040. IWF- Folgen, Tuberkulose, Portugal, Inflation, Rente, Kriminalität, Wolfgang Schäuble (CDU)

IV.5.8 IWF-Auflagen einer der Hauptgründe für Anstieg der Tuberkulose und weiterer Krankheiten

Laut einem Artikel von Dr. F. William Engdahl, der Mitglied beim Globalisierungsforschungsnetzwerk „Global Research“ ist, vom 27.11.2009 gehören zu den neuesten Auflagen des IWF gegenüber der Ukraine drastische Kürzungen im Gesundheitswesen, darunter die Schließung von Krankenhäusern und Entlassungen im Gesundheitswesen. Das Verhalten des IWF gegenüber der Ukraine ist ein Beweis, dass er auch nach Beginn der Wirtschafskrise immer noch genauso menschenrechtsfeindlich handelt, und dass Verfassungsgerichtsurteile das einzige effektive rechtsstaatliche Mittel sind, dem die rechtlich normierten Grenzen zu setzen. Die Ukraine ist von der Wirtschaftskrise besonders betroffen, sowohl von einer Spekulationsblase als auch von starker Rezession.

In dem Zusammenhang berichtet Dr. Engdahl von einer Studie an der Universität Cambridge aus dem Jahr 2008, welche anhand von 21 mittel- und osteuropäischen Staaten statistisch bewiesen hat, dass die Staaten, welche IWF-Auflagen hatten, eine deutliche höhere Tuberkuloserate hatten als die Staaten ohne IWF-Auflagen.

Das Veröffentlichungsdatum 22.07.2008 der Studie zeigt, dass diese Zeiträume vor der gegenwärtigen Wirtschaftskrise beleuchtet hat.

www.prisonplanet.com/are-ukraine-black-death-cases-result-of-imf-loans.html

www.plosmedicine.org/article/info:doi/10.1371/journal.pmed.0050143

Der IWF wird laut Dr. Engdahl angesichts der bei ihm üblichen drastischen Kürzungen im Gesundheitswesen auch „infant mortality fund“ genannt.

Dr. Engdahl führt aus, dass insbesondere ein deutlicher Anstieg der Tuberkulosetoten ein Indiz für eine sich schnell verschlechternde medizinische Versorgung sei, denn TB sei eine schnell verlaufende Krankheit.

Der kanadische Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Michel Chossudovsky, ein Kollege Dr. Engdahls im Globalisierungsforschungsnetzwerk Global Resarch, nennt auf S. 62 und 63 seines Werks „The Globalization of Poverty and the New World Order“ den dramatischen Rückgang von gesund-heitlichen Kontroll- und Präventionsaktivitäten auf Grund von Kürzungsauflagen von IWF und Weltbank als Gründe für das Wiederauftreten von Cholera, Gelbfieber und Malaria südlich der Sahara und die Ausbreitung von Malaria und Dengue-Fieber in Lateinamerika sowie die Verschlechterung der Hygiene und der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen auf Grund von Kürzungsauflagen von IWF und Weltbank als Gründe für das Wiederauftreten in 1994 von Beulenpest und Lungenpest in Indien.

Prof. Dr. Chossudovskys Werk „„The Globalization of Poverty and the New World Order“ liefert weitere Zahlen zur Zerstörung des Gesundheitswesens durch IWF-Auflagen:

-- Die Gesundheitsausgaben in Somalia gingen von Beginn der IWF-Auflagen in den 1970er Jahren bis 1989 um 78% zurück (S. 97).

-- Die Malariafälle in Ruanda stiegen 1991 unter IWF-Auflagen um 21% (S. 108). In Ruanda erzwang die Weltbank Zuzahlungen der Patienten im Gesundheitswesen sowie Massenentlassungen im Gesundheitswesen (S. 111).

-- In Bangla Desh wurden pro Einwohner 1992 jährlich 1,50 $ für Gesundheit ausgegeben, davon 25,- Cent für Medikamente. Die Gläubiger erzwangen 1992 und 1993 weitere Kürzungen.

-- In Vietnam wurde die Einführung der Selbstzahlung für Gesundheitsleistungen auferlegt und gleichzeitig die Medikamentenpreise freigegeben (S. 185). Dadurch gingen die Medikamentenausga-ben von 1980 bis 1989 um 89% zurück und wurden 98,5% der vietnamesischen Pharmaindustrie zerstört. Zehntausende Beschäftigte im Gesundheitswesen incl. Ärzte wurden arbeitslos. Krankenhäuser wurden schlossen, weil zu wenige Patienten die Gesundheitsleistungen selbst bezahlen konnten. Um den Wiederaufbau des Gesundheitswesens zu unterbinden, wurden die Mittel für die medizinischen Fakultäten massiv beschnitten (S. 186). Laut WHO verdreifachte sich die Zahl der Malariatoten und traten in Vietnam längst besiegte Krankheiten wie Tuberkulose wieder auf (S. 186).

-In Brasilien wurden die Gesundheitausgaben 1993 um 50% gekürzt (S. 197).

-In Peru begünstigten die Einsparungen im Gesundheitswesen incl. Krankenhausschließungen, die Hyperinflation, die Unterernährung und die fehlenden Geldmittel zum Abkochen von Wasser seit August 1990 die Ausbreitung von Cholera (in 1991 mit 200.000 Erkrankten und 2.000 Toten in 6 Monaten) sowie die Wiederausbreitung u. a. von Malaria und Dengue-Fieber (S. 216).

-In Albanien (S. 291) begünstigten die erzwungenen Selbstzahlungen der Patienten und die Massenentlassungen im Gesundheitswesen den Ausbruch der Cholera (1995) und die Polio-Epidemie (1996).

Das Verhalten des IWF vor der Wirtschaftskrise und ohne Supranationalisierung seiner Auflagen gibt einen leichten Vorgeschmack darauf, wie sehr er erst mit dem von der Blankett-Ermächtigung Art. 136 Abs. 3 AEUV gewollten Machtzuwachs wüten würde – oder wie private Gläubiger es würden im Rahmen der Wiener Initiative und des Staateninsolvenzvefahrens des ESM, die sie ja auf die Auferlegung der Praxis des IWF entsprechender Auflagen gegenüber den Schuldnerstaaten verpflichten wollen.

IV.5.9 zu erwartende Auflagen gemessen an den Auflagen von IWF, EU-Kommission und EZB gegenüber Portugal

Das „Memorandum of Understanding (MoU) on Specific Policy Conditionality“ zu Portugal vom 03.05. 2011 findet sich unter dem Link:

www.anmp.pt/anmp/doc/Dsg/2011/Memorando-FMI_BCE_CE1230044.pdf

In der Vereinbarung über die Kreditauflagen gegenüber Portugal findet sich an mehreren Stellen die Rücksichtnahme auf verletzliche Bevölkerungsgruppen, vermutlich eine Reaktion auf die Berichte der unabhängigen Experten des Uno-Menschenrechtsrats zur Auswirkung der Finanzkrise auf die Menschenrechtslage und zur extremen Armut, Cephas Lumina und Magdalena Sepulveda (Abschnitte VII.7, IX.3, IX.8 und XI.14 dieser Verfassungsbeschwerden).

Diese Rücksichtnahme wird bekundet bei der Haushaltspolitik (Nr. 1), bei den Energiepreisen (Nr. 5.1.iii), beim Wohnungsmarkt (Nr. 6.1) und bzgl. der Einschränkung der einkommensteuerlichen Absetzbarkeit von Mietaufwendungen (Abschnitt 6.4); schließlich kann noch in der Beschränkung des Arbeitslosengeldes auf max. das 2,5-fache der Sozialhilfe als eine implizite Bestätigung der Beibehaltung der Sozialhilfe dem Grunde nach interpretiert werden (Nr. 4.1.ii). Die Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes auf max. 18 Monate (Nr. 4.1.i) erinnert an Hartz IV.

Bei den Rentenkürzungen in Portugal erkennt die Troika eine Mindestrente an (Nr. 1.11 und 1.12), offenbar aus Respekt vor den Verfassungsgerichtsurteilen aus Lettland und Rumänien, welche den von IWF und EU-Kommission verordneten Rentenkürzungen anhand von Grundrechten und Strukturprinzipien Grenzen gezogen bzw. diese sogar ganz untersagt haben (Abschnitt VII.4 dieser Verfassungsbeschwerden).

Die Einschnitte ins Gesundheitswesen hingegen sind wie gewohnt (Abschnitte IV.5.5 und IV.5.8 dieser Verfassungsbeschwerden) grausam. Laut Nr. 3.49 sollen die sozialen Ausnahmen von den Behandlungszuzahlungen verringert und die Zuzahlungen für bestimmte Leistungen erhöht werden, darunter vor allem für Notarztbehandlungen und Hausbesuche. Obwohl dadurch für die Zuzahlungen bzw. die Beitragszahlungen für private Zusatzversicherungen steigen, soll die steuerliche Absetzbarkeit für beides verringert werden (Nr. 3.50). Bis 2016 ist schrittweise die völlige Streichung der Arbeitgeberbeiträge für die Gesundheitsversorgung im öffentlichen Dienst incl. Polizei und Militär vorgesehen, erwirtschaftet durch entsprechende Leistungskürzungen (Nr. 3.51).

Zu Lasten der Arbeitnehmer sind eine Deckelung von Abfindungen (Nr. 4.4), die Lockerung des Kündigungsschutzes (Nr. 4.5), die Flexibilisierung der Arbeitszeit (Nr. 4.6.i), die Erleichterung von Kurzarbeit sowie der Abbau von Überstundenzuschlägen (Nr. 4.6.ii) vorgesehen.

Außerdem sind vorgesehen im Namen der Korrektur volkswirtschaftlicher Ungleichgewichte (zu dem Begriff siehe vor allem auch Abschnitte V.5 und V.5.7 dieser Verfassungsbeschwerden) ein Zu- stimmungsvorbehalt der Troika gegenüber jeder Erhöhung des Mindestlohns (Nr. 4.7.i), die Begrenzung der Reichweite der Tarifverträge (Nr. 4.7.ii), die Begrenzung der Gesamtlohnentwicklung (Nr. 4.7.iii), die Flexibilisierung der Arbeitszeit und -mobilität (Nr. 4.8).

Das zeigt, wohin der Zugriff der Kommission auf die gesamte Lohnpolitik in den Staaten der Eurozone gehen soll. Was gegenüber Portugal im Rahmen von EFSM und EFSF im Namen der Verringerung der wirtschaftlichen Ungleichgewichte erprobt wird, soll danach mit allen Staaten der Eurozone gemacht werden.

In Nr. 1.17 verlangt die Troika von Portugal, bei Investitionsprojekten soweit wie möglich auf Strukturmittel der EU zurückzugreifen. Ein auf den ersten Blick sozialer Zug, wenn man aber be- denkt, dass die Instrumentalisierung zumindest der in Erwägungsgrund 7 EU-Verordnung 2011/ 385 (COD) und in EU-Verordnung 2011/0276 (COD) genannten Fördermittel (incl. der Strukturmittel) zur Durchsetzung der Empfehlungen der EU-Wirtschaftsregierung bzw. auch der Auflagen des ESM geplant ist (Abschnitte III.14, VI.1, VI.2.1 und VI.3 dieser Verfassungsbeschwerden), dann geht es hier offenbar darum, die Auflagen im Rahmen von EFSM und EFSF dazu zu nutzen, Portugal bzgl. Infrastrukturprojekten von EU-Zahlungen abhängig zu machen, um dann alle sanktionsbewehrten Empfehlungen der EU-Wirtschaftsregierung noch leichter durchsetzen zu können.

Das MoU hat außerdem noch einen bitteren undemokratischen Beigeschmack.. Es ist von der Troika beschlossen worden zusammen mit einer kommisarischen Regierung. Die Auflagen wurden noch rechtzeitig vor den anstehenden Neuwahlen festgezurrt, um auch die folgende Regierung und das folgende Parlament noch schnell binden zu können.

IV.5.10 absichtliche Erzeugung und Verschärfung von Inflation zur Durchsetzung von „Reformen“

In seinem über die Weltbank veröffentlichten Papier „Deep Crises and Reform- What have we learned?“ aus September 2006 sprach sich Michael Bruno, der damalige Chefökonom der Weltbank für wirtschaftliche Entwicklung, für die Herbeiführung hoher Inflation für den Fall aus, dass mildere Mittel nicht genügen würden zur Durchsetzung von Reformen zur Liberalisierung.

Www.gsid.nagoya-u.ac.jp/sotsubo/DeepCrises_Bruno.pdf

Die Weltbank ist sozusagen die Schwesterorganisation des IWF mit dem Unterschied, dass sie ihre Kredite im Namen der Entwicklung und anders als der IWF weniger bei akuten Zahlungsschwierigkeiten von Staaten gibt und bei ihrem Auflagen einen stärkeren Fokus hat auf die Ausbeutung natürlicher Ressourcen.

Michael Bruno vertritt dort die Auffassung, dass Staaten, welche eine hohe Inflation (definiert als mindestens 2 Jahre lang mindestens 40% Inflation) durchlaufen haben, mehr Reformen zur Liberalisierung durchführen, und dass danach deren prozentualer Anstieg des BIP größer sei als bei Staaten ohne hohe Inflation. Im Abschnitt „Why Are Stabilizations Delayed?“ sagt er, es sei in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur modern geworden, Krisen könnten nützlich sein, um größere Reformen zu motivieren. Dazu zitiert er einen Albert Hirschmann (1987), in einigen Entwicklungsländern habe die Inflation wie ein Äquivalent zum Krieg gewirkt bzgl. haushaltsmäßiger Anpassung, was sonst nur durch eine schwere Krise oder einen Notstand zu bewirken sei. Im gleichen Abschnitt stellt Bruno jedoch auch fest, die Hypothese von der nützlichen Krise sei noch nicht hinreichend genug empirisch getestet. Bruno verwendet in seinem Text den Begriff „Stabilisierung“ doppeldeutig, einmal für die Umsetzung der vom Kreditgeber verlangten Reformen (S. 4) zur Liberalisierung und einmal zur Verringerung der Inflation (S. 8) und zum Wiederanstieg des BIP nach Durchsetzung der erzwungenen volkswirtschaftlichen Änderungen. Das Hauptinstrument zur Stabilisierung seien Sparmaßnahmen im Staatshaushalt (S. 18). Zum Zeitpunkt, wann bei Inflationskrisen erfahrungsgemäß die Auflagen erfüllt werden, sagt er:

„Stabilization is introduced when the costs of living with inflation become unbearable.“

Auf S. 5 sagt er, hohe Inflation könne schnelle Reformen erzwingen trotz unterschiedlicher Auffassungen im Parlament. Bruno empfiehlt die Abschaffung von Lohnindexierungen (automatische Anpassung der Lohnhöhe entsprechend der Inflation, gibt es heute z. B. in Luxemburg, und will die EU-Kommission im Namen der Wettbewerbsfähigkeit über die Ungleichgewichtsverfahren schleifen, siehe Abschnitt VI.1. dieser Verfassungsbeschwerden) und über die Freigabe der Wechselkurse.

Eine Währung mit hoher Inflation stürzt bei freien Wechselkursen in der Regel wechselkursmäßig ab, weil versucht wird, sich möglichst schnell von den immer wertloser werdenden Guthaben zu trennen.

Die von Bruno befürworteten Reformen betreffen Handelsliberalisierung (S. 5+8), Privatisierung (S. 13) und Rentenreformen (S. 13). Auf S. 8 sagt er, dass laut einer Studie von Sachs und Warner in den 1980er Jahren von 59 untersuchten Ländern mit vorher eher geschlossenen Märkten durch eine Krise viele ihre Märkte dann öffneten. Auf S. 18 erläutert Bruno, Liberalisierung bedeute wirtschaftliche Offenheit, und am wichtigsten sei Handelsliberalisierung.

Bruno kritisiert auch die Entwicklungshilfe, weil diese den Druck auf die Staaten lindere und es erschwere, Reformen durchzusetzen. Die Lösung sieht er darin, auch Entwicklungshilfe an Bedingungen zu knüpfen; genau das macht gerade auch die Weltbank mit ihrem Entwicklungshilfekrediten.

Bruno betont die Bedeutung des Timings für die Durchsetzung der gewünschten Reformen nicht nur bzgl. der Durchsetzung der Liberalisierung während der Inflationskrise, sondern auch, dass erst Auflagen erfüllt werden müssten, bevor ein Land jeweils die nächste Kreditrate bekommen dürfe (S. 24). Er empfiehlt dort außerdem, dass auch andere Kreditgeber Staaten Geld nur noch unter der Auflage machen sollten, dass sie die ihre noch offenen Auflagen gegenüber IWF und Weltbank erfüllen („Cross-Conditionality“). Auch das ist heute schon Realität.

Noch mehr gegen Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sind nur noch die „Wiener Initiative“ (Abschnitte IV.6.2.4 + IV.6.2.5), wo der IWF Staaten Auflagen macht, welche die größeren privaten Gläubiger zufrieden stellen sollen, damit diese ihre Darlehen gegenüber den Staaten nicht kündigen und schließlich das Staateninsolvenzverfahren des ESM, wo direkt die privaten Gläubiger die Auflagen machen sollen.

Auf S. 26 warnt Bruno, hohe Inflation berge das Risiko, eine solche Unzufriedenheit zu schaffen, dass dadurch Diktatoren an die Macht kommen könnten. Aber die Chance, mit Hilfe von Inflationskrisen seine Liberalisierungsziele durchzusetzen, ist Bruno das Risiko von Diktaturen ausdrücklich wert, soweit sich keine milderen Mittel als die hohe Inflation zur Durchsetzung finden.

Das StabMechG und die Zustimmungsgesetze zum Fiskalpakt und zum ESM sowie die an diese anknüpfenden EU-Verordnungen (Abschnitte V.3 bis V.7 und VI.2 dieser Verfassungsbeschwerden) sind auch deshalb vollständig als verfassungswidrig zu untersagen, angesichts der unzumutbar hohen Wahrscheinlichkeit, dass darauf auch Auflagen und sanktionsbewehrte Empfehlungen gestützt würden zur Verschärfung der Krise mit dem Ziel, dann noch mehr Auflagen durchsetzen zu können. Und die Tradition des Missbrauchs, der Verschärfung bis hin zur absichtlichen Schaffung von Krisen zur Durchsetzung anderer politischer Ziele zeigt darüber hinaus die Notwendigkeit der in diesen Verfassungsbeschwerden geltend gemachten Volksabstimmungen sowie der Bestätigung des Rangs und der unmittelbaren Anwendungsverpflichtung bzgl. der universellen Menschenrechte, weil nur so der Schutz der Bevölkerung vor immer neuen Vorwänden zur Durchsetzung solcher Ziele gewahrt werden kann.

IV.5.11 Nutzung der Krise für andere politische Zwecke auch durch Dr. Wolfgang Schäuble

Das Interview der Zeitung „Die Welt“ vom 21.08.2011 mit dem deutschen Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble zeigt, dass die mit den hier vorliegenden Verfassungsbeschwerden angefochtenen Gesetze von der deutschen Bundesregierung auch zur Durchsetzung anderer politischer Ziele benutzt werden.

www.welt.de/politik/deutschland/article13556026/Einschraenkung-nationaler-Souveraenitaet-ist-notwendig.html?print=true#reqdrucken

So sagt er unmissverständlich:

„Dennoch: Krisen bringen die Chance mit sich, Dinge wieder schärfer ins Bewusstsein zu bringen, scheinbar Selbstverständliches zu hinterfragen und deshalb auch Entscheidungen zu beschleunigen.“

Darin steckt das Eingeständnis, dass es nicht allein um die Bewältigung der Finanzkrise oder die Bewahrung des Euro geht, sondern auch um weitere politische Ziele, welche ohne ein bedrohlich wirkendes Krisenszenario nur schwer eine Mehrheit im Bundestag finden würden. Zur Ermittlung, welche Ziele dies sind, dürfte eine Aussage des Bundesfinanzministers in der mündlichen Verhandlung zielführend sein.

Gleichzeitig möchte die Beschwerdeführerin betonen, dass von der inneren Einstellung her immer noch ein deutlicher Unterschied liegt zwischen der Instrumentalisierung einer bereits vorhandenen Krise und der absichtlichen Auslösung zusätzlicher Krisen (vgl. Abschnitt IV.5.10 dieser Verfassungsbeschwerden).

Das Interview gibt einen Hinweis auf ein drastisches Ziel, für welches man die Finanzkrise instrumentalisieren will:

„Wir hatten die Hoffnung – und haben sie auch heute noch – dass der Euro schrittweise die politische Union herbeiführen wird. Dass es aber noch nicht so weit ist, ist einer der Gründe für das Misstrauen der Märkte.“

Mit „politischer Union“ ist nach Überzeugung der Beschwerdeführerin ein Ausmaß an Machtübertragung auf die EU gemeint, welches mit Art. 38 GG unvereinbar ist, weil es die Reichweite der Bundestagswahl entleeren würde. Erhellend ist die Verwendung des Begriffs der „Märkte“.

Während es bei der Griechenlandhilfe und beim EFSF noch angeblich darum ging, die Liquidität von Staaten der Eurozone zu bewahren, wurde nun sichtbar, dass „Märkte“ eine Metapher ist für Interessengruppen, welche wirtschaftlichen Druck auf Staaten ausüben, um drastische Machtverschiebung weg von den Völkern und den nationalen Parlamenten zu erzwingen.

Die Beschwerdeführerin möchte hiermit anregen, den Bundesfinanzminister im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch danach zu befragen, wen konkret er mit der Metapher „Märkte“ meint, und wie genau die Staaten von denen unter Druck gesetzt werden – auch damit er durch den Schutz der Öffentlichkeit diese Kräfte beim Namen nennen kann.

Auch der Artikel der New York Times vom 18.11.2011 „Seeing in Crisis the Last Chance to Unite Europe“ belegt, dass der deutsche Bundesfinanzminister die Finanzkrise zur Durchsetzung anderer Ziele innerhalb des EU-rechtlichen Raums benutzen will. So heißt es am Ende des Artikels:

„He sees the turmoil as not an obstacle but a necessity. 'We can only achieve a political union, if we have a crisis', Mr. Schäuble said.“

www.nytimes.com/2011/11/19/world/europe/for-wolfgang-schauble-seeing-opportunity-in-europes-crisis.html?_r=2&pagewanted=print

Dass es ihm dabei nicht darum geht, die EU so demokratisch und rechtsstaatlich zu machen, wie dies der Staatsauftrag europäische Integration (Art. 23 GG) verlangt, beweist sein Vortrag auf dem „European Banking Congress“ 2011 in Frankfurt / Main, wo er das Ziel genannt hat, „in der Europäischen Einigung eine neue Form von Governance zu schaffen, wo es eben nicht eine Ebene, die für alles zuständig ist, und die dann durch völkerrechtliche Verträge bestimmte Dinge auf andere überträgt“, geben soll (ab Zeitpunkt 09:12 in der mittellangen Fassung des Berichts von IK News zum European Banking Congress 2011).

www.youtube.com/user/NWOCheffe#p/u/1/1gfJ8IEJ7Gk

IV.5.12 was die Strukturanpassungsprogramme des IWF bewirken sollen

Das Werk „Globalization of Poverty and the New World Order“ von Prof. Dr. Michel Chossudovsky enthüllt die Ziele der Strukturanpassungsprogramme des IWF. Zu den Auflagen gehören vor allem auch üblicherweise Einsparungen, Währungsabwertung, Handelsliberalisierung und Privatisierung (S. 19).

Die Abwertung der Währung des Schuldnerlandes erfüllt mehrere Zwecke. Dadurch ist das Schuldnerland noch weniger in der Lage, seine auf härtere ausländische Währungen lautenden Schulden zurückzuzahlen und bleibt bis zu einem souveränen Staatsbankrott in dieser schwachen Position. Durch die Abwertung braucht es weniger Devisen, um in eigener Währung Staatshaushalt, Sozialsystem und Löhne bestreiten zu können. Das lässt mehr Spielraum für Preiswettbewerb auf dem Weltmarkt bzw. für die Bezahlung der Gläubiger.

Die Wettbewerbsvorteile werden aber wieder zunichte gemacht durch die Handelsliberalisierung per IWF-Auflage gerade auch in solchen Bereichen, in denen der jeweilige Staat nicht konkurrenzfähig ist, sodass der Schuldnerstaat für die Branchen, in denen er nicht mithalten kann, importabhängig wird. Da durch die Währungsabwertung die Importe teurer werden, machen die zusätzlichen Kosten der Importe auf Grund der wegbrechenden Branchen die Wettbewerbsvorteile durch die Abwertung mehr als wett. Die Sparauflagen des IWF richten sich gegen den ganzen öffentlichen Sektor, gegen Daseinsvorsorge ebenso wie gegen den hoheitlichen Bereich. Sparauflagen ebenso wie Privatisierungen haben in erster Linie den Zweck, dass mehr Geld für die Bedienung der Gläubiger bleibt. Dar- über hinaus erfüllen die Privatisierungen den Zweck, die Abhängigkeit der Staaten zu vergrößern, wenn sie diese Leistungen nicht mehr selbst erbringen können. Neben der Bedienung der Gläubiger dienen die IWF-Auflagen auch dem Zweck, Arbeitskraft und Rohstoffe billiger aus den Schuldnerländern herausholen zu können. Das sieht man daran, dass zu den häufigen IWF-Auflagen auch die Deregulierung des Arbeitsmarktes, d. h. vor allem die Schwächung des Kündigungsschutzes und die Senkung des Mindestlohns gehören, Auflagen, die sich nicht allein mit der Bezahlung der Staatsschulden erklären lassen.

Die Ausrichtung des IWF auf Gläubigerinteressen sieht man auch an daran, dass seine Kredite oft erst fließen, wenn der Schuldnerstaat zuvor seine Schulden bei seinen bisherigen Gläubigern beglichen hat, oder diese ihm Schulden erlassen im Gegenzug zur Erfüllung von politischen Auflagen. Die „Wiener Initiative“, also der Erlass von Schulden oder zumindest Schuldenerleichterungen durch große private Gläubiger gegen Erfüllung politischer Auflagen, ist ein paar Jahrzehnte älter als der Begriff „Wiener Initiative“ und Tradition beim IWF. Neu bei Art. 12 ESM-Vertrag ist die Verankerung der „Wiener Initiative“ in einem grundlegenden Vertrag zur Schaffung einer internationalen Organisation.

Außerdem zielen die Kreditauflagen von IWF und Weltbank darauf, die Marktanteile privater Großbanken und -konzerne zu steigern und alle Länder realwirtschaftlich von diesen abhängig zu machen. Dazu werden gezielt nicht nur staatliche Unternehmen incl. Daseinsvorsorge und selbst Behörden ruiniert, privatisiert oder geschlossen, sondern selbst durch Gesetzesänderungen die kleinunternehmerische Strukturierung von Branchen beendet, wo dies die Handelsliberalisierung allein nicht zu leisten verwag.

In Indien z. B. wurden bevorzugte Kredite für Kleinbetriebe auf Anordnung des IWF abgeschafft (S. 151, „The Globaliziation of Poverty and the New World Order“, Prof. Dr. Michel Chossudovsky).

In Bangla Desh wurde als IWF-Auflage 1/3 der privatwirtschaftlich erfolgreichen Jute-Industrie geschlossen (S. 162).

In Thailand wurden während der Asienkrise auf Grund von IWF-Auflagen 56 gar nicht insolvente Banken zwangsweise geschlossen (S. 322).

In Vietnam wurde vom IWF eine Umstrukturierung des Finanzsektors erzwungen, welche die Versorgung der vietnamesischen Produzenten mit bezahlbaren Krediten beendete (S. 171). Inländischen Firmen wurden 40% bis 50% Körperschaftsteuer auferlegt, ausländischen Konzernen und Joint Ventures oft gar keine (S. 172). Der vietnamesischen Notenbank wurde die Kreditversorgung öffentlicher und privater vietnamesischer Unternehmen durch den IWF verboten (S. 174).

In Jugoslawien erzwangen IWF und Weltbank 1989 und 1990 die Einfrierung jeglicher staatlicher Kredite gegenüber der Industrie sowie ein besonders strenges Insolvenzgesetz. Durch die Kombnation der erzwungenen Kreditklemme und der strengen Insolvenzkriterien konnten sie so die Ruinierung von erst 248 und dann noch einmal 889 Betrieben bis September 1990 erreichen, wo die Weltbank die Unterwerfung von noch einmal 2.435 der verbliebenen 7.531 Staatsbetriebe unter das strenge Insolvenzgesetz verlangte (S. 263 – 265). Insgesamt waren 1,9 Millionen der 2,7 Millionen jugoslawischen Industriearbeitsplätze betroffen.

In Albanien wiederholten IWF und Weltbank 1992 ihre bereits in Jugoslawien erprobte Kombination von erzwungener Kreditklemme gegenüber den Staatsbetrieben und einem strengen Insolvenzgesetz (S. 282-285).

In Indonesien betraute der IWF 1998 8 der weltgrößten Handelsbanken mit der Organisation des Ausverkaufs der indonesischen Staatsbetriebe ohne Ansehen der Frage, ob und welche von diesen durch Währungsspekulationen mit zur Asienkrise beigetragen hatten, welche Indonesien damals erst in die Fänge des IWF getrieben hatte (S. 324).

In Südkorea schuf der IWF durch seine Kontrolle über dessen Notenbank eine künstliche Kredit-klemme, um den Aufkauf der südkoreanischen Realwirtschaft zu erleichtern (S. 339, „The Globaliziation of Poverty and the New World Order“, Prof. Dr. Michel Chossudovsky“)

Außerdem erzwang der IWF die Schaffung eines Gesetzes, welches den Entzug der Banklizenz bedeutete gegenüber allen Banken, welche man als „in Schwierigkeiten“ betrachtete, und welche sich nicht innerhalb von 30 Tagen ihrer Umstrukturierung beugten (S. 339, „The Globaliziation of Poverty and the New World Order“, Prof. Dr. Michel Chossudovsky“).

Fünf der größten südkoreanischen Banken wurden verstaatlicht, nur um drei von ihnen danach unter Wert wieder zu verkaufen, im Falle der Korea Fist Bank sogar noch mit einer staatlichen Garantie wackeliger Kreditforderungen dieser Bank als Zugabe. So hat der Käufer die Erwerbe von 51% an dieser Bank dafür 500.000,- Won zum Erwerb der Anteile gezahlt, aber 17,3 Milliarden Won an Bail-Out-Zahlungen vom südkoreanischen Steuerzahler erhalten (S. 340+341, „The Globalization of Poverty and the New World Order“, Prof. Dr. Michel Chossudovsky“). Trotz ihrer räumlichen Nähe zum IWF-Sitz haben bei weitem nicht nur US-Großbanken einen guten Draht zum IWF. So wurde der Deutschen Bank das Management der Seoul Bank und der Commerzbank das Management der Korea Exchange Bank übertragen – das sind die zwei auf Steuerzahlerkosten verstaatlichten koreanischen Großbanken, welche nicht direkt wieder zum Schleuderpreis privatisiert worden waren.

Die EU setzt erst einmal auf die Aussetzung aller kleinunternehmrisch strukturierter Bereiche gegenüber dem Weltmarkt über Euro-Plus-Pakt und Ungleichgewichtsverfahren (siehe vor allem Abschnitte III.15, V.7, V10, V.11 und V.19 dieser Verfassungsbeschwerden). Der Rest würde dann über IWF-artig strenge Auflagen für Finanzhilfen besorgt.

Wie das Interview „Internationaler Währungsfonds (IWF) und Weltbank – zwei Instrumente zur Zerstörung von Nationen“ von Jared Israel mit Prof. Dr. Michel Chossudovsky zeigt, hat auch das Verbot des Bund-Länder-Finanzausgleichs durch den IWF System. Er tat es nicht nur in Äthiopien und Brasilien (Abschnitte IV.5.2 und III.12 dieser Verfassungsbeschwerden), sondern laut dem Interview auch in Indonesien, Jugoslawien, Sowjetunion und Somalia. In all diesen Ländern außer Brasilien förderte er damit massiv den Separatismus.

IV.5.13 der IWF und die Rente

Das brutalste Werkzeug zur Marginalisierung der Gesetzlichen Rentenversicherung ist die Einbeziehung der Sozialversicherung in die staatliche Insolvenzmasse im Rahmen der rigorosen Schuldentragfähigkeitsanalyse (Art.12 + Art. 13 ESM-Vertrag, Abschnitt IV.6.2 dieser Verfassungsbeschwerden). Wesentlich eher greift jedoch der finanzielle Druck zum Umstieg auf Mehrsäulensysteme in der Sozialversicherung im Rahmen der Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes (Abschnitte V.3, V.4, V.6 und V.15 dieser Verfassungsbeschwerden). Und wer in der Eurozone einen derart soliden Haushalt hat, dass man ihm auch damit nicht beikommen kann, der bekommt dann eben die Verpflichtung zur Privatisierung auch der Rentenversicherung im Rahmen des Ungleichgewichtsver-fahrens (Abschnitte V.5, V.7, V.11 und V.19 dieser Verfassungsbeschwerden) auferlegt.

Dieser Abschnitt zeigt, dass selbst für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht den ESM und das Six Pack stoppt, auch allein schon die blankettartigen Verpflichtung des Art. 136 Abs. 3 S. 2 AEUV auf eine iwf-artige Strenge die Marginalisierung der gesetzlichen Rentenversicherung impliziert. Die Erfahrungen mit dem IWF in Europa unter seinem Geschäftsführer Dominique Strauss- Kahn lassen die Frage, was iwf-typisch im Bereich der Rentenversicherung ist, in einem etwas zu milden Licht erscheinen. In Lettland waren die Renten durch die Auflagen der Troika noch linear um den gleichen Prozentsatz gekürzt worden, und erst das lettische Bundesverfassungsgericht hatte in 2009, auch unter dem Eindruck des Lissabonurteils, durchgesetzt, dass die Mindestrente unangetastet blieb; in Rumänien, wo die Renten noch deutlich niedriger als in Lettland sind, verbot das dortige Bundesverfassungsgericht in 2010 sogar jegliche von der Troika auferlegte Rentenkürzungen (Abschnitt VII.4 dieser Verfassungsbeschwerden). In Folge dieser Urteile respektierte der IWF dann bei den Kreditauflagen gegenüber Griechenland (Abschnitt IV.5.3 dieser Verfassungsbeschwerden) und Portugal (Abschnitt IV.5.9 dieser Verfassungsbeschwerden) den Erhalt einer Mindestrente zumindest Grunde nach bereits von sich aus. Dass der inzwischen aus dem Amt gedrängte Herr Strauss-Kahn Verfassungsgerichtsurteile respektiert, ist aber alles andere als typisch für den IWF, der durch ihn mit Signale setzenden Taten und noch weit mehr Versprechungen eingeleitete soziale Frühling des IWF ist längst wieder vorbei (Abschnitt IV.9 dieser Verfassungsbeschwerden).

Wesentlich IWF-typischer ist das Vorgehen gegenüber der Rentenversicherung in Brasilien. Dort hat der IWF sogar per Kreditauflage die Änderung der brasilianischen Verfassung erzwungen (Abschnitt III.12 dieser Verfassungsbeschwerden). Aus den Einsparungen durch das Auslaufen der gesetzlichen Rentenversicherung wurde nicht nur ein höherer Schuldendienst finanziert, sondern auch ein sozialer Notfallfonds, welcher vor allem den Massen der entlassenen Staatsdiener Entschädigungen zahlte und Hilfsprogramme von NGOs zum Überleben der Ärmsten in den Slums bezuschusst. Es geht dabei nicht darum, dass alle überleben, sondern dass genug Menschen zu essen haben, um auch ohne diktaturähnliche Gewalt einen Aufstand zu verhindern (S. 198-201, „The Globalization of Poverty and the New World Order“, Prof. Dr. Michel Chossudovsky). Dabei ist es IWF-typisch, die Forderung der Menschenrechtsinstitutionen der Uno nach Verschonung der verwundbaren Bevölkerungsgruppen nur rhetorisch aufzugreifen, da ja gerade nicht alle Rentner am Leben gehalten werden, sondern nur so viele, wie es braucht, damit diese keinen Aufstand machen. Dass Strauss-Kahn unter dem Eindruck von Verfassungsgerichtsurteilen anfing, die Verschonung der verwundbaren Bevölkerungsgruppen ernst zu nehmen (Abschnitt IV.9 dieser Verfassungsbeschwerden), ist die große Ausnahme, von der im Sozialpakt normierten Begründungspflicht für Rückschritte bei der Verwirklichung der sozialen universellen Menschenrechte im Vergleich mit der Gesamtmenge der dem Staat zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel (Abschnitte IX.9 bis IX.11 und XI.14 dieser Verfassungsbeschwerden) ganz zu schweigen.

Auch IWF-typisch sind die drastischen Rentenkürzungen in Russland in 1992, einem Jahr, in welchem sich die Preise durch die vom IWF erzwungenen Reformen verhundertfachten (S. 240+247, „The Globalization of Poverty and the New World Order“, Prof. Dr. Michel Chossudovsky).

Ebenfalls IWF-typisch sind die durch die von IWF und Weltbank erzwungenen Reformen auf zwischen 10,- $ und 34,- $ im Monat gesunkenen Renten in Albanien (S. 290).

IV.5.14 der IWF und die Kriminalität

Die Kreditauflagen des IWF haben in vielen Ländern die Abschaffung von Kapitalverkehrsbeschränkungen und -kontrollen im Rahmen der Deregulierung des Bankensektors durchgesetzt. Schmutziges Geld gelangt besonders gern bei der vom IWF auferlegten Privatisierung von Staatseigentum wieder in den legalen Wirtschaftskreislauf. Die Privatisierungserlöse dienen der vom IWF vor allem angestrebten Bedienung der Gläubiger, wobei der IWF sich nicht ernsthaft daran stört, inwieweit dabei Geld gewaschen wird (S. 56+57, „The Globaliziation of Poverty and the New Wolrld Order“, Prof. Dr. Michel Chossudovsky).

Durch die vom IWF erreichte Zerstörung der legalen kleinbäuerlichen Landwirtschaft in Peru (Abschnitt IV.5.2 dieser Verfassungsbeschwerden) blieb vielen Bauern für einen Neustart nur noch der Coca-Anbau (S. 221, „The Globaliziation of Poverty and the New Wolrld Order“, Prof. Dr. Michel Chossudovsky). Durch den IWF ist Peru zum weltgrößten Coca-Anbaugebiet mit 60% Weltmarktanteil geworden (S. 222). In 1991 hat Perus Zentralbank täglich schätzungsweise 8 Millionen $ auf dem informellen Markt erworben, wovon ein großer Teil für den Schuldendienst verwendet wurde; auf diese Weise wurden in gewaltigem Umfang Drogengelder über die peruanische Notenbank gewaschen (S. 223). Aus Steuermitteln kann das Geld zum Kauf der zu waschenden Drogendollars nicht gekommen sein, denn dann hätte man die Steuereinnahmen ja ganz normal zur Bedienung der Schulden verwenden können; also muss es geschöpft worden sein. So erhielten mit Hilfe der Geldschöpfung die Besitzer der Drogengelder frische Pesos und die Gläubiger Perus die Drogengelder. Da gleichzeitig der IWF auf eine ansonsten restriktive Geldpolitik achtete (S. 223) und grundsätzlich Leute von sich in den Zentralbanken plaziert (Abschnitt IV.11 dieser Verfassungsbeschwerden), dürfte die Instrumentalisierung der peruanischen Zentralbank zur Geldwäsche kaum ohne Billigung des IWF möglich gewesen sein.

Laut Prof. Dr. Chossudovsky ließ die Währungspolitik Boliviens die dortige Rolle privater Geschäftsbanken bei der Geldwäsche zu, was erleichtert wurde durch ein strenges Bankgeheimnis (S.232+233), aber scheinbar ohne direkte Involvierung der Notenbank, sondern wohl eher durch eine lasche Bankenaufsicht. Die Nutzbarmachung in größerem Stil für den Schuldendienst dürfte in der Weise erfolgt sein, das die betreffenden privaten Banken sich frisch von der bolivianischen Notenbank geschöpftes Geld zu niedrigen Zinsen geliehen und dieses zu hohen Gebühren gegen die Narcodollars getauscht haben. Da der IWF üblicherweise eigene Mitarbeiter in den Notenbanken der Schuldnerländer setzt, hätte er mit Sicherheit die Möglichkeit gehabt haben, das zu unterbinden.

Auch im Kosovo hat die Geldwäsche eine größere Rolle beim Schuldendienst gespielt (S. 273), wobei Prof. Dr. Chossudovsky leider nicht sagt, ob es eher das peruanische, das bolivianische oder ein eigenes Modell gewesen ist.

Albanien (S. 294) stand insoweit etwas besser da als der Kosovo, als außer der Drogengeldwäsche auch die vollkommen legalen Überweisungen albanischer Gastarbeiter aus dem Ausland an ihre durch IWF und Weltbank verarmten Verwandten eine wichtige Quelle für den Schuldendienst sind.

Die Privatisierung auf Geheiß des IWF erfolgte in Russland zu Buchwerten aus der Zeit vor der 1992er Inflation und ohne Berücksichtigung der Währungsabwertung (und eben nicht zu Verkehrs-werten in einer harten Währung), sodass man beispielsweise eine Raketenfabrik für 1 Million $ oder eine kleine Eigentumswohnung für ein Mindestgebot von 3 Rubel zu haben waren (S. 244+245, „The Globaliziation of Poverty and the New Wolrld Order“, Prof. Dr. Michel Chossudovsky).

Der Ausverkauf zu Buchwerten in der jeweiligen, zuvor künstlich vom IWF erzwungen abgewerteten, nationalen Währung des Schuldnerlandes, ist auch in Osteuropa, Jugoslawien, Kroatien, Slowenien und den übrigen Staaten der ehemaligen Sowjetunion die Regel gewesen (S. 263), eben-so in Albanien (S. 286).

Einen Insolvenzverwalter eines privatwirtschaftlichen Unternehmens würde man bei einer solchen Verschleuderung zu Lasten der Gläubiger einer straf- und haftungsrechtlichen Überprüfung aussetzen. Ganz zu schweigen davon, dass beim Ausverkauf eines Staates eben keiner mehr bleibt, der die Einwohner am Leben hält, anders als bei der Insolvenz eines Unternehmens.

Im Vergleich dazu erscheint die kreative Interpretation makroökonomischer Statistiken durch den IWF fast schon geringfügig. Er schätzte für den Verbraucherpreisanstieg 1992 in Russland nur eine Ver – 15,6 – Fachung statt der tatsächlichen Verhundertfachung (S. 240+241, „The Globaliziation of Poverty and the New Wolrld Order“, Prof. Dr. Michel Chossudovsky). Für eine genauere Betrachtung des Umgangs des IWF mit Statistiken von Trinidad und Tobago siehe Abschnitt IV.5.7 dieser Verfassungsbeschwerden.

Spätestens dieser Abschnitt dürfte beweisen, welche Risiken bereits die straf- und haftungsrechtliche Immunität der IWF-Mitarbeiter impliziert, und welch global zentrale Bedeutung und Anziehungskraft die noch größere Immunität und Intransparenz des ESM für die Organisierte Kriminalität entwickeln dürfte.

Fortsetzung: https://sites.google.com/site/euradevormwald/02-esm/041-insolvenz