Wirtschaftsgeschichte


Überblick

Als Alternative zu Max Webers These, dass eine spezifische protestantische Ethik für den wirtschaftlichen Erfolg der Protestanten verantwortlich war, schlägt meine Forschung mit Sascha Becker eine "Humankapitaltheorie der protestantischen Wirtschaftsgeschichte" vor: Luthers Forderung, dass jeder gute Christenmensch selbst die Bibel lesen können sollte, hat einen Bildungsschub ausgelöst, der letztlich auch wirtschaftliche Konsequenzen hatte. Unsere Evidenz anhand von preußischen Kreisdaten des 19. Jahrhunderts legt nahe, dass die bessere Bildung der Protestanten ihren wirtschaftlichen Vorsprung vor den Katholiken weitgehend erklären kann.

Auch jenseits der konfessionellen Unterschiede zeigt unsere Forschung mit den von uns digitalisierten preußischen Regionaldaten des 19. Jahrhunderts, dass die grundlegende Bildung der Bevölkerung einen wichtigen Einfluss auf die Industrialisierung hatte.

Darüber hinaus hatte Bildung einen deutlichen Effekt auf den Rückgang der Fertilität und damit auf den demographischen Übergang.

Anhand einmaliger Abendmahlsstatistiken haben wir zudem gezeigt, dass der zunehmende Besuch von höheren Schulen eine wichtige Ursache der Säkularisierung in Form des deutlichen Rückgangs im Kirchenbesuch an der Wende zum 20. Jahrhundert war. Im Gegensatz dazu zeigt sich kein ursächlicher Einfluss von höheren Einkommen auf die Säkularisierung.

In einer weiteren Arbeit haben wir gezeigt, dass das längst untergegangene Habsburger Reich in Osteuropa noch heute Spuren hinterlassen hat im Vertrauen in staatliche Institutionen und in der Korruption.

In einem anderen Projekt zeigen wir, dass die spätere Grenze zwischen dem kommunistischen Ost- und dem kapitalistischen Westdeutschland bereits in vielen sozioökonomischen Merkmalen in Daten aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg sichtbar ist, was darauf hindeutet, dass die deutsche Teilung und Wiedervereinigung kein einfaches "natürliches Experiment" zur Untersuchung anhaltenden "Auswirkungen" des Kommunismus darstellt.

Ein weiterer Fall von historischer Persistenz besteht darin, dass der Widerstand der katholischen Kirche gegen die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkommenden staatlichen Schulsysteme noch heute in größeren Sektoren privat geleiteter Schulen wiederzufinden ist, welche zu besseren Schülerleistungen beitragen.

Wir haben auch einen umfangreichen Überblick über die Rolle von Religion in der Wirtschaftsgeschichte verfasst.