Hochschulbildung

Die Ökonomik der Hochschulbildung: Überblick über ein dynamisches Forschungsfeld 

Der zweibändige Sammelband "New Directions in the Economics of Higher Education", den Eric Bettinger und ich für die Reihe "International Library of Critical Writings in Economics" bei Edward Elgar herausgegeben haben, ist soeben erschienen. Die darin enthaltenen 63 wegweisenden Beiträge geben einen Überblick über das dynamische und wachsende Feld der Ökonomik der Hochschulbildung. Unser einleitendes Kapitel stellt die gesammelten Beiträge in den weiteren Zusammenhang der Entwicklungen in der Literatur zur Ökonomik der Hochschulbildung in den letzten zehn Jahren und behandelt (I) die Erträge der Bildung, einschließlich der Rolle der Hochschulbildung für die wachsende Ungleichheit in vielen Ländern und Analysen der Heterogenität der Renditen; (II) den Hochschulbesuch und die stetig wachsende Bedeutung des Hochschulabschlusses; (III) die Hochschulfinanzierung einschließlich der Auswirkungen sich ändernder Kosten und Subventionen sowohl für Institutionen als auch für Studierende; (IV) die Bildungsproduktion und ihre Beziehung zur Wissenschaft des Lernens; und (V) den Markt für Hochschulbildung einschließlich positiver Modelle der sich wandelnden Zielfunktion von Hochschulen.

New Directions in the Economics of Higher Education (edited with E. Bettinger). Cheltenham: Edward Elgar, 2020 [tweet]

Introduction (with E. Bettinger). In: L. Woessmann, E. Bettinger (eds.), New Directions in the Economics of Higher Education, Cheltenham: Edward Elgar, xii-xxxvii, 2020 

Die Politische Ökonomie der Finanzierung von Hochschulbildung

Öffentliche Präferenzen für die Erhebung von Studiengebühren sind wichtig für die Hochschulfinanzierung. In zwei Artikeln zeigen wir, dass die Präferenzen der Öffentlichkeit für die Erhebung von Studiengebühren zum Teil auf Annahmen über die Einkommensvorteile von Hochschulabsolvent:innen und auf der spezifischen Ausgestaltung der Zahlungsströme beruhen. 

In einem Artikel konzipieren wir Umfrageexperimente in repräsentativen Stichproben der deutschen Wählerschaft (N>15.000), um zu testen, ob die öffentliche Zustimmung zu Studiengebühren von Einkommensinformationen abhängt. Die Wählerschaft ist gespalten, wobei eine relative Mehrheit Studiengebühren ablehnt. Die Bereitstellung von Informationen über die Einkommensvorteile von Hochschulabsolvent:innen erhöht die Zustimmung zu Studiengebühren um 7 Prozentpunkte und dreht damit die Mehrheit in Richtung Zustimmung. Der Effekt der verringerten Ablehnung von Studiengebühren hält auch zwei Wochen später noch an. Es gibt zwar Hinweise, dass verzerrte Annahmen durch die Informationen aktualisiert werden, aber der Effekt scheint hauptsächlich durch eine erhöhte Aufmerksamkeit zu wirken, die zu einer verringerten Berücksichtigung finanzieller Zwänge bei der Präferenzbildung für Studiengebühren führt. Informationen über fiskalische Kosten und ungleichen Zugang beeinflussen die öffentlichen Präferenzen nicht. Wir unterziehen das Ergebnis verschiedenen experimentellen Tests auf Replizierbarkeit, Robustheit, Heterogenität und Verknüpfung mit politischen Konsequenzen.

In einem weiteren Artikel zeigen wir, dass die Präferenzen der Wählerschaft für die Verwendung von Studiengebühren zur Finanzierung der Hochschulbildung stark von der Ausgestaltung der Zahlungsströme abhängen. Dabei geht es um nachgelagerte Studiengebühren, die erst nach dem Studium und erst ab einem gewissen Jahreseinkommen zurückgezahlt werden müssen. In repräsentativen Umfragen unter der deutschen Wählerschaft (N>18.000) erhöht sich die öffentliche Zustimmung zu Studiengebühren um 18 Prozentpunkte, wenn Zahlungsverpflichtungen während des Studiums durch solche aufgeschobenen einkommensabhängigen Zahlungen ersetzt werden. Der Bevölkerung scheint also wichtig zu sein, dass die Studiengebühren dann und nur dann zu zahlen sind, wenn das Studium tatsächlich zu einem relativ hohen Einkommen geführt hat. Der Effekt verwandelt eine Mehrheit gegen Studiengebühren in eine starke Mehrheit von 62 Prozent für Studiengebühren. Weitere Experimente zeigen, dass der Effekt in ähnlicher Weise auftritt, wenn es sich um rückzahlbare Kredite handelt, wenn die Antworten politische Konsequenzen haben und in einer Umfrage unter Jugendlichen. Geringere Gerechtigkeitsbedenken und eine verbesserte Situation der Studierenden wirken als starke Mechanismen. 

Income Contingency and the Electorate’s Support for Tuition (with P. Lergetporer). CESifo Working Paper 9520 / IZA Discussion Paper 14991, January 2022 [tweet]

Earnings Information and Public Preferences for University Tuition: Evidence from Representative Experiments (with P. Lergetporer). Journal of Public Economics 226: 104968, 2023 [tweet]


Kann wirtschaftliche Unkenntnis die Kluft in Bildungsaspirationen erklären?

Welchen Bildungsabschluss wünschen sich die Deutschen für ihre Kinder? 74 Prozent der Personen mit, aber nur 36 Prozent derjenigen ohne Universitätsabschluss bevorzugen für ihre Kinder einen Hochschulabschluss statt einer Lehre. Zu diesem Ergebnis kommt unser neues Paper mit Daten des ifo Bildungsbarometers. Werden die Befragten im Rahmen eines Survey-Experiments über die Verdienstunterschiede zwischen Akademikern und Nicht-Akademikern und über die staatliche Studienförderung (BAföG) informiert, weitet sich diese Kluft in den Bildungsaspirationen sogar noch weiter aus. Diese Befunde lassen Zweifel daran aufkommen, dass Unkenntnis der wirtschaftlichen Erträge und Kosten eines Studiums die Bildungsungleichheit in Deutschland erklären kann. 

Does Ignorance of Economic Returns and Costs Explain the Educational Aspiration Gap? Representative Evidence from Adults and Adolescents (with P. Lergetporer and K. Werner). Economica 88 (351): 624-670, 2021 [tweet] [video]