Das Abitur hat in Deutschland eine lange Tradition als Reifeprüfung, die die Studierfähigkeit attestieren und damit den Zugang zum Hochschulsystem eröffnen soll. Allerdings werden seit Jahrzehnten beträchtliche qualitative Unterschiede hinsichtlich der Aufgabenstellungen und der Bewertungsniveaus zwischen den deutschen Bundesländern nachgewiesen. Dies verhindert eine nationale Vergleichbarkeit und erzeugt erhebliche Ungerechtigkeiten bei der Leistungsbewertung und damit beim Hochschulzugang. Darüber hinaus fehlt mit der Vergleichbarkeit ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung. Daher besteht dringender Handlungsbedarf in Richtung einer größeren nationalen Vereinheitlichung der Abiturprüfungen der Bundesländer.
Als Mitglied des Aktionsrats Bildung habe ich das Konzept eines bundesweit "Gemeinsamen Kernabiturs" entwickelt. Der zentrale Vorschlag ist ein gemeinsam durchgeführter Prüfungsbestandteil in den Kernfächern Mathematik, Deutsch und Englisch auf der Basis der vereinbarten nationalen Bildungsstandards. Diese länderübergreifende Abiturkomponente macht 10% der Abiturabschlussnote bzw. 30% der Abiturprüfung aus. Der Vorschlag des Gemeinsamen Kernabiturs ist so angelegt, dass er sich leicht in das bestehende System der Abiturprüfungen einbinden lässt und den Ländern ein hohes Maß an Flexibilität erhält. Das Gemeinsame Kernabitur würde dazu beitragen, nationale Bildungsstandards, fairen Hochschulzugang und hinreichende Studierfähigkeit zu sichern.
Seit unserem Vorschlag haben sich die Bundesländer ein Stück weit auf eine größere Vergleichbarkeit der Abiturprüfungen zubewegt. 2017 haben sich (fast) alle Länder darauf geeinigt, ihre Abiturprüfungen in Mathematik am gleichen Tag mit standardbasierten Prüfungsaufgaben aus einem gemeinsamen Aufgabenpool durchzuführen. Die gewonnenen Erfahrungen sollten dazu genutzt werden, die gemeinsamen Prüfungen weiterzuentwickeln und zu verstetigen, so dass es mittelfristig zu echten gemeinsamen Prüfungsaufgaben an einheitlichen Prüfungstagen in ganz Deutschland kommt. Aus meiner Sicht sollten in allen Schulabschlüssen zumindest in den Kernfächern – Deutsch, Mathematik und Englisch – deutschlandweit an einem Tag jeweils dieselben Prüfungen geschrieben werden.
Das Abitur soll vergleichbar sein. Süddeutsche Zeitung, 19.8.2019, p. 16
Deutschland braucht ein gemeinsames Kernabitur. Forschung & Lehre 25 (12): 1029, 2018
Kurzbeitrag zu den Effekten externer und interner Prüfungen:
Auf den externen Vergleich kommt es an. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.12.2018, p. 18
Ein Gemeinsames Kernabitur für Deutschland: Der Vorschlag des Aktionsrats Bildung. ifo Schnelldienst 65 (2): 12-21, 2012
Das Gutachten des Aktionsrats Bildung findet sich hier:
Gemeinsames Kernabitur: Zur Sicherung von nationalen Bildungsstandards und fairem Hochschulzugang. Gutachten des Aktionsrats Bildung. Münster: Waxmann, 2011
Ein Artikel im Handelsblatt zu Aufgabenpool und Zentralprüfungen:
Kein gleiches Abitur für alle. Beitrag im Handelsblatt vom 25.6.2013 zu zentralen Prüfungen
Die Forschung belegt, dass externe Prüfungen mit besseren Schülerleistungen einhergehen. Die letzte Spalte des folgenden Zeitungsartikels geht kurz auf zentrale Befunde ein:
Bildung schafft Wohlstand. Neue Zürcher Zeitung, 21.10.2015, p. 29
Etwas ausführlicher ist Abschnitt 3.2 in folgendem Beitrag:
Bildungssystem, Bildungsleistungen und Wirtschaftswachstum. Wirtschaftspolitische Blätter 60 (3): 475-488, 2013
Im folgenden nicht-technischen Beitrag fasse ich die Forschung zu externen Abschlussprüfungen zusammen:
Central Exit Exams Improve Student Outcomes. IZA World of Labor: 419, 2018
Wichtige wissenschaftliche Artikel zum Thema sind:
Testing (with A.B. Bergbauer and E.A. Hanushek). Journal of Human Resources 59 (2): 349-388, 2024 [tweet1] [tweet2] [video]
The Information Value of Central School Exams (with G. Schwerdt). Economics of Education Review 56: 65-79, 2017
The Importance of School Systems: Evidence from International Differences in Student Achievement. Journal of Economic Perspectives 30 (3): 3-31, 2016
Schooling Resources, Educational Institutions, and Student Performance: The International Evidence. Oxford Bulletin of Economics and Statistics 65 (2): 117-170, 2003
Das vierte Kapitel meines Buches von 2007 beschreibt die Befunde zu externen Prüfungen:
Letzte Chance für gute Schulen: Die 12 großen Irrtümer und was wir wirklich ändern müssen. Munich: ZS Verlag Zabert Sandmann, 2007
In der deutschen Bevölkerung gibt es für solche externen Prüfungen übrigens überwältigende Zustimmung: In unserer repräsentativen Meinungsumfrage, dem ifo Bildungsbarometer, sprechen sich 91% der Deutschen für deutschlandweit einheitliche Abschlussprüfungen beim Abitur und beim Realschulabschluss und 87% beim Hauptschulabschluss aus. Die Ergebnisse des ifo Bildungsbarometers finden Sie in:
Fürchten sich die Deutschen vor der Digitalisierung? Ergebnisse des ifo Bildungsbarometers 2017 (with Philipp Lergetporer, Elisabeth Grewenig, Franziska Kugler, and Katharina Werner). ifo Schnelldienst 70 (17): 17-38, 2017
Eine 12-Minuten-Video-Version unseres "Testing" Papers auf dem "Latest Thinking"-Portal: