Protestantische Wirtschaftsgeschichte

Vor 500 Jahren schlug Martin Luther der Legende nach seine 95 Thesen an die Wittenberger Kirchentür. Und veränderte die Welt. Dass die Reformation den Gang der Geschichte in vielfältiger Weise beeinflusste, hat mit dem Bildungsschub zu tun, den sie auslöste und der Deutschland bis heute prägt. Dies belegt unsere Forschung, für die wir unter anderem Daten für die rund 450 preußischen Stadt- und Landkreise aus Archiven digitalisiert haben, die das Königlich Preußische Statistische Bureau seit der ersten Volkszählung 1816 gesammelt hat.

Max Weber vertrat die berühmte These, dass eine spezifische protestantische Ethik für den wirtschaftlichen Erfolg der Protestanten verantwortlich war. Als Alternative dazu schlägt meine Forschung mit Sascha Becker eine "Humankapitaltheorie der protestantischen Wirtschaftsgeschichte" vor: Luthers Forderung, dass jeder gute Christenmensch selbst die Bibel lesen können sollte, hat einen Bildungsschub ausgelöst, der letztlich auch wirtschaftliche Konsequenzen hatte. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die bessere Bildung der Protestanten ihren wirtschaftlichen Vorsprung vor den Katholiken im 19. Jahrhundert weitgehend erklären kann. Die Ergebnisse belegen, dass der wirtschaftliche Vorsprung der Protestanten wohl weniger, wie von Weber propagiert, einer spezifisch protestantischen Arbeitsethik geschuldet ist als vielmehr der besseren Bildung der protestantischen Bevölkerung.

Neben den Effekten auf Bildung und Einkommen untersucht unsere Forschung im historischen Zusammenhang auch Effekte des Protestantismus auf die Suizidneigung, Effekte von Bildung und Einkommen auf die Säkularisierung sowie Effekte der Bildung auf Industrialisierung und Fertilität.


Zeitungsartikel und Interview:

Sind Protestanten schlauer? Die Zeit, No. 42, 12.10.2017, p. 76

    • Meine 9+5 Thesen zum Lutherjahr

Martin Luther und die Wirtschaft. Wirtschaftswoche, No. 11, 10.3.2017, p. 35

Bildet Euch! Die Zeit, 23.12.2008, p. 65

Zwei Beiträge über unsere Forschungsergebnisse:

Martin Luther - ein Feminist der ersten Stunde? "Wissenswert"-Beitrag im Handelsblatt vom 29.12.2008 über unsere Forschung zum Effekt des Protestantismus auf die Bildung der weiblichen Bevölkerung

Wenn Bibelstunden reich machen. "Wissenswert"-Beitrag im Handelsblatt vom 16.7.2007 über unsere Forschung zum Effekt des Protestantismus auf Bildung und Wohlstand


Hier erfahren Sie mehr über meine Forschung zu diesem Thema.

Mein wichtigster wissenschaftlicher Artikel zum Thema ist:

Was Weber Wrong? A Human Capital Theory of Protestant Economic History (with S.O. Becker). Quarterly Journal of Economics 124 (2): 531-596, 2009

Einen nicht-technischen Überblick gebe ich in:

How Luther’s Quest for Education Changed German Economic History: 9+5 Theses on the Effects of the Protestant Reformation (with S.O. Becker). In: J.-P. Carvalho, S. Iyer, J. Rubin (eds.), Advances in the Economics of Religion, International Economic Association Series, New York: Palgrave Macmillan, 215-227, 2019

Education and Socio-Economic Development during the Industrialization (with S.O. Becker). In: C. Diebolt, M. Haupert (eds.), Handbook of Cliometrics, 2nd ed., Berlin: Springer, 2019

Die Bedeutung von Religion für die Bildung: Eine neue wirtschaftshistorische Forschungsagenda anhand preußischer Kreisdaten, Teil 1. ifo Schnelldienst 63 (23): 25-32, 2010

Die Bedeutung von Bildung für die Wirtschaftsentwicklung: Eine neue wirtschaftshistorische Forschungsagenda anhand preußischer Kreisdaten, Teil 2. ifo Schnelldienst 64 (1): 41-47, 2011