Macht Gottes ist Liebe

Mir ist egal, welche Marionette auf dem Thron von England sitzt und ein Imperium regiert, wo die Sonne nie untergeht. Der Mann, der die Geldmenge Britanniens kontrolliert, kontrolliert das Britische Imperium, und ich bin der Mann, der die Geldmenge Britanniens kontrolliert.

– Nathan Mayer Rothschild (1777-1836)

Gott-Welt-Dualismus

Gott und der „Gott der Welt“

Das Buch Krieg der Freimaurer ist eine ergiebige Quelle von Ausführungen zum Gnosis-Deismus-Weltbild. Diese Ausführungen stammen aus erster Hand, sind höchst brisant und aktuell und dazu — dank dieses Buches — leicht verfügbar. Deswegen stütze ich mich im folgenden auf die Aussagen dieses Hochgradfreimaurers. (Die Zahlen in den Klammern sind die Seitenzahlen in diesem Buch.39)

„Sie möchten wissen, was die mächtigsten Menschen der Welt denken, wie es ihnen gelang, die Welt in eine Neue Weltordnung zu führen, und welches Welt- und Gottesbild sie haben? Dann hören Sie mir gut zu! Es wird vieles dabei sein, das Ihnen nicht gefallen wird.“ (155)

Über viele Seiten hinweg beschreibt der Interviewgeber detailreich die verschiedenen Freimaurerlinien und Ritussysteme, wodurch klar wird, daß hier ein echter Insider spricht. Er betont die Wichtigkeit der „Toleranz“, denn diese sei erforderlich, wenn man in den späteren Einweihungsgraden mit Erkenntnissen konfrontiert werde, die nicht den herkömmlichen Ansichten entsprachen und daher Abwehrreaktionen auslösen könnten, wie zum Beispiel die Lehren im Zusammenhang mit Luzifer.

Er erklärt, daß mit den Einweihungen in die höheren und höchsten Grade nicht einfach neue Lehren indoktriniert werden, sondern daß Schritt für Schritt gewisse Bücher, Ritualinhalte und philosophische Hinweise hinzukommen, die helfen, selber zu den „höheren Wahrheiten“ zu gelangen. Dies sei auch der Grund, warum gewisse Freimaurer (er sagt: „die meisten“) gar nicht erkennen, worum es eigentlich gehe, und an einem gewissen Punkt sogar enttäuscht seien, weil sie keine spannenden Geheimnisse offenbart bekommen. Diese Männer seien einfach nicht über eine gewisse Grenze, die in ihnen selbst liege, hinausgekommen.

„Ganz platt gesagt ist es gut, wenn die Masse der Freimaurer genauso blöd ist wie die Masse der Menschen. Sie müssen blöd sein und müssen steuerbar sein, damit sie auch richtig benutzt werden können […] Das geht hervorragend über das Gradsystem.*1 So kann man feststellen, welches geistige Potential ein Bruder hat, um ihn richtig einsetzen zu können, denn die Freimaurerei wird international politisch eingesetzt — sehr wirkungsvoll —, weil Freimaurer—Mitglieder innerhalb ihrer Berufe immer führende Positionen inne haben und im Normalfall keine einfachen Arbeiter sind.“ (61)

Was er hier darlege, werde von den meisten Freimaurern bestritten und entspreche auch tatsächlich nicht ihrem Glauben. Dennoch sei es die innere und höchste „Wahrheit“, die von ernsthaft strebenden Männern in der Freimaurerei nach vielen Jahren und Einweihungen erkannt worden sei. Diese „Wahrheit“ hat mit nichts Geringerem zu tun als mit den Fragen, was Gott ist und wie unsere Welt funktioniert. Wer diese Fragen richtig beantworte, könne die Welt wie eine Maschine richtig bedienen und werde Erfolg haben und zu Macht gelangen.

Damit kommen wir wieder zur zweiten Templerfrage, der wir weiter vorne begegnet sind: Warum läßt Gott all die vielen Ungerechtigkeiten und Gewalttaten zu? Warum stoppt er die Missetäter nicht?

Die Antwort aus der Sicht von Gnosis und Deismus läßt sich wie folgt zusammenfassen: Es gibt einen höchsten Gott, aber dieser Gott ist absolut und nur geistig und kann deshalb in der Welt der Materie nicht eingreifen. Die Welt der Materie ist von diesem Gott getrennt. In der Welt der Materie herrscht ein anderer Gott, und das ist Luzifer. Luzifer ist letztlich keine Person, sondern ein Prinzip, nämlich das Prinzip des rein funktionalen Wirkens der Naturgesetze, das aus der Sicht der unerleuchteten Menschen als gnadenlos empfunden wird.

Dieses Wirken ist aber nicht „gnadenlos“ und „unbarmherzig“, was ja nur Wertungen aus der beschränkten menschlichen Sicht sind. Aus der Sicht des höchstgradigen „Realismus“ handelt es sich hier nur um das zwingende und notwendige („natürliche“) Wirken der Naturgesetze.

„Die Freimaurerei stellt nur eine Wahrheit zur Verfügung, nämlich DIE Wahrheit, daß man sich nämlich in einem Irrtum befindet in Bezug auf Gott; daß dieser Gott, den wir uns wünschen, nur ein Wunschbild ist. Der wirkliche, herrschende Gott — der Fürst der Welt, der eine Gottheit ist oder eine numinose Erscheinung, egal wie er auch bezeichnet wird —, er hat Macht über die Menschen…“ (94f.)

Ein Grundelement der klassischen Gnosis ist der Dualismus von Gott und Welt. Gott ist absolut, die Welt ist relativ, also ist die Welt außerhalb von Gott und Gott außerhalb der Welt. Das Spirituelle ist die göttliche Realität, das Materielle ist deshalb keine göttliche Realität, sondern die Schattenwelt des Antigottes.

Aus der Linie der Gnosis entstand der Deismus, ein Weltbild, das besagt, es gebe zwar einen höchsten Gott, dieser Gott sei aber „auf Ewigkeit unerkennbar“ (115), und er greife nicht in die Schöpfung ein, denn er sei ausschließlich absolut und abstrakt.

Mit anderen Worten: Man glaubt an einen Gott, der die Welt erschaffen hat, doch fiür das Leben der Menschen ist dieser Gott praktisch inexistent und irrelevant. Im Deismus glaubt man also nicht an ein absolutes Bewußtsein, sondern an einen theoretischen, potentiellen Gott, der identisch ist mit dem „sich selbst organisierenden Universum“.

Dieser Gott, in der Freimaurerei Supreme Being genannt, ist die Personifikation der hypothetischen Selbstorganisation der Materie. Das Supreme Being („Höchstes Sein“) ist also nichts anderes als eine abstrakte Einheit von Energie. Schopenhauer nannte diese Art von Weltbild einen „höflichen Atheismus“. Ich nenne es einen Atheismus für diejenigen, die sich nicht eingestehen wollen, daß sie Atheisten sind. Man will weiterhin den Begriff „Gott“ verwenden und an Gott glauben, aber dieser Gott ist nur ein neutrales Total von Energie — ohne Bewußtsein, ohne Willen, ohne Liebe.

Wenn wir an einen Gott mit Bewußtsein, Willen und Liebe glauben, so ist dies aus der Sicht des Hochgradfreimaurers (siehe obiges Zitat) nur ein „Wunschbild“, d.h. eine Illusion.

„Die Freimaurerei vertritt eine Wahrheit, auch wenn sie oft nicht willkommen oder schwer zu ertragen ist. Wahrheit ist manchmal gnadenlos! Der Mensch liebt seine Illusionen und ist nur ganz selten bereit, seine Träume und Wunschvorstellungen gegen eine bittere Wahrheit einzutauschen.“ (45)

Die gnadenlose, bittere Wahrheit ist die, daß es keinen liebenden Gott gibt, aber auch keinen strafenden. Die Welt funktioniert nach den inhärenten Gesetzen der Kausalität und Resonanz, und diese Funktionsweise ist unerbittlich und „mechanisch“. Die als absolut gesehene Funktionalität der materiellen Welt kann als „Luzifer“ oder „Baumeister der Welt“ personifiziert werden, so wie die Selbstorganisation der Materie, die diese Funktionalität hervorbringt, als „Gott“ oder „Supreme Being“ personifiziert werden kann.

Das luziferische Prinzip wird auch das „Lichtprinzip“ genannt (102), da Luzifer bekanntlich „Lichtbringer“ heißt. Aber mit dem Namen Luzifer ist nicht einfach das personifizierte Licht gemeint, das die Dunkelheit erhellt. Gemeint ist konkret jenes Wesen oder jenes Prinzip, das im christlichen Glauben als „Satan“ bezeichnet wird. Dies geht aus den Schriften von Blavatsky, Pike, Bailey usw. deutlich hervor. Auch der interviewte Freimaurer bestätigt, daß mit „Luzifer“ jener Archetyp gemeint ist, der sich gegen Gott auflehnt und sich eine eigene Welt erschaffen will. „In meiner persönlichen und nicht mehrheitsfähigen Meinung behaupte ich, daß Luzifer der erste Freimaurer war, weil er sich dem Diktat seines Erschaffers widersetzte. Ob dies gut oder schlecht war, sei dahingestellt. Jedenfalls hat es immer freiheitsliebende und selbständig denkende Menschen

gegeben, die sich in Gruppierungen versammelten“ (104). Auch hier stellt sich die Frage, was unter „Freiheit“, „Liebe“ und „selbständig denken“ verstanden wird.

Gott der Welt = Luzifer = Funktionalität der kosmischen Gesetze

„Der Winkel [das Winkelzeichen der Freimaurer] ist das Maß, ist das Recht, ist die Gerechtigkeit — und die Notwendigkeit. Die Gerechtigkeit, das Gesetz, ist völlig unbarmherzig, weil das Gesetz, also die Gerechtigkeit, nicht flexibel ist — sie ist nur gerecht, sie ist gesetzmäßig. […] Das Gesetz läuft einfach ab. Das ist der Winkel — das luziferische Prinzip.“ (138f.)

Die zwei Hauptzeichen des Freimaurertums sind der Winkel und der Zirkel. Der Winkel repräsentiert die materielle Realität, und diese ist rein funktional, gesetzmäßig und unbarmherzig. Im Deismus wird der „Gott der Welt“ mit der „Welt“ gleichgesetzt, was bedeutet, daß dieser „Gott“ (Luzifer) nur Gesetz und Gerechtigkeit ist und keine Barmherzigkeit beinhaltet.

„Barmherzigkeit“ würde bedeuten, daß „Gott“ (die Funktionalität der Gesetze) gegen sich selbst wirken würde und sich in gewissen Punkten selbst außer Kraft setzen würde — was nicht möglich ist. Gott/Luzifer ist nicht barmherzig, aber der Mensch kann barmherzig sein (dargestellt durch den Zirkel, der im Gegensatz zum Winkel „flexibel“ ist), was bedeutet:

Der Mensch ist selber Gott oder sogar mehr als Gott! Diese Lehre besagt folgendes: Der „Gott der Welt“ ist nur Gesetz und Funktionalität und hat keinen eigenen Willen, aber der Mensch hat einen Willen und kann — im Gegensatz zu „Gott“ — durch seinen Willen die Kausalität der Gesetze außer Kraft setzen, wenn er voll an die luziferische Doktrin glaubt und sich selbst oder anderen, insbesondere den eigenen „Brüdern“, gewisse Dinge verzeiht.

Grundlage dieses ich bezogenen („humanistischen“) Konzepts von Verzeihen und Karma—Auflösung ist die Ansicht des Deismus, alles, was geschehe, könne nur deshalb geschehen, weil es gesetzmäßig sei; denn wenn etwas nicht den Gesetzen entspräche, hätte es nicht geschehen können. Deshalb gibt es gemäß dem luziferischen Prinzip letztlich kein Unrecht und auch nichts Böses: „Unrecht ist im Grunde genommen nur ein subjektives Erlebnis. Objektiv gibt es das nicht. […] weil es das Gute und das Böse, die sich als zwei Prinzipien gegenüberstehen, gar nicht gibt.“ (88, 92)

Hier sehen wir, daß jeder Dualismus letztlich einem Monismus entspringt oder zu einem Monismus führt. Die Art, wie der Hochgradfreimaurer hier argumentiert, entspricht genau jener der atheistischen bzw. monistischen Esoteriker (siehe S. 114f), zum Teil sogar fast wörtlich.

Er sagt, das Böse und das Gute seien Teil des „Ganzen“ und das eine könne nicht ohne das andere existieren. Auch hier wird fälschlicherweise Polarität mit Dualität gleichgesetzt: Satan „ist Teil des Ganzen. Er MUSS Teil des Ganzen sein, weil er der Widersacher ist, der öffentliche Ankläger. […] Der Satan ist nur ein Pol des Ganzen. Und wenn wir einer Sache ganzheitlich begegnen wollen, dann dürfen wir uns nicht nur mit einem Pol beschäftigen […].“ (91)

Der Unterschied zwischen dem Monismus und dem Deismus ist nur theoretisch. Praktisch führen beide Weltbilder zu den gleichen Schlußfolgerungen. Der atheistische Monismus sagt, die materielle Welt sei Illusion. Der Deismus (als extreme Form des Pantheismus*2) sagt: Die materielle Welt ist identisch mit Gott. Gott und Welt sind dasselbe, die Welt ist Gott, das Universum ist Gott, es gibt keinen Gott jenseits der materiellen All-Natur. Und zur Natur gehören die Naturgesetze, zum Beispiel auch das Gesetz „Fressen und Gefressenwerden“. Daß die Starken die Schwachen „fressen“ oder beseitigen‚ ist eine Notwendigkeit gemäß den gnadenlosen, unerbittlichen Gesetzen des Gottes dieser Welt!

Wir mögen der Ansicht sein, dies sei eine falsche Weltsicht oder eine verzerrte Wahrheit. Wer das meint, folgt einem religiösen oder esoterischen Wunschdenken, entgegnet der Hochgradfreimaurer und betont, daß es keinen lebendigen oder barmherzigen Gott gibt. Dies sei die gnadenlose Wahrheit, ein Realismus ohne Wunschdenken!

„Wenn der Mensch nicht offen ist für die Wahrheit, dann kann er sie nicht sehen.

Und so werden auch die Esoteriker weiterhin ihr Wunsch-Weltbild weiterleben,

die Christen ihr christliches Weltbild -

und wir Freimaurer leben unseres weiter und haben Erfolg und haben die Neue Weltordnung eingeführt und steuern den Planeten …“ (156)

„Ordnung aus dem Chaos“

Der deistische Gott („Supreme Being“) und der „Gott der Welt“ sind nichts anderes als potentielle bzw. materielle Wirkungsprinzipien und funktionieren ausschließlich gemäß den geistigen und physikalischen Gesetzen; Gott hat kein eigenes Bewußtsein und keinen Willen, aber der Mensch hat Bewußtsein und Willen. Physikalisch gesprochen ist „Gott“ Chaos, d. h. unendliche Potentialität, und es ist der Mensch, der mit seinem Willen aus dem Chaos Ordnung entstehen läßt. „Ordnung aus dem Chaos“ (lat. ordo ab chao) ist deshalb eines der wichtigsten Mottos der Freimaurer, insbesondere des „Alten und Angenommenen Schottischen Ritus“. Freimaurer—Lexika betonen, daß dieser Kernsatz auf der deistischen Kosmologie beruhe und als Kurzformel den Schöpfungsvorgang wiedergebe: Alles sei aus dem „leeren Raum“ oder aus der „gestaltlosen Urmasse“ hervorgegangen, und der Mensch wiederhole diesen kosmischen Vorgang in seinem eigenen Leben praktisch mit jeder seiner Handlungen. In einem freimaurerischen Ritual wird dieser Schöpfungsvorgang symbolisch nachempfunden, indem der Meister zuerst allein im leeren Tempelraum die Richtungen abschreitet und dadurch die „Ordnung“ entstehen läßt. Mit dem Ausspruch „in Ordnung“ wird signalisiert, daß der Vorgang abgeschlossen ist, was bedeutet, daß vorher noch keine Ordnung herrschte.

Im deistischen Weltbild wird das Absolute also als Leere oder als potentielle („gestaltlose“) Urmasse/ Urenergie gesehen, aus der entsprechend den inhärenten Naturgesetzen die „Ordnung“ hervorgeht. Am Anfang ist das Chaos, weshalb auch im Leben der Menschheit als Kollektiv und im Leben eines jeden Menschen zuerst immer wieder das Chaos steht, aus dem dann durch den Menschen Ordnung entsteht. Der Mensch hat deshalb die Verantwortung, Regeln aufzustellen, Ziele festzulegen und Ordnung zu schaffen, so wie auch ein Spiel erst dann zu einem Spiel wird, wenn die Regeln und das Ziel festgelegt sind.

Die Feststellung, daß aus dem Chaos Ordnung entsteht, ist natürlich eine richtige Aussage: Das Total der unbegrenzten feinstofflichen und grobstofflichen Materie hat in sich selbst weder Ordnung, Bewußtsein noch Zielsetzung, ist also Chaos“.

Gott ist jedoch mehr als nur Chaos, weshalb die Aussage ordo ab chao nicht verabsolutiert werden sollte — was im Deismus jedoch getan wird. Der deistische Gott ist nur theoretisch jenseits des „Chaos“. Prinzipiell ist er die potentiell-inhärente Selbstorganisation der Energie/Materie, die aus dem Chaos Ordnung entstehen läßt. Wie bereits erwähnt, ist der deistische Gott („Supreme Being“) für den Menschen praktisch irrelevant und inexistent. Diejenigen, die sich in die Extreme dieses Weltbildes begeben, reduzieren die Ganzheit (Realität) auf das Chaos und meinen deshalb, Chaos sei die Ursache von Ordnung, weshalb die Erzeugung einer neuen Ordnung immer zuerst die Erzeugung von Chaos erfordere. „Denn nach dem ewigen Gesetz gibt es Licht nicht ohne Schatten, Schönheit nicht ohne Häßlichkeit, Weiß nicht ohne Schwarz“, heißt es in einem noch folgenden Zitat von Albert Pike — und somit Ordnung nicht ohne Chaos, das „Gute“ nicht ohne das „Böse“. Der Trugschluß dieser Gleichsetzung von Polarität und Dualität ist bereits auf S. 139f. dargelegt worden.

In der Weltgeschichte sehen wir deshalb, daß immer wieder Chaos (Weltkriege, Antiterror-Kriege, Bürgerkriege, Krisen usw.) inszeniert werden, damit die gewünschte ‚Weltordnung‘ Schritt für Schritt vorangetrieben werden kann. Dies ist nicht einfach eine Verschwörungstheorie, sondern die gnadenlose, bittere Konsequenz der „Wahrheit“ des Deismus.

Geheimlehre - Luziferische Doktrin

„Luzifer“ und New Age

Mit der Theosophischen Gesellschaft und dem Werk Die Geheimlehre wurde die luziferische Doktrin erstmals an die Öffentlichkeit getragen, denn viele „Eingeweihte“ glaubten damals, die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert werde ein „New Age“, ein weltweites neues Zeitalter, mit sich bringen. Was viele, die sich heute in der Esoterikszene bewegen, nicht wissen: Das „New Age“ wurde damals als ein Zeitalter des Triumphs der luziferischen Doktrin gesehen. Der biblische Gott werde überwunden werden, die durch die Paradiesgeschichte verteufelte Schlange („Satan“) werde rehabilitiert werden, und die Menschheit werde im Licht des Lichtbringers („Luzifer“) in eine neue Weltordnung von Toleranz und Frieden geführt werden.

1887 erschien die erste Zeitschrift der Theosophischen Gesellschaft (unter Helena Blavatsky), Name: Lucifer. 1903 begann Rudolf Steiner (der spätere Gründer der Anthroposophie), damals General-Sekretär der neu gegründeten deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft, die Herausgabe einer Zeitschrift, die ebenfalls Luzifer hieß.

Später wurde sie in Lucifer-Gnosis umbenannt. Die Arkan-Theosophin Alice Bailey gründete 1922 die „Lucifer Publishing Company“ zur Herausgabe ihrer Bücher (1924 in „Lucis Trust“ umbenannt). Bereits 1894 wurde in England von Logen-Mitgliedern eine Wochenzeitschrift mit dem Titel The New Age gegründet. Der Chefredaktor von 1907 bis 1922, A.R. Orage, war Theosoph. Einer der vielen bekannten Autoren, die in dieser Zeitschrift Artikel veröffentlichten, war H.G. Wells, der für seine Science—Fiction-Geschichten bekannt ist. Er veröffentlichte aber auch Sachbücher, darunter The Open Conspiracy (1928, wörtl. „Die offene Verschwörung“) und The New World Order (1940), in denen er sich für die Gründung einer Weltregierung und einer säkularen Welteinheitsreligion aussprach.

Zu den theosophischen New-Age-Ideen gehörte auch die Hoffnung auf das Erscheinen eines neuen Messias oder Weltenlehrers, des neuen „Christus“ oder des „Maitreya“, wie er im Buddhismus erwartet wird. Als diese Person nicht erschien, bemühte sich die ehemalige Blavatsky-Mitarbeiterin (und Freimaurerin) Annie Besant zusammen mit ihrem Theosophie-Verbündeten Charles Leadbeater‚ diesen Weltenlehrer zu finden, und sie glaubten, ihn im vierzehnjährigen Hindu-Jüngling Jiddu Krishnamurti (1895-1986) gefunden zu haben.

Annie Besant adoptierte Jiddu, der 1910 dann eine theosophische „Einweihung“ bekam. Es folgten verschiedene Skandale und Konflikte innerhalb der Besant-Leadbeater-Bewegung. Krishnamurti stieg 1929 aus der ihm zugedachten Weltenlehrer-Rolle aus und hielt als Einzelkämpfer bis zu seinem Tod weltweit Vorträge über die individuelle Wahrheitssuche.

Angesichts der Luzifer-Lehren in den frühen theosophischesoterischen Strömungen ist es nicht verwunderlich, daß evangelikale Prediger verkünden, jegliche Esoterik und das gesamte New Age seien eine Initiative des Teufels. Daß sie selber einer Religion angehören, die über mehr als eintausend Jahre hinweg all ihre Gegner blutig verfolgt hat und dadurch erst die Entstehung dieser „anti-christlichen“ Strömungen provoziert hat, ignorieren sie gerne.

Wir sehen also: Es existieren Kirchen und antikirchliche Gruppierungen, die allesamt sehr einflußreich sind und sich gegenseitig bekämpfen. Jeder sagt, der Gott der anderen sei der „falsche“ — und beide haben recht! Denn beide vertreten eine Halbwahrheit und dienen (als Organisationen) nicht dem wirklichen, lebendigen Gott. Beide Seiten vertreten Weltbilder, mit denen sie alles, auch dunkelste Machenschaften, rechtfertigen können. Und beide meinen, sie hätten die einzige wirkliche Wahrheit. Es ist symptomatisch, daß Helena Blavatsky in ihrer theosophischen Geheimlehre (siehe Zitat auf S. 192) genauso den Begriff „der Einzige Gott“ verwendet wie ihre monotheistischen Gegner. Sie schreibt „einzig“ sogar groß und setzt es in Kursivschrift!

Es wäre jedoch verfehlt und zu einfach, wenn man pauschalisierend sagen würde, all diese Gruppierungen würden eine Luzifer- oder sogar eine Teufelsverehrung propagieren. Wie bereits erwähnt, sollten wir in Betracht ziehen, warum und aus welcher historischen Situation heraus diese Geheimbünde und Geheimlehren entstanden sind. Beide Gegner sind vom ganzheitlichen Mittelweg abgewichen, die eine Seite in Richtung Monotheismus, die andere in Richtung Atheismus. Beide sind das Ergebnis derselben Spaltung und spiegeln sich daher gegenseitig ihre dunklen Seiten.

Wir wollen hier also sachlich und ohne Vorurteile untersuchen, was die Aussage, Luzifer sei Gott, bedeutet. Warum kommt man zu einer solchen Ansicht? Wo liegen ihre Wahrheiten, und wo liegt der anfängliche Denkfehler? Zu welchen Extremen von Verblendung im Namen von Erleuchtung führt diese Ansicht, wenn man sie konsequent weiterdenkt?

Von der Geheimlehre zum öffentlichen Diskussionsthema

Daß Helena Blavatsky mit ihrer Geheimlehre u. a. aus Freimaurer-Quellen schöpfte, ist aus ihrer Biographie bekannt und ist auch ersichtlich anhand von dem, was sie schrieb. Denn ihre Aussage „Luzifer ist Gott“ war damals zwar für die Öffentlichkeit etwas Neues und vielleicht auch Schockierendes, aber entsprach — und entspricht — der zentralen Glaubensüberzeugung gewisser parafreimaurerischer Elitezirkel, wie in den letzten 150 Jahren durch zahlreiche weitere Aussagen und Dokumente bestätigt wurde.

Einer der bedeutendsten Freimaurer-Großmeister des 19. Jahrhunderts war Albert Pike (1809-1891), Heerführer im Sezessionskrieg, Jurist und praktizierender Okkultist.” Er ist Autor zahlreicher Schriften und Bücher, die zum Teil nur in internen Freimaurerkreisen veröffentlicht wurden, darunter Morals und Dogma (1871), eine voluminöse Insider-Instruktion für interessierte Hochgradfreimaurer. Darin schreibt er (S. 819): „Die blauen Grade stellen den Außenhof oder den Säulengang des Tempels dar. Ein Teil der Symbolik wird dort dem Eingeweihten gezeigt, aber er wird absichtlich durch falsche Interpretationen in die Irre gefiihrt. Es ist nicht beabsichtigt, daß er sie verstehen soll, sondern es ist beabsichtigt, daß er meinen soll, sie zu verstehen.“

Der Eingeweihte der unteren Grade wird also auf einen „Irrweg“ gesandt, was dieser Eingeweihte aber erst später merkt, wenn er den Weg weiter verfolgt. Tut er das nicht, meint er, er verstehe die Symbolik bereits vollständig. Worauf dieser Weg hinausläuft, sagt Albert Pike sehr deutlich (siehe Zitate im weiteren Verlauf dieses Kapitels): auf den Glauben an Luzifer als Gott und auf eine entsprechende Weltordnung.

Die luziferische Doktrin, die Albert Pike für die inneren Zirkel in praktischer Konsequenz ausformulierte, wurde 1888 — in abgeschwächter Form — durch seine Zeitgenossin Helena Blavatsky erstmals der Öffentlichkeit gegenüber erwähnt (im esoterischen Lehrbuch The Secret Doctrine). Dadurch sollte der Boden bereitet werden für die Akzeptanz dieser Doktrin auch außerhalb der relativ kleinen Geheimzirkel. Das Zielpublikum waren freidenkerische Menschen, die sich bereits von der Kirche getrennt hatten und offen waren für neue Weltbilder.

Die „Geheimlehre“, wie sie von Helena Blavatsky ausformuliert wurde, beinhaltete verschiedenste Elemente aus den alten okkulten Traditionen, die sie mit eigenen Spekulationen und den damals neuen Erkenntnissen und Thesen der Wissenschaft vermischte: archäologische Funde, darwinistische Ideen, Mythenforschung, vergleichende Religionswissenschaften, die indischen und tibetischen Schriften, parapsychologische und esoterische Lehren, usw. Dazu kamen Themen wie Atlantis und Lemurien, die zyklischen Zeitalter, die Wurzelrassen, die höherdimensionalen Welten, geheime (erfundene?) Texte und angebliche Kontakte mit unsichtbaren Meistern. All diese Themen, die in vielen Menschen das Interesse und auch die Phantasie aktivierten, wurden mit einem bestimmten philosophischen Weltbild verbunden: mit der für die moderne Esoterik typischen Kombination von atheistischem Monismus und gnostischem Deismus. Kern dieser Geheimlehre ist die luziferische Doktrin. Blavatsky sprach diese Doktrin zwar offen aus, aber sie blieb dennoch weitgehend ein Tabu. In späteren Studienausgaben des Buches Die Geheimlehre wurden die verfänglichen Stellen zu „Luzifer“ und „Satan“ sogar weggelassen.

Während des 20. Jahrhunderts kamen jedoch ständig neue Zitate und Dokumente ans Tageslicht, die direkt oder indirekt auf die luziferische Doktrin und die damit verbundenen Ziele hinwiesen. Der Öffentlichkeit gegenüber wurde in solchen Fällen immer behauptet, hier handle es sich um Fälschungen, Verleumdungen oder „Verschwörungstheorien“. Kenner der Materie wissen jedoch, daß diese scheinbar neuen Theorien nichts Neues sind. Sie sind eine moderne Weiterentwicklung der alten ophitischen und gnostischen Weltbilder. Eine nüchterne Analyse der luziferischen Doktrin ohne Tabu und ohne Vorurteile war deshalb fast unmöglich. Dazu fehlte in der Öffentlichkeit auch die erforderliche Hintergrundinformation — zumindest bis vor kurzem.

Mitte 2010 erschien im deutschen Sprachraum ein Buch mit dem Titel Krieg der Freimaurer — Ein Hochgradfreimaurer packt aus! Dies ist wahrscheinlich das erste Mal, daß ein Hochgradfreimaurer vor aller Öffentlichkeit über die luziferische Doktrin spricht. In einem ausführlichen Interview, das er dem Herausgeber dieses Buches, Jan van Helsing, gab, erklärt er, warum man in den höchsten Graden der Freimaurerei glaubt, Luzifer sei Gott, obwohl man auch glaubt, daß es noch einen anderen, höchsten Gott gibt.

Er betont dabei, daß die luziferische Doktrin keine offizielle Lehre ist, die jedem Freimaurer ab einem gewissen Hochgrad als „Geheimlehre“ serviert werde; diese Doktrin sei die implizite Erkenntnis des deistischen Weltbildes, die aber jeder Freimaurer für sich selbst entdecken müsse; wer einfach routinemäßig die verschiedenen Einweihungsstufen durchlaufe, bekomme von dieser Geheimlehre und ihren praktischen Konsequenzen nur wenig bis gar nichts mit; über die letzten zweihundert und mehr Jahre seien aber zahlreiche Freimaurer, insbesondere auch die Baumeister der „neuen Weltordnung“, durch eigenes Forschen und gründliches Nachdenken zur Erkenntnis dieser einen „Wahrheit“ gekommen…

Was der (fast) anonyme Hochgradfreimaurer in dem über 300 Seiten langen Interview erläutert, ist also nicht bloß seine private Meinung. Wir sollten uns hier vor Augen halten, daß die alte ophitisch-gnostische Lehre spätestens im 19. Jahrhundert zu einem inhärenten Bestandteil der Geheimlehren gewisser Elitezirkel geworden ist und durch Personen wie Helena Blavatsky und Albert Pike bereits damals — direkt oder schrittweise — an die Öffentlichkeit weitergegeben wurde. Jetzt, über einhundert Jahre später, ist die angestrebte „neue Weltordnung“ so weit eingeführt, sagt der interviewte Hochgradfreimaurer, daß sie durch die Bekanntgabe dieser Doktrin nicht mehr gefährdet werde! Der Grund, warum er sich aus eigener Initiative entschloß, öffentlich über all diese Themen zu sprechen, geht bereits aus dem Buchtitel hervor: Krieg der Freimaurer. Diese etwas reißerische Formulierung bezieht sich auf Meinungsverschiedenheiten und Spaltungen innerhalb der vielschichtigen Freimaurerbewegung.