Wieder Maskenpflicht in Supermärkten Juli 2020 Opioidkrise in den USA

CoV-Maßnahmen

Wieder Maskenpflicht in Supermärkten

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Dienstag eine Ausweitung der Maskenpflicht ab Freitag angekündigt. Zum Schutz besonders Schutzbedürftiger, so Kurz. „Im Lebensmitteleinzelhandel, in Supermärkten, Bank- und Post-Filialen wird der Mund-Nasen-Schutz wieder eingeführt“, so Kurz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP).

Jeder müsse diese Orte aufsuchen, hier gebe es keine Freiwilligkeit, so Kurz. Die Maske habe auch einen symbolischen Effekt. Je mehr sie aus dem Alltag verschwinde, desto größer werde die Sorglosigkeit, so Kurz. Die Maskenpflicht soll ab Freitag gelten. „Wir haben in den letzten Wochen einen Anstieg bei den Neuinfektionen erlebt“, so Kurz. Man habe auch die „magische Schwelle“ des dreistelligen Anstiegs überschritten, so der Kanzler. Das Motto bleibe das gleiche: „So viel Freiheit wie möglich, so viel Einschränkung wie nötig.“

Ein Problem sei die Einschleppung aus dem Ausland, und da besonders aus der Balkan-Region, so Kurz. Hier würden weitere Maßnahmen an der Grenze gesetzt, so Kurz. Man habe trotz der bisherigen Maßnahmen zu viele Fälle aus der Region in Österreich. „Die Grenzkontrollen werden verschärft und die Quarantäne stärker überprüft. Bitte unterlassen Sie diesen Sommer Reisen in diese Region“, appellierte Kurz. Ebenfalls ab Freitag ist die Einreise aus Risikogebieten nur noch mit negativem PCR-Test erlaubt. Dieser muss aus zertifizierten Laboren stammen.

Man habe auch vermehrt Ansteckungsfälle von Religionsgemeinschaften mit Bezug zu Risikogebieten. Die Gottesdienste würden wieder reduziert, Masken seien auch zu tragen. Jene mit positiven Fällen sollen geschlossen werden. Kurz dankte den Religionsgemeinschaften für die gute Kooperation. Man müsste auch schneller werden bei den Testungen, so Kurz. Das dauere noch zu lange. Auch hier soll es künftig schneller gehen, so Kurz.

Grafik zur Maskenpflicht

Ampelsystem: Probebetrieb für August angekündigt

Kurz nannte bei der Pressekonferenz auch erneut das Ampelsystem. Es solle rasch kommen, damit Österreich kein Fleckerteppich werde. Mit dem vom Gesundheitsministerium noch fertigzustellenden Ampelsystem werde man dann regional gut auf das Ansteigen von Coronavirus-Fallzahlen reagieren können, so Kurz am Dienstag bereits im Ö1-Morgenjournal.

Debatte

CoV: Wie kommt Österreich am besten durch den Sommer?

Laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) wird das Ampelsystem im Laufe des Augusts in Probebetrieb gehen, wie er am Dienstagnachmittag in der Regierungspressekonferenz ankündigte. Zwei grundlegende Beschlüsse dafür sollen bereits im Sommerministerrat Ende Juli beschlossen werden. Einerseits seien das die Kriterien, nach denen die vierstufige Ampel gestellt wird, andererseits die Schaffung der CoV-Kommission, die diese Ampel schaltet. Im August soll die Regelung dann gemeinsam mit allen betroffenen Ministerien verankert werden. Insgesamt soll die Ampel vier Kriterien berücksichtigen. Und je nach Ampelstufe – von grün bis rot – sollen dann in den betreffenden Bezirken Maßnahmen verhängt werden.

Pressekonferenz der Bundesregierung

Supermarktketten vorbereitet

Die großen Supermarktketten geben sich gerüstet: „Wir sind auf die neuerliche MNS-Pflicht vorbereitet und haben ausreichend Mund-Nasen-Schutz lagernd“, sagte ein Sprecher des Handelskonzerns REWE (u. a. Billa, Merkur, Penny) zur APA. Auch Spar ist gerüstet. „Für die Kunden stellen wir Masken, sofern welche gebraucht werden, weiterhin gratis zur Verfügung“, sagte Spar-Sprecherin Nicole Berkmann am Dienstag. Man gehe aber davon aus, dass nur wenige Kunden eine Maske brauchen werden, da mittlerweile fast jeder eine eigene habe. „Am Ende der letzten Maskenpflicht brauchten nur noch zehn Prozent der Kunden eine Maske von uns“, so Berkmann.

Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), sieht die Wiedereinführung der Maske als vernünftig, wenngleich er einräumte, dass sich die Freude in Grenzen halte. Die Beschäftigten müssten den Mund-Nasen-Schutz den ganzen Tag tragen, „da ist keiner glücklich“, sagte Trefelik zur APA. Auch sei nicht jeder Supermarkt um jede Zeit gleich gut besucht. „Hier zu differenzieren geht aber nicht, es ist ein schwieriger Balanceakt, den die Regierung hier gehen muss“, betonte Handelsobmann Trefelik.

Ärztekammer erfreut

Die Maskenpflicht geht auch mit Umsatz- und Frequenzeinbußen einher. Seit der Wiedereinführung in Oberösterreich seien Umsatz und Frequenz im Vergleich zu Anfang Juli um bis zu 25 Prozent zurückgegangen, räumte der Handelsverband kürzlich ein. Trefelik hofft, dass die gesunden Handelsfirmen das heurige Jahr überstehen. „Wenn heute eine generelle Maskenpflicht verkündet worden wäre, hätte ich es deutlich pessimistischer gesehen. Jetzt haben wir eine Chance. Wir sehen ein zartes Pflänzchen der Konsumfreude.“ Trefelik appellierte an die Menschen, auch im Freien und bei privaten Feiern verantwortungsvoll zu sein. Er habe noch nie einen Cluster im Handel gesehen.

Die Österreichische Ärztekammer (ÖAK) begrüßt indes die Entscheidung der Regierung. Diese Maßnahme wäre in Anbetracht der Sorglosigkeit vieler Menschen und der damit verbundenen stetig steigenden Zahl an Infizierten „schon längst notwendig gewesen“, so Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres.

Kritik der Opposition

Die SPÖ begrüßt die Erweiterung der Maskenpflicht, bemängelt aber ein fehlendes Gesamtkonzept der Bundesregierung. Für SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher sind die Österreicher „noch immer mit einem Fleckerlteppich und Stückwerk an verschiedenen Regeln konfrontiert“. Dass die Regierung die von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner eingeforderte Ausweitung der Maskenpflicht umsetze, sei zu begrüßen, aber es mache überhaupt keinen Sinn, wenn auf eine ähnliche Situation in Oberösterreich anders reagiert wird als in Vorarlberg, so Kucher in einer Aussendung.

Die FPÖ kann dem Vorgehen der Regierung nichts abgewinnen. Außer Symbolik habe die Maske „wirklich keinerlei Effekt“, sondern sei „reine Schikane, mit der man der Öffentlichkeit eine Art von Tätigkeit vorgaukeln, die Menschen aber vor allem in Angst versetzen könne“, so FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. Bei der Regierung heiße es offensichtlich „Inszenierung statt evidenzbasierter Maßnahmen“, so NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. Die Maskenpflicht sei verwirrend und widerspreche jeder wissenschaftlichen Evidenz und den angekündigten Plänen, regionale Maßnahmen setzen zu wollen.

AGES: Keine Auswirkung auf Infektionskurve

Franz Allerberger, Leiter des Bereichs Humanmedizin der Agentur für Ernährungssicherheit (AGES), wies am Dienstag darauf hin, dass sich weder Einführung noch Abschaffung der Maskenpflicht auf die Infektionskurve ausgewirkt hätten. Das hätten Untersuchungen der AGES ergeben. Es sei weitgehend bekannt, wo in Österreich Covid-Ansteckungen erfolgt seien, so Allerberger gegenüber dem Ö1-Morgenjournal am Dienstag. Von 19.500 nachgewiesenen Infektionen konnte die AGES 9.000, also fast die Hälfte einem Cluster zuordnen, so Allerberger weiter.

Ausland: Opioidkrise in den USA: Konkrete Hilfen

In den USA stuft man die Opioidkrise dramatischer ein als jene durch AIDS/HIV in den 1980er Jahren. Rund 2,5 Millionen Bürger sollen Opioid-abhängig sein. Nach der Ausrufung des nationalen Gesundheitsnotstands vor einem Jahr stellt die Regierung nun für konkrete Hilfen mehr als acht Milliarden Dollar zur Verfügung.

Nora Schmitt-Sausen

Kürzlich hat US-Präsident Donald Trump seine Unterschrift unter ein 653-Seiten langes Gesetz gesetzt, mit dem die Politik versucht, der Drogenkrise im Land Herr zu werden. Was bei vielen US-Bürgern mit dem Missbrauch von verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln beginnt, hat sich landesweit zur Sucht nach Heroin, Opioid-Ersatz oder Medikamentenabhängigkeit ausgeweitet. Im vergangenen Jahr erreichte die Zahl der Drogentoten in den USA Rekordhöhe. 50.000 der mehr als 70.000 Drogentoten starben dabei an einer Opioid-Überdosis. Die Krise trifft Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, Großstädte ebenso wie ländliche Regionen. An dem nun unterzeichneten Gesetz hatten Republikaner und Demokraten seit Monaten gemeinsam gearbeitet. Am Ende ging es mit breitem überparteilichen Rückhalt durch beide Kammern des US-Kongresses. Mehr als acht Milliarden US-Dollar stehen in diesem Jahr für den Kampf gegen die Drogenkrise zur Verfügung.

Breite Maßnahmen

Zu den zentralen Punkten des Gesetzes zählen: Auch Krankenschwestern

dürfen künftig Medikamente gegen die Opioid-Sucht verschreiben. Ersthelfer werden besser mit Naloxon ausgestattet. Abhängige sollen leichter Therapieplätze bekommen. Die Bundesstaaten erhalten außerdem mehr Flexibilität, wie sie Gelder aus Washington im Kampf gegen die Drogenkrise einsetzen wollen. Außerdem soll Geld in Forschung und Entwicklung fließen, um neue Schmerzmittel zu entwickeln, die nicht abhängig machen. Die Suchtprävention wird gestärkt. Ein weiterer zentraler Baustein: Die Verbreitung des synthetischen Fentanyl soll möglichst unterbunden werden. Diese stärker als Heroin wirksame Substanz gelangt vor allem auf dem Postweg in die USA, besonders aus China. „Zusammen werden wir die Geißel der Drogensucht in Amerika beenden“, sagte Trump während der Unterzeichnung im Weißen Haus. Schon zuvor hatte er betont, wie wichtig die Maßnahmen seien, um Menschen aus der Sucht zu helfen. Das Gesetz trage dazu bei, „illegale Drogen aus unseren Gemeinschaften fernzuhalten, das öffentliche Bewusstsein und die Prävention zu stärken und Leben zu retten.“

Dramatische Krise

In den USA stuft man die Opioid-Krise dramatischer ein als die öffentliche Gesundheitskrise durch AIDS/HIV in den 1980er Jahren. Die Regierung schätzt, dass 2,5 Millionen US-Bürger Opioid-abhängig sind. Andere Schätzungen gehen von Zahlen zwischen fünf und zehn Millionen aus. Zwar werden die nun eingeleiteten Maßnahmen allgemein begrüßt; jedoch wird auch befürchtet, dass weitere Investitionen und Maßnahmen nötig sind, um das Problem unter Kontrolle zu bekommen. Parallel zu Washington sind auch die US-Bundesstaaten sehr aktiv; besonders die Debatte um Fixerstuben, in denen sich Abhängige kontrolliert ihre Drogen spritzen dürfen sollen, wird in stark betroffenen Städten intensiv geführt. Selbst die Judikative ist mit der Drogenkrise beschäftigt: Vor US-Gerichten laufen aktuell mehr als 400 Verfahren – meist gegen Pharmahersteller und Händler von Opioiden. Auch die Regierung in Washington geht juristisch gegen Mitverantwortliche der Krise vor. Auf der Anklagebank sitzen in einigen Fällen auch Ärzte. Ihnen werden die illegale Verschreibung und die Verbreitung von Opioiden vorgeworfen. Die US-Pharmaindustrie und auch Amerikas Ärzte werden mit dafür verantwortlich gemacht, dass viele Bürger Amerikas abhängig sind. Mittlerweile werden in den USA wieder weniger Opioide verschrieben: Laut Gesundheitsministerium lag im Jahr 2017 die Rate mit 58,7 Verschreibungen pro 100 Personen so niedrig wie seit zehn Jahren nicht. Dennoch: Im Vorjahr wurden insgesamt 191 Millionen Opioid-Verordnungen ausgestellt. Im Spitzenjahr 2012 waren es 255 Millionen.