012. II.3 Umfang der Verfassungsbeschwerden (incl. ultra-vires-Kontrolle)

II.3 Umfang der Verfassungsbeschwerden (incl. ultra-vires-Kontrolle)

Diese Verfassungsbeschwerden richten sich gegen die Zustimmungsgesetze zum Fiskalpakt, zu Art. 136 Abs. 3 AEUV und zum ESM, sowie gegen das ESMFinG, das Gesetz zur Änderung des BSchuWG und die aktuelle Fassung des StabMechG.

Sie richten sich nicht etwa dem Grunde nach dagegen, in finanzielle Not geratenen anderen Euro- Mitgliedsstaaten zu helfen. Sie wenden sich jedoch in vollem Umfang gegen den Fiskalpakt, gegen die Schaffung und Finanzierung des ESM und gegen die Umfunktionierung des BSchuWG sowie gegen die geänderte Fassung des StabMechG. Der Antrag, festzustellen, dass Deutschland verpflichtet ist, aus dem Euro auszusteigen, ist erforderlich, weil durch den Ausstieg aus dem Euro die Möglichkeit besteht, sich dem Ausverkauf von Sozialstaat und Behörden und der Unterwerfung unter die halb-diktatorische EU-Wirtschaftsregierung (Abschnitt V. dieser Verfassungsbeschwerden), zu entziehen.

Die Verfassungsbeschwerden gegen die Zustimmungsgesetze zum Fiskalpakt (Abschnitt V.1 dieser Verfassungsbeschwerden) und zu Art. 136 Abs. 3 AEUV (Abschnitt III.1 dieser Verfassungsbeschwerden) wenden sich formal gegen die Zustimmung zu diesem zum Fiskalpakt bzw. zu Art. 136 Abs. 3 AEUV, im Rah-men des Urteils über diese Verfassungsbeschwerde ist jedoch mit Wirkung für Deutschland auch zu entscheiden bzgl. der EU-Verordnungen, welche man nachweislich an den Fiskalpakt bzw. an Art. 136 Abs. 3 AEUV anknüpfen lassen will, und welche ohne diese ultra-vires sind (Abschnitt II.7 dieser Verfassungsbeschwerden), abgesehen davon, dass das Anknüpfen von EU-Sekundärrecht an intergouvernementale Verträge wie den Fiskalpakt rechtswidrig ist.

Daher ist im Rahmen der Verfassungsbeschwerden gegen die Zustimmungsgesetze zum Fiskalpakt und zu Art. 136 Abs. 3 AUEV insbesondere mit zu entscheiden über:

-- die Untersagung der Verschärfung des Stabilititäts- und Wachstumspaktes (mit der Folge insbeson-dere der Untersagung der Ausweitung der Sanktionierbarkeit, der umgekehrten Abstimmung und der Stimmrechtsaussetzung)

-- die Untersagung der EU-Verordnungen zum Ungleichgewichtsverfahren (Abschnitte V.5 und V.7 dieser Verfassungsbeschwerden) (mit der Folge, dass die gesamten darauf aufbauenden Eingriffe in Wirtschafts-, Finanz- und Lohnpolitik sowie Kommerzialisierungen von Behörden, Naturdienstleistungen und gemeinnützigem Bereich dann rückgängig gemacht werden müssen)

-- die Untersagung der EU-Verordnungen zur haushaltsmäßigen Überwachung (Abschnitt VI.2 dieser Verfassungsbeschwerden)

-- die Untersagung der Instrumentalisierung von EU-Fördermitteln durch die EU-Wirtschaftsregierung (Abschnitte VI.2.1 + VI.3 dieser Verfassungsbeschwerden)

Die EU-Verordnungen zur Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und zur Einführung des Ungleichgewichtsverfahrens sind bereits vor den Beschlüssen von Bundestag und Bundesrat über die Zustimmung zum Fiskalpakt und zu Art. 136 Abs. 3 AEUV ultra-vires-mäßig beschlossen worden. Darum ist im Rahmen der hier vorliegenden Verfassungsbeschwerden auch über die Untersagung dieser EU-Verordnungen für Deutschland zu entscheiden.

Soweit der Beschluss der in den Abschnitten VI.2 und VI.3 dieser Verfassungsbeschwerden erörterten EU-Verordnungen auf EU-Ebene zum Zeitpunkt der Einreichung dieser Verfassungsbeschwerden noch nicht abgeschlossen sein mag, und deshalb möglicherweise, analog zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rücksicht auf die Legislative in Deutschland deshalb, im Sinne der Rücksicht auf das Europaparlament, über eine Untersagung dieser EU-Verordnungen im Rahmen der hier vorliegenden Verfassungsbeschwerden nicht entschieden werden kann, so ist dem gleichwohl durch eine generelle Verurteilung Deutschlands, alle EU-Verordnungen jeweils einzeln einer Volksabstimmung zu unterwerfen (Abschnitt III.10.5. dieser Verfassungsbeschwerden), beizukommen.

Darüber hinaus ist im Rahmen der Verfassungsbeschwerde gegen das Zustimmungsgesetz zu Art. 136 Abs. 3 AEUV insbesondere auch zu entscheiden über:

-- die Umgehung der Grenzen von Art. 20 EUV und Art. 329 AEUV

-- die Untersagung der IWF-artigen Strenge

Im Rahmen der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden gegen das Zustimmungsgesetz zum ESM und gegen das StabMechG ist außerdem zu entscheiden über:

-- die Untersagung der Zustimmung zum EFSF-Rahmenvertrag bzw. der Ermächtigung im StabMechG dazu

-- die Untersagung der Instrumentalisierung von EU-Fördermitteln durch die Ausweitung des Instrumentariums der EFSF bzw. des ESM

-- die Rechtsfolgen der rechtsirrtümlichen Ratifikation des EFSF-Rahmenvertrags durch die dafür nicht zuständige Bundesregierung

-- die Verlagerung der für die EFSF bzw. für ESM und BSchuWG als Prüfungsmaßstab anzulegenden Rechtsordnung in andere Staaten

-- die Verlagerung der für die EFSF bzw. für ESM und BSchuWG zuständigen Gerichtsbarkeit in andere Staaten

Hinsichtlich der ultra-vires-Kontrolle gegenüber ultra-vires-Akten siehe vor allem Abschnitt II.7 dieser Verfassungsbeschwerden.

Von der Verfassungsbeschwerde gegen das StabMechG abgedeckt ist auch abgedeckt die Verpflichtung zur Rückgängigmachung eines Beschlusses gem. §3 Abs. 2 Nr. 3 StabMechG. Wenn die Verfassungswidrigkeit einer Ermächtigung, einer Änderung des EFSF-Rahmenvertrags per einfachem Beschluss zuzustimmen festgestellt wird, dann ist im Urteil über die Verfassungsbeschwerde gegen das StabMechG auch auf die Nichtigkeit bzw. Aufhebung solcher bis zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung dann ggfs. schon gefällter Beschlüsse zu erkennen.

Die hier eingereichte Verfassungsbeschwerde gegen die am 23.05.2012 verkündete zweite Änderungsfassung des StabMechG zusätzlich zu den bereits existierenden Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführerin vom 29.05.2010 gegen die ursprüngliche Fassung und vom 06.04.2012 gegen die erste Änderungsfassung des StabMechG hat formal vor allem die Bedeutung, sicherzustellen, dass die von der Beschwerdeführerin als verfassungswidrig gerügten materiell-rechtlichen Inhalte des StabMechG überprüft werden können, obwohl nach den bereits eingelegten Verfassungsbeschwerden das Gesetz geändert worden ist. Außerdem ist die hier vorliegende Verfassungsbeschwerde erforderlich, weil in der neuesten Fassung des StabMechG die Ermächtigung zur Zustimmung zur Ausweitung des EFSF-Instrumentariums durch einfachen Beschluss (§3 Abs. 2 Nr. 3 StabMechG) als weiterer verfassungswidriger Inhalt eingefügt worden ist.

Diese Verfassungsbeschwerden richten sich in keiner Weise gegen ein Steuergesetz oder gegen die Steuerbelastung als Ganzes. Das könnte auch gar nicht zulässig sein, weil dafür zuerst der gesamte Finanzrechtsweg ausgeschöpft werden müsste. Soweit in diesen Verfassungsbeschwerden die Rechtsauffassung vertreten wird, dass die hier angefochtenen Zustimmungsgesetze nicht von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) gedeckt sind, bezieht sich dies allein auf die staatliche Ausgabenseite, für welche einer Verfassungsbeschwerde kein anderer Rechtsweg für die Beschwerdeführerin vorgeschaltet ist.

Fortsetzung: https://sites.google.com/site/euradevormwald/02-esm/013-annahme