Download Was ist eigentlich Transkulturalität? - Friedrich-Schiller .PDF
5606948 Downloads
1.86 MB .pdf
Die Figur ist übrigens alt: Während christliche Missionare in Afrika und anderswo häufig dachten, sie hätten die einheimische Bevölkerung ‛bekehrt’, hatten sich manche der solcherart ‛Bekehrten’ die spirituellen Techniken des Christentums nur angeeignet, um sie in ihr heimisches Religionssystem zu integrieren (vgl. Und vollends sophistisch verfahren diejenigen, die allenthalben böse und unterdrückende Machtstrukturen aufspüren und dabei völlig übersehen, dass ihre eigene Machtanalyse selbst ein Akt von Diskursmacht ist – dass sie selbst, während sie sich für neutrale und gutmeinende Beobachter halten, de facto Machtagenten und Machtprofiteure sind. Universalistische Aspekte berücksichtige ich in "Über Besitz und Erwerb von Gemeinsamkeiten", in: Tradition und Traditionsbruch zwischen Skepsis und Dogmatik – Interkulturelle philosophische Perspektiven, hrsg. Transkulturalität Ich will nun einige Hauptaspekte dieses Konzepts umrisshaft darstellen. Sagt man uns (oder den Heranwachsenden) hingegen, dass Kultur gerade auch Fremdes einbeziehen und transkulturellen Komponenten gerecht werden müsse, dann werden wir oder sie diese Aufgabe in Angriff nehmen; und dann werden entsprechende Integrationsleistungen künftig zur realen Struktur der Kultur gehören. Prognostiziert hatten eine solche Entwicklung schon Scheler mit seiner Konzeption eines "Ausgleichs" zwischen den Kulturen (1927) und Jaspers mit seinem Gedanken einer "zweiten Achsenzeit" (1949). Wünschenswert ist nur, dass der Hauptakzent ein Standbein darstellt, das auch etliche Bewegungen des Spielbeins ermöglicht und zulässt, oder anders gesagt: dass dieser Haltepunkt nicht von einem Standbein zu einem Klumpfuß wird, der alle weiterreichenden Bewegungen verhindert. Um ein Beispiel zu geben: Diane Ravitch, eine amerikanische Kritikerin des Multikulturalismus, berichtet von einer schwarzen Läuferin, die in einem Interview sagte, ihr Vorbild sei Michail Baryschnikov; sie bewundere ihn, weil er ein großartiger Athlet sei. Aber er inspiriert sie durch die 12 Walt Whitman, Leaves of Grass ["Song of Myself", 1855] (New York: Penguin Books 1985), 84 [1314-1316]. Geschichtlich scheint sie eher die Regel gewesen zu sein. Über Wissenschaft, Forschung und Verantwortung, Frankfurt/Main 1992, 89) "Interdisziplinarität [. -5Ebenso ist in der ‛hohen’ Kultur die Mischung evident: Theaterpraktiken verbinden heute klassisch-europäisches Sprechtheater mit Kabuki und Ritualen der First Nation People. Üblicherweise werden die einzelnen akademischen Disziplinen ganz ähnlich aufgefasst wie die einzelnen Kulturen im alten Kugelmodell. Das nötigt, das Trennungsdenken hinter sich zu lassen und Übergänge und Verflechtungen zu thematisieren. Und der Hauptakzent (das Standbein) kann durchaus lokal oder regional oder national geprägt sein. Studies in the Social Organization of Meaning, New York: Columbia University Press 1992, 264 ff. ) Die kulturelle Evolution aber war mit einer gigantischen Produktion von Differenzen verbunden. 9, Bonn: Bouvier 2 1995), 145-170; Karl Jaspers, Vom Ursprung und Ziel der Geschichte (München: Piper 1949). 13 -7Art, wie er seinen Körper trainiert und eingesetzt hat. Claudia Bickmann, Hermann-Josef Scheidgen, Tobias Voßhenrich, Markus Wirtz (Amsterdam/New York: Rodopi 2006), 113-147