40. Ötztaler Radmarathon

Dieses Jahr ist vieles anders. Nicht nur das Thema Corona, dass noch allgegenwärtig ist. Auch andere Unabwägbarkeiten spielen bei der 40. Auflage des Ötztaler Radmarathons eine wichtige Rolle. Es ist ein Rennen, wie es Sölden so sicher noch nicht erlebt hat. Im Normalfall spielt die Vorbereitung für das Rennen des Jahres eine wichtige Rolle. Die Auflage 2021 hat da aber ganz andere Dinge mit den Teilnehmern geplant. Gute Vorbereitung? Kann helfen, wird helfen, spielt im Endeffekt dann doch einer eher untergeordnete Rolle …

Der 29. August ruft die Radsportgemeinde wieder nach Sölden ins Ötztal. Die coronabedingten Einschränkungen und Änderungen im Ablauf der Veranstaltung sind akzeptabel und gut organisiert. Grundsätzlich gilt für 2021, gut dass der Ötzi überhaupt stattfinden kann! Also alles einpacken und los geht’s. In der Woche des Marathons dann schon die erste Änderung. Die Natur redet immer ein Wörtchen mit. Steinschlag hat den unteren Teil des ersten Passes, des Kühtai, verlegt.

Kein Durchkommen. Schnell wird klar, dass es nur eine Alternative geben kann. Der Haiminger Sattel muss herhalten. Mal was Neues beim Ötzi, aber auch ca. 10 km und 300 Hm mehr. Kling hart, wird es auch.

Der Tag vor dem Rennen zeigt ein anderes Bild von Sölden als in den Jahren davor. Der Andrang hält sich in den Straßen, bei der Expo und Anmeldung in Grenzen. Was ist los, Corona? Ja, aber daran liegt es nicht.

Es wird sich eingerollt und warm gefahren. Der ein oder andere Kopf richtet sich in Richtung Berggipfel. Schön sehen die Gipfel und Bergkuppen in ihren weißen Kleidern aus. Ein erster Wintergruß und das ausgerechnet Ende August zum Ötztaler Radmarathon. Auf gut Deutsch, es ist arschkalt draußen! Winterjacken, Mützen und Handschuhe soweit das Auge reicht. Beim Blick auf die Wetter-diagramme haben viele Teilnehmer die Anreise gleich gelassen. Niemand kann es Ihnen verübeln.

Morgens zum Start um 6:30 Uhr ist es trocken bei 1°. Kein Schnee im Ort, nur die Berge sind in weiße Farbe getaucht. Wunderbare Bedingungen für die 235 km und 5.500 Hm. Gefahren wird in Winterkleidung, alles was der Kleiderschrank hergibt. Gemeldet sind schneeregenartige Schauer. Da kommt Spaß auf. Das Motto des Tages lautet hart, härter, Ötztaler!


Das Rennen nimmt direkt Fahrt auf und alle Gedanken sind auf das Hier und Jetzt gerichtet. Der neu aufgenommene Haiminger Sattel mit seinen 1000 Hm hat es gleich mal richtig in sich. Am liebsten würde man alle Jacken und Mützen herunter reißen. Der Körper ist direkt auf Temperatur. Doch je höher sich die Straße windet umso kälter wird es wieder. Auf den Haiminger folgt der Rest des eigentlichen Passes. Am Kühtai auf 2.020 m ist der Winter dann wieder zurück. Schnell alle Luken dicht machen und auf schnellstem aber sicherem Weg hinunter nach Innsbruck. Die klirrend kalte Abfahrt in den Knochen bewegen sich Mensch und Rad in südlicher Richtung über den Brenner nach Italien. Kein Regen beim Grenzübergang in Sicht. Südtirol ist erreicht.

Die Beine machen sich langsam bemerkbar. Über 130 km sind bereits passiert. Auf dem Weg in Richtung Jaufenpass suchen sich die ersten Sonnenstrahlen den Weg durch die Wolkendecke. Bisher hat es dicht gehalten. Was im ersten Moment positiv klingt ist im Nachgang betrachtet ein wenig zwiespältig. Jeder mag die Sonne … aber nicht in Winterkleidung. Und die wird nun zum Problem. Platz zum Verstauen gibt es so gut wie keinen. Die 1.200 Hm auf den 2.094 m hohen Jaufenpass entwickeln sich zur Saunafahrt. Darunter leidet auch die Leistung. Der Körper ist mit den ständig wechselnden Bedingungen am Kämpfen.

Waren die Kleiderwahl und die Prognosen doch falsch? Nein, safety First! Wintereinbruch ist gemeldet. Also wird sich über die Sonne gefreut und ordentlich geschwitzt. Die Jacke wird auch wieder zum Einsatz kommen. Spätestens in der schnellen Abfahrt hinunter nach St.Leonhard, wo auf alle Ötzi Fahrer und Fahrerinnen der Endgegner in Form des ewig langen Timmelsjoch wartet. Über 1.800 Hm auf 28 km gilt es bis zur Passhöhe auf 2.474 m zurückzulegen. Auch hier wieder das Wechselspiel aus warmen Temperaturen im Tal und der eisigen Kälte am Pass. Noch einmal heißt es alles rausholen aus dem Körper.

In den letzten Kehren des Timmelsjoch wird es dann wie gemeldet immer ungemütlicher und düsterer. Auf der Passhöhe pfeift schon ein eisiger Wind. Schneeflocken fliegen durch die Gegend. Hart, härter, Ötztaler. Hier ist alles möglich. Nun heißt es sich schnell ins Ziel zu retten. Die letzte Abfahrt ist dieses Jahr auch eher von der unangenehmen Sorte.

Dann ist es vollbracht. Ein vom Wetter vollständig durcheinandergewirbeltes Rennen mit verlängerter Strecke hat seine Spuren hinterlassen. Das wird niemand so schnell vergessen. Der Ötztaler Radmarathon 2021 geht als eine der verrücktesten Auflagen dieses Rennens in die Geschichte ein. Dieses Jahr sahen nur ca. 2100 Fahrer und Fahrerinnen das Ziel. Über 2000 haben sich gar nicht an die Startlinie gewagt. Großen Respekt an alle, die sich das Spektakel gegönnt haben.


Team TV Elm:

- Jochen Kiefer : Platz 446 in 9:53.51 h

- Martin Speicher : Platz 756 in 10:32.54 h

- Andreas Neumann: Platz 1422 in 11:52.40 h

- Thomas Becker : Platz 1511 in 12:02.06 h


JK