Bt-Bakteriums berühren die Menge der produzierten Nahrung, sondern ebenso die in Zusammenhang mit gentechnisch herbizidresistenten Pflanzen eingesetzten Totalherbizide mit den Wirkstoffen Glufosinat und Glyphosat. Laut dem

“Plädoyer für eine gentechnikfreie zukunftsfähige Welt” des Unabhängigen Wissenschaftsrats verhindert Glufosinat nützliche Boden-Bakterien und Pilze, besonders jene, welche den Stickstoff festhalten, und verursacht Glyphosat bei Regenwürmen eine Sterblichkeitsrate von fünfzig Prozent.

Das Bodenleben und die Arbeitsleistung der Regenwürmer sind für die Höhe der Ernteerträge ebenso entscheidend wie die der Bienen.

2004 wurde genug Nahrung für 12 Milliarden Menschen produziert (Prof. Jean Ziegler im Interview in Ausgabe 4/2005 der GermanwatchZeitung). Laut dem damals aktuellen Welternährungsbericht starben trotzdem in 2004 jeden Tag durchschnittlich 100.000 Menschen an Hunger oder dessen unmittelbaren Folgen; durchschnittlich alle 5 Sekunden verhungerte im Jahr 2004 ein Kind unter 10 Jahren. Für die vollständige Sicherung der Welternährung kommt es rechtlich also auf die Umsetzung des Vorrangs der universellen Menschenrechte incl. des Rechts auf Nahrung an, da letzteres zumindest für alle Vertragsstaaten des Sozialpaktes das Recht jedes Einwohners auf eine “dem Bedarf entsprechende gerechte Verteilung der Nahrungsmittelvorräte der Welt” normiert (Art. 11 Abs. 2 b UNO- Sozialpakt). Gerade in Zeiten des Klimawandels und der Hungerunruhen muss die Landwirtschaft sich ihre Vielfalt erhalten, um auf Klimaveränderungen flexibel genug reagieren zu können. Das Recht auf Nahrung in ausreichender Menge ist dabei von entscheidender Bedeutung als Rechtsgrundlage für den Stopp jeglicher gravierender Fehlentwicklungen, welche der landwirtschaftlichen Produktionsmenge in solchem Maße schaden, dass sie die Welternährung in Frage stellen. Dies gilt insbesondere auch für die Möglichkeit der Untersagung des Anbaus von Bt-Pflanzen für den Fall, dass sich ein Zusammenhang von Bienensterben und Bt-Mais herausstellen sollte.

Nach Tz. 8 des Allgemeinen Kommentars Nr. 12 beinhaltet das Recht auf Nahrung auch, dass die Nahrung frei von schädlichen Substanzen sein muss. Überwiegend Soja wird genetisch so verändert, dass es gegen bestimmte Totalherbizide, welche die Wirkstoffe Glyphosat und Gluphosinat enthalten, resistent gemacht wird. Laut dem “Plädoyer für eine gentechnikfreie zukunftsfähige Welt” des Unabhängigen Wissenschaftsrats (www.indsp.org) wird der Wirkstoff Glufosinat in Verbindung gebracht wird mit neurologischen, respiratorischen, gastrointestinalen und haematologischen Vergiftungen sowie mit Geburtsschädigungen bei Menschen und Säugetieren. Glyphosat istlaut dem Unabhängigen Wissenschaftsrat der häufigste Grund von Beschwerden und Vergiftungen in Grossbritannien. Glyphosat verdoppele beinahe das Risiko von späten und spontanen Schwanger-schaftsabbrüchen und erhöhe das Risiko von erhöhten nervlichen Verhaltensdefekten bei Kindern.

Glyphosat habe bei Laborratten eine verlangsamte Entwicklung des fötalen Skeletts verursacht. Bei einem der Totalherbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat seien Dysfunktionen der Zellteilung, die mit dem Entstehen von menschlichen Krebsarten in Verbindung gebracht werden könnten, beobachtet worden. Die Kritik des Unabhängigen Wissenschaftsrates hat bisher nur völlig unzureichend Eingang in die öffentliche Diskussion in Deutschland gefunden, ganz zu schweigen von der EU-Kommission und deren Machtmissbrauch zugunsten der Gentechnikindustrie, obwohl Art. 11 Abs. 2 a UNO-Sozialpakt die volle Nutzung der technischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse vor-schreibt, wovon die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Risikoabschätzung nicht ausdrücklich aus-genommen sind.

Das Menschenrecht auf Nahrung verbietet die Einfügung gesundheitsschädlicher Substanzen ebenso wie die Einfügung von Herbizidresistenzen, welche darauf ausgelegt sind, gesundheitsschädliche Herbizide in Zusammenhang mit Nahrungspflanzen einzusetzen. Damit ist im Falle des Zutreffens der vom Unabhängigen Wissenschaftsrat aufgezeigten Gesundheitsgefahren das Recht auf Nahrung die Rechtsgrundlage für den sofortigen Stopp der Freisetzung all solcher genveränderter Pflanzen, welche sich negativ auf die menschliche Nahrung auswirken.

Erwägungsgrund 7 und Art. 6 Abs. 5 von EU-Verordnung 2011/385 (COD), Art. 5 Abs. 3 EFSF-Rahmenvertrag und Art. 19 ESM.Vertrag, die als Grundlage für eine noch größere Möglichkeit der EU-Kommission zum Missbrauch ihrer Macht innerhalb des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu Gunsten der Gentechnikindustrie dienen würden, sind eine Verletzung des Kernbereichs des Menschenrechts auf Nahrung (Art. 11 UNO-Sozialpakt, Art.8 Allgem. Kommentar Nr. 12 zum UNO-Sozialpakt).

Wie insbesondere in den Abschnitten V.5, V.7 und V.11 dargestellt, würde das Ungleichgewichtsverfahren, welches man auf Art. 9 Fiskalpakt und Art. 136 Abs. 3 AEUV stützen will, der EU-Kommission die Macht geben zur Initiierung bußgeldbewehrter Empfehlungen, um beliebige bisher unveräußerliche Güter und Werte exportierbar zu machen.

Wie bereits das Stabilitäts- und Wachstumsprogramm Griechenlands zeigt, benutzt die EU-Kommission bereits heute das Defizitverfahren für die Interessen der Gentechnikindustrie. Daher ist da- mit zu rechnen, dass sie auch das Ungleichgewichtsverfahren zur Durchsetzung von noch mehr Käuflichkeit und Patentierung ganzer Sorten nutzen wird bis hin zur Patentierung auch nicht gen- manipulierter Wesen.

Durch die Patentierung genveränderter Pflanzen auf Grundlage des TRIPS-Abkommens der WTO wird eine Rechtsgrundlage für den Patentinhaber geschaffen, von Nutzern des patentierten Saatguts Lizenzgebühren zu verlangen. Diese werden nicht nur für den erstmaligen Erwerb, sondern auch,

oft in deutlich höheren Beträgen, für die Wiederaussaat aus der Ernte genveränderter Pflanzen verlangt. Dadurch werden Landwirte dazu gebracht, nicht mehr selbst nachzuzüchten und abhängig von Saatgutherstellern. Gleichzeitig hat die Hoffnung auf Durchsetzung höherer Preise über die Patentierung von Saatgut zu einer erheblichen Marktkonzentration geführt. Im Jahr 2001 beherrschten laut S. 9 der Studie “Verschobene Marktreife” des genethischen Netzwerks die 10 größten Saatgutfirmen 25% des konventionellen Weltsaatgutmarktes. Laut dem “Global Appeal”, einem gemeinsamen Aufruf aus dem Jahr 2007 von Umwelt- und Bauernverbänden gegen die Ausweitung der Patentierung auf konventionelles Saatgut ( www.nopatentsonseeds.org ), kontrollieren inzwischen nur zehn Firmen die Hälfte des internationalen Saatgutmarktes.

Da das Menschenrecht auf Nahrung, wie oben dargestellt, auch das Recht beinhaltet, sich Nahrung kaufen zu können, schützt es implizit damit auch das Recht, dass die Nahrungspreise bezahlbar bleiben müssen. Damit hat es eine zusätzlich zum Kartellrecht der EU und der Bundesrepublik

Deutschland hinzutretende Schutzfunktion und kann als Rechtsgrundlage dienen zur Begrenzung der Lebensmittelpreise oder zur Entflechtung für den Fall, dass der Wettbewerb durch Markt- oder Patentkonzentration so eingeschränkt ist, dass bezahlbare Lebensmittelpreise durch den Wettbewerb

nicht mehr gesichert wären.

Soweit es um die Reichweite von Patenten auf Leben geht, reichen die Vorschriften zum Schutz des Wettbewerbs in der EU und Deutschlands und die Kompetenzen von deren Kartellämtern nicht aus, um den Zugang zu ausreichender Menge an bezahlbarer Nahrung zu sichern, ist das Menschenrecht auf Nahrung insoweit unersetzlich. Denn bereits mit einigen weitreichenden, strategischen Patenten auf Grundnahrungsmittel lassen sich auch ohne in prozentualen Marktanteilen am gesamten Nahrungs- oder Saatgutmarkt messbare Marktmacht Monopolpreise erzielen. Die Kartellämter können einschreiten mit Maßnahmen wie Preisbegrenzungen bei entsprechenden Marktanteilen, wären aber relativ machtlos, wenn einzelne weitreichende Patente von Einzelpersonen oder kleineren Firmen gehalten bzw. zu diesen ausgelagert würden. Alarmierend ist in diesem Zusammenhang eine Tendenz zu Patentanmeldungen nicht nur für genveränderte Pflanzen, bei welchen ja die Veränderung vielleicht noch eine Erfindung darstellen mag, sondern auch für konventionelle Sorten und Züch-tungsmethoden. Der “Global Appeal” drückt seine besondere Besorgnis bzgl. einer weitreichenden Patentanmeldung von Syngenta auf weite Teile des Reisgenoms und dessen Verwendung für die Zucht nicht nur von Reis, sondern auch von genetisch verwandten Arten wie Mais oder Weizen, sowie bzgl. einer Patentanmeldung von Monsanto auf Methoden der konventionellen Schweine-zucht, aus. Bei Vergabe solch weitreichender Patente würde selbst eine Entflechtung von Gentech-nikkonzernen nicht genügen, um bezahlbare Lebensmittelpreise zu sichern.

In seinem Bericht vom 07.02.2001 (Az. E/CN.4/2001/53) nennt Prof. Jean Ziegler, der damalige UNO-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Nahrung, in Tz. 69c an dritter Stelle «Developments in biotechnology and their impact on access to food and its availability and security » (Entwicklungen in der Biotechnologie und ihre Auswirkungen auf die Nahrung sowie deren Verfügbarkeit und Sicherheit) als eines der sieben Haupthindernisse für die Verwirklichung des Menschenrechts auf Nahrung; die anderen Haupthindernisse seien Probleme bzgl. Entwicklungen des Welthandels, Auswirkungen des Auslandsschuldendienstes, Kriege, Korruption, Zugang zu Land und Kredit und die Diskriminierung von Frauen. In Tz. 73 des gleichen Berichts äußert er zur Gentechnik in der Landwirtschaft Bedenken bzgl. Gesundheitsrisiken und Preisentwicklung.

In Tz. 29 seiner Stellungnahme vom 19.05.2008 (Az. E/C.12/IND/CO/5) zum aktuellen Staatenbericht Indiens bzgl. des UNO-Sozialpaktes äußert sich der Menschenrechtsfachausschuss der UNO für den Sozialapakt zutiefst besorgt über die hohe Zahl der Bauernselbstmorde in Indien und sieht als Ursachen extreme Armut durch Mangel an Land, Kredit und ländlicher Infrastruktur; die Situation sei verschärft worden durch die Einführung genveränderten Saatguts und die dadurch erhöhten Kosten für Saatgut, Dünger und Pestizide vor allem im indischen Baumwollanbau.

Dass die EU-Kommission das Ungleichgewichtsverfahren, als dessen intergouvernementale Grundlage Art. 9 Fiskalpakt vorgesehen ist, auch für noch mehr Patente auf Leben nutzen würde, zeigt sich auch an der Überhöhung der Wettbewerbsfähigkeit, also der Stärkung der Großunternehmen in Europa für den internationalen Wettbewerb auf Kosten der im EU-Primärrecht ebenso, wenn auch mit etwas weniger Gewicht als die Wettbewerbsfähigkeit, verankerte Soziale Marktwirtschaft, die auf die Stärkung des Wettbewerbs und damit auf die Verringerung der Wettbewerbsfähigkeit der Großunternehmen gerichtet ist (siehe Abschnitt V.10 dieser Verfassungsbeschwerden). Das würde im Bereich der Gentechnik auf die Ausbeutung der Landwirte im Dienste der Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Gentechnikkonzerne hinauslaufen.

Der Wirtschaftswissenschaftler Walter Eucken, einer der prominentesten Wissenschaflter der Sozialen Marktwirtschaft, stellt in Tz. 3 bis 7 des Abschnitts “III. Offene Märkte” seines Werks “Grundsätze der Wirtschaftspolitik” (S. 267-270) dar, dass es bereits in seiner Zeit vor allem sehr weitreichende Patente gewesen sind, welche erst einen Konzentrationsschub und die Erhebung von Monopolpreisen in Gang gesetzt haben.

Zum Menschenrecht auf Nahrung gehört gem. Art. 11 Abs. 2 lit. b UNO-Sozialpakt auch eine dem Bedarf entsprechende gerechte Verteilung. Das ist mit einer weiteren Ausweitung der Patentierung von Leben, für welche das Ungleichgewichtsverfahren und der für dieses intergouvernemental als Grundlage vorgesehene Art. 9 Fiskalpakt unvereinbar.

Das Menschenrecht auf Nahrung und dessen Rang (Art. 28 AEMR) ist durch die Existenz von Lebensmittelzulassungsbehörden auch für deren Zuständigeitsbereich in keiner Weise entbehrlich. Es ist vielmehr eine unentbehrliche Rechtsgrundlage zur Durchsetzung, dass diese exekutiven Kontrollinstanzen ihre Aufgaben im gesetzlich vorgeschriebenen und in dem zur Verwirklichung des Menschenrechts auf Nahrung erforderlichen Umfang ausführen. Der Vortrag von Werner Müller zur EFSA “Heimspiel für die Industrie” und der arte-Film “Le Monde celon Monsanto” belegen, dass ernst zu nehmende Wissenschaftler und Journalisten erhebliche Zweifel daran haben, ob die europäische Zulassungsbehörde EFSA und die US-Zulassungsbehörde FDA in ausreichendem Maße kontrollieren. Ziel dieser Verfassungsbeschwerden ist insoweit nicht, zu belegen, ob EFSA oder FDA in ausreichendem Maße die Zulassungsprüfungen durchführen, sondern dass auch die Existenz von Zulassungsbehörden in keiner Weise die Bedeutung des Menschenrechts auf Nahrung relativieren kann. Das gilt in besonderem Maße angesichts der von Dr. Jörg Bergstedt entdeckten Indizien da- für, dass es bereits heute in deutschen Gentechnikzulassungsbehörden Personen mit Interessenkonflikten gibt (siehe Abschnitt VIII.8 dieser Verfassungsbeschwerden), und dass das Ungleichgewichtsverfahren, welches man auf Art. 9 Fiskalpakt stützen will, die Ermöglichung der beliebigen Exportierbarmachung bisher nicht handelbarer Güter, also auch von Behörden, will.

Auf Grund der sozialen Fortschrittsklausel (Art. 2 Abs. 1 UNO-Sozialpakt) sind alle Rückschritte bei der Verwirklichung der universellen sozialen Menschenrechte grundsätzlich rechtswidrig, es sei denn, dass die Gesamtmenge der dem Staat insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel nicht aus-reicht, um das jeweilige soziale Menschenrecht zu erfüllen, wofür der Staat die Beweislast trägt. Andere Gründe für Rückschritte bei der Erfüllung der sozialen Menschenrechte lässt der UNO-Sozialpakt nicht zu, auch nicht zu Gunsten (menschenrechtlich gesehen) freiwillig durch den Staat übernommener Lasten (wie bei der offenen und verdeckten Bankenrettung und bei Bürgschaften im Rahmen des Euro-Stabilisierungsmechanismus) auch keine Empfehlungen der EU-Kommission und auch keine Auflagen des IWF und der privaten Gläubiger. Außerdem schützt Art. 4 UNO-Sozialpakt den Wesensgehalt der Menschenrechte des Sozialpaktes und lässt Eingriffe in die Menschenrechte des Sozialpaktes nur zu, soweit dies dem allgemeinen Wohl in einer demokratischen Gesellschaft dient.

Die soziale Fortschrittsklausel (Art. 2 Abs. 1 UNO-Sozialpakt) und die Wesensgehaltsgarantie (Art. 4 UNO-Sozialpakt) gelten für alle Rechte aus dem Sozialpakt gleichermaßen, so auch für das Menschenrecht auf Nahrung (Art. 11 UNO-Sozialpakt).

Die universellen Menschenrechte, zu denen auch das Menschenrecht auf Nahrung gehört, stehen vom Rang, als Teil des „ius cogens“ (Art. 53 WVRK, Art. 64 WVRK, Art. 28 AEMR, Art. 1 Nr. 3 UNO-Charta), unterhalb des nicht zur GASP gehörenden Teils des EU-Primärrechts (Rn. 240 des Lissabonurteils), aber über dem EU-Sekundärrecht, weil nur durch den Rang oberhalb des EU-Sekundärrechts der von Leitsatz 3 des Lissabonurteils geforderte hinreichende Raum zur Wahrung des „wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Raums der Eigenverantwortung“ zu wahren ist (siehe Abschnitte VII.1 und VII.6 dieser Verfassungsbeschwerden).

Hinzu kommt, dass die Satzung der EFSF und die Rahmenvereinbarung der EFSF intergouvernemental sind und nicht in einer der in Art. 288 AEUV normierten Formen des EU-Sekundärrechts. Damit darf diesen Vereinbarungen auch nur ein normaler völkerrechtlicher Rang beigemessen werden unterhalb des „ius cogens“ und unterhalb des EU-Sekundärrechts. Damit dürfen sämtliche intergouvernementale Vereinbarungen nur insoweit erfüllt werden, wie sie mit den zum „ius cogens“ gehörenden universellen Menschenrechten vereinbar sind.

Noch offensichtlicher stehen die universellen Menschenrechte als Teil des „ius cogens“ oberhalb

des IWF-Rechts, da IWF-Recht vom Rang ganz normales Völkerrecht ist. Auch Jörn Axel Kämmerer (Abschnitt IV.4.1 dieser Verfassungsbeschwerden) bestätigt den Vorrang der universellen Menschenrecht vor internationalen Kreditvereinbarungen, sowie Prof. Dr. Jean Ziegler (Abschnitt VII.6 dieser Verfassungsbeschwerden) den Vorrang der universellen Menschenrechte vor internationalen Handelsvereinbarungen und vor internationalen Kreditvereinbarungen (also vor allem auch vor dem WTO-Recht, dem Weltbank-Recht und dem IWF-Recht).

Der Ranganspruch der universellen Menschenrechte und somit auch des Menschenrechts auf Nahrung wird nun von mehreren Seiten angegriffen. Art. 136 Abs. 3 S. 1 AEUV würde eine Blankett-Ermächtigung erteilen für beliebig viele „Stabilitätsmechanismen“ im Namen der „Stabilität des Euro-Währungsgebiets als Ganzes“. Das bezieht sich auf Mechanismen auf EU-sekundärrechtlicher bzw. intergouvernementaler Ebene. Und für alle Finanzhilfen im Rahmen solcher Mechanismen würde Art. 136 Abs. 3 S. 2 AEUV als Mussvorschrift festlegen, dass diese mit IWF-typisch strengen (siehe dazu auch Schlussfolgerungen des Ecofin-Rats vom 10.05.2010, Erklärung der Eurogruppe vom 28.11.2010 und Nr. 17 der Stellungnahme zum Euro-Gipfel vom 26.10.2011 (Abschnitt III.23 dieser Verfassungsbeschwerden)) Auflagen zu verbinden wären, also mit Auflagen, welche alle Menschenrechte der Einwohner der Schuldnerstaaten ignorieren.

Zusätzlich zu Art. 136 Abs. 3 AEUV ist nun stattdessen vorgesehen, ESM und Fiskalpakt intergouvernemental zu installieren und diese danach dann zu EU-Primärrecht zu machen (Vor- und Nachwort des Euro-Gipfels vom 09.12.2011, Erwägungsgrund 7 Fiskalpakt), bzw. ersatzweise den ESM in die Supranationalität hineinwachsen zu lassen (Art. 36 ESM-Vertrag).

Da der nicht zur GASP gehörende Teil des EU-Primärrechts unstreitig oberhalb der universellen Menschenrechte steht, würden für alle Staaten der Eurozone, da sie nach und nach alle in ESM (incl. Staateninsolvenzverfahren), Defizitverfahren und Ungleichgewichtsverfahren gezwungen würden, die universellen Menschenrechte, und so auch das Recht auf Nahrung, weitestgehend ausgehebelt.

Darüber hinaus birgt schon die Transportierung IWF-typisch strenger Auflagen mit EU-sekundärrechtlichem Rang die akute Gefahr der Aushebelung aller universellen Menschenrechte, da der Rang des (nicht zur GASP gehörenden Teils des) EU-Sekundärrechts oberhalb des IWF-Rechts offensichtlich ist (Art. 1 EUV, Art. 51 EUV, Erklärung 17 zu den Verträgen der EU), und der Vor- rang der universellen Menschenrechte vor dem EU-Sekundärrecht zwar aus Leitsatz 3 des Lissabonurteils zu folgern ist, aber noch nicht explizit vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden ist (siehe Abschnitte VII.1 und VII.6 dieser Verfassungsbeschwerden).

Das ESMFinG ist unvereinbar mit Art. 11 UNO-Sozialpakt, weil das menschenrechtlich zulässige Maß an Bankenrettung schon mit Soffin 1, Griechenlandhilfe und EFSF mit Stand vom 07.09.2011 ausgeschöpft gewesen ist, und die Mittel für den ESM für die Sicherung der Nahrungsversorgung für alle dann fehlen. Und das Inkrafttreten des ESMFinG würde erst das Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes zum ESM und so auch des ESM ermöglichen, dessen zu prognostizierende Auflagen sich angesichts der iwf-artigen Strenge insbesondere auch gegen das Menschenrecht auf Nahrung richten würden.

Das Gesetz zur Änderung des BSchuWG ist unvereinbar mit Art. 11 UNO-Sozialpakt, weil es auf einfachgesetzlicher Ebene die Strukturen für Wiener Initiative und und Staateninsolvenzverfahren mit jeweils IWF-artiger Strenge schaffen würde. Und durch das Gesetz zur Änderung des BSchuWG könnten das auf die jeweiligen Staatsanleihen anwendbare Recht und der Gerichtsstand beliebig auf dem Globus verschoben werden in Länder, die nicht auf Art. 11 Sozialpakt verpflichtet sind.

Art. 16 EFSF-Rahmenvertrag ist unvereinbar mit Art. 10 Uno-Sozialpakt, weil er die Gerichtsbarkeit für Streitigkeiten zwischen den EFSF-Mitgliedsstaaten bzgl. der EFSF zum EUGH verschieben würde, und der EUGH als Organ der EU für die Anwendung der universellen Menschenrechte mangels Bindung der EU an die universellen Menschenrechte nicht befugt ist. Damit würden die universellen Menschenrechte als Prüfungsmaßstab für den EFSF-Rahmenvertrag ausgehebelt.

Art. 136 Abs. 3 AEUV schließlich würde blankettartig immer neue EU-sekundärrechtliche und intergouvernementale IWF-artig strenge Mechanismen ermöglichen.

Die Beschwerdeführerin wird durch das StabMechG würde durch die Verkündung und noch schwerer bei Inkrafttreten des ESMFinG, des Gesetzes zur Änderung des BSchuWG sowie der Zustimmungsgesetze zum Fiskalpakt, zu Art. 136 Abs. 3 AEUV und zum ESM-Vertrag selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihrem Menschenrecht auf Nahrung verletzt. Sie wäre als Nahrungsmittelverbraucherin selbst betroffen durch den im europäischen Finanzierungsmechanismus als IWF-typische Auflage zu erwartenden Ausverkauf der Nahrungsmittelnotreserven, durch die in sämtlichen Teilen der Neuregelung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes bußgeldbewehrten „Empfehlungen“ zur Marktöffnung für gesundheitsgefährdende, kulturell unzumutbare und durch die Patente auf Leben massiv verteuerte Nahrung. Und sie wäre betroffen durch die Aushebelung des Vorrangs der universellen Menschenrechte vor dem IWF-Recht sowie durch die Festlegung auf IWF-typisch strenge Auflagen und durch die Möglichkeit der EU-Kommission bzw. der Troika, jederzeit die Agrarsubventionen nach ihrem Gutdünken zu kürzen, und so jederzeit die allein eine vielfältige und gentechnikfreie Ernährung sichernde bäuerliche Landwirtschaft größtenteils zu vernichten.

Sie wäre bei Verkündung und noch schwerer bei Inkrafttreten des ESMFinG, des Gesetzes zur Änderung des BSchuWG sowie der Zustimmungsgesetze unmittelbar (ohne weiteren vorherigen Rechtsakt) und gegenwärtig (sofort bei Verkündung bzw. Inkrafttreten) betroffen, da bereits bei Verkündung und noch schwerer bei Inkrafttreten sich die Aushebelung ihres Menschenrechts auf Nahrung ereignen würde.

Denn durch die Überhöhung IWF-typischer (d. h. alle Menschenrechte der Einwohner der Schuldnerländer ignorierender) Auflagen in den Rang des EU-Sekundärrechts würde der Vorrang der zum “ius cogens” gehörenden universellen Menschenrechte vor dem IWF-Recht umgangen würde, und damit auch die Fähigkeit der Gerichte auf der nationalen Ebene in Deutschland zum Schutz ihrer universellen Menschenrechte vor den Kreditauflagen des IWF und vor iwf-typischen Auflagen entscheidend beeinträchtigt würde.

Die Transportierung von IWF-artigen Kreditauflagen mit EU-sekundärrechtlichem Rang würde den Rang der universellen Menschenrechte nur dann nicht unterlaufen, wenn durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts abgesichert festgestellt würde, dass die universellen Menschenrechte vom Rang über dem EU-Sekundärrecht stehen, und dass sämtliche auf Ermächtigungen des EU-Primärrechts beruhenden Auflagen nur so weit umgesetzt werden dürfen, wie es mit dem Wesensgehalt der universellen Menschenrechte vereinbar ist. Schließlich macht die Beschwerdeführerin den Rang der universellen Menschenrechte insbesondere auch geltend in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1+2 GG, Art. 25 GG und Art. 38 GG, darunter vor allem auch für den Erhalt der Möglichkeit der Bundestagsabgeordneten, diese Rechte zu schützen.

Die Feststellung des Vorrangs der universellen Menschenrechte vor dem IWF-Recht und des Verbots der Transportierung von IWF-Auflagen und IWF-typischen Auflagen mit EU-sekundärrechtlichem Rang ist auch bei vollständiger Untersagung von EFSF-Rahmenvertrag ESM-Vertrag und Fiskalpakt sowie der an diese anknüpfenden EU-Verordnungen (Abschnitte V.3 – V.7 und VI.2 dieser Verfassungsbeschwerden) und Einführung der in den Abschnitten III.8, III.10 und III.17 geltend gemachten Volksabstimmungen hier entscheidungsbedürftig, weil sonst das gleiche kurze Zeit später in neuem Gewand wieder zu erwarten wäre.

Auch durch die Verkündung im Bundesgesetzblatt des geänderten StabMechG ist die Beschwerdeführerin selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Denn §3 Abs. 2 Nr. 3 StabMechG ermächtigt den Bundestag, Änderungen des EFSF-Rahmenvertrags durch einfachen Beschluss zuzustimmen. Der geänderte EFSF-Rahmenvertrag enthält bereits so gut wie alle Grausamkeiten des ESM bis auf die Ermächtigung der privaten Gläubiger zu verbindlichen politischen Auflagen (im Rahmen von Wiener Initiative und Staateninsolvenzverfahren) und die rigorose Schuldentragfähigkeitsanalyse (siehe Abschnitte IV.3.2 und IV.6.2.5 dieser Verfassungsbeschwerden).

Die Beschwerdeführerin macht die Verletzung des Menschenrechts auf Nahrung auch in Verbindung mit dem grundrechtsgleichen Wahlrecht (Art. 38 GG) geltend, auch soweit es die Kompetenz der Bundestagsabgeordneten angeht, ihre Rechte zu schützen.

Fortsetzung: https://sites.google.com/site/euradevormwald/02-esm/066-gesundheit