Trainingslager Mont Ventoux

Trainingslager am Fuße des Mont Ventoux

Er ist 1912 Meter hoch, hat einen markanten, kahlen, weißen Gipfel, man nennt ihn auch den „Giganten der Provence“, heiliger Berg der Kelten oder „ Windiger Berg“. Die Rede ist vom Mont Ventoux, unserem diesjährigen Ziel des Trainingslagers.

Am 27. April, gegen 07:15 Uhr, ging es mit drei Autos in strömenden Regen los. Die Mannschaft bestand aus Karl, Josef, Gerhard, sowie meinen Radsportfreunden und Arbeitskollegen Otwin, Thomas (Richy) Reichmann, Thomas Thinnes und meinem Bruder Johannes. Die Anreise war recht unspektakulär und in kurzen Worten zu beschreiben: Regen, Pinkelpause, Regen, zähflüssiger Verkehr um Lyon, Regen, Kaffeepause, Regen, Ankunft nach rund 730 km gegen 16:30 Uhr in der Provence.

Zielort:

Piégon, ein Ortsteil von Mirabel-aux-Baronnies (Département Vaucluse), 20 km vom Mont Ventoux entfernt. Nach dem Beziehen der beiden Ferienwohnungen wurden wir von den Verwaltern der Anlage, dem Ehepaar Marita und Kurt Meiser herzlich empfangen. Zur Begrüßung gab es einen Pastis und eine leckere Käseplatte. Nach den ersten Gläschen Wein hätte man gerade sitzen bleiben können, doch es erwartete uns schon das nächste Vergnügen. Kurt Meiser hatte für uns eine Hobbyköchin engagiert, die für die nächsten Tage für unser leibliches Wohl sorgen sollte.

Claudette hieß das gute Stück, wohnt im 4 km entfernten Ort Puyméras, wo wir uns am ersten Abend gegen 19 Uhr einzufinden hatten. Statt in einem Restaurant saßen wir im Wohnzimmer der Köchin, wo sie uns täglich mit einem 4-Gang Menü verwöhnte. Claudette legte sich mächtig ins Zeug. Trotz aller Anstrengungen gelang es uns nie, die Platten restlos zu putzen. Selbstverständlich gab es vorab einen Aperitif und je nach Geschmacksrichtung Rosé, Weiß- oder Rotwein.

Zurück in der Ferienwohnung packte Richy seine Klampfe aus und verwöhnte uns mit tollen Oldies und lustigen Liedern. Das eine oder andere Gläschen ging auch noch über den Tisch……

Am nächsten Morgen sahen wir aus dem Fenster und blickten auf den Berg. Dieser ist eigentlich wegen seiner kargen Fels- und Geröllwüste im oberen Teil schon von weitem auszumachen. Die Bergspitze war leider nicht zu sehen. Zunächst dachte ich an den gestrigen, etwas feucht fröhlichen Liederabend. Das war aber nicht der Grund. Es regnete und der Berg lag in einer dichten Nebelwand.

Nach einem ausgiebigen Frühstück zogen wir dann den für die Woche geplanten freien Tag vor und erkundeten die Gegend. Während eine Gruppe um den Mont Ventoux „herumschlich“, um irgendwelche Informationen für den geplanten Aufstieg zu erlangen, fuhr die andere Gruppe nach Nyons, die Hauptstadt der Baronnies. Baronnies ist die Bezeichnung dieses Landstriches, benannt nach den ehemaligen Landesherren, den Baronen von Montauban im Languedoc, die sich im 11. Jh. hier festsetzten (etwas Kultur muss ja schließlich auch sein!!!).

Am nächsten Tag war dann Schluss mit lustig und es ging auf die Räder. Das Wetter war zwar immer noch durchwachsen, besserte sich aber von Tag zu Tag. Es gab super schöne Strecken durch die provenzalische Landschaft, verkehrsarme Nebenstraßen und alte römische Dörfer und Weinfelder. Wenn man sich vorstellt, dass im Sommer noch Lavendelfelder blühen, kann man wirklich von einer Traumlandschaft sprechen. Wir konnten uns oft nicht recht entscheiden, welche Strecke wir wählen sollten. Alle möglichen Höhen-Profile standen zur Verfügung.

Am Dienstag hatten wir dann die ersten 100 km und etwa 1500 hm in den Beinen. Am Mittwoch stand witterungsbedingt wieder eine kleinere Runde an.

Abends konnten wir dann am Haus verbleiben. Ein Pizzaabend war angesagt. Der Besitzer der Anlage, Patron Eric, feuerte bereits morgens mit alten trockenen Weinreben seinen Pizzaofen an. Alle Gäste der anderen Ferienwohnungen kamen zusammen und Marita verteilte die leckeren Pizzahäppchen. Man konnte zwischen allen möglichen Geschmacksrichtungen wählen. Als dann wirklich nichts mehr rein ging, blieb nur noch „abwinken“.

Das heißt nicht ganz: zu aller letzt gab es noch was Süßes: eine Nutella-Füllung. Wer kann da schon nein sagen. Irgendwie geht noch was rein. Das für die entsprechenden Getränke gesorgt war, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Wer wollte, konnte sich anschließend die Bayern angucken. Wieder mal ein gelungener Abend.

Dann kam der Donnerstag, der geplante Aufstieg auf den Berg. Das Wetter schien mitzuspielen. Der Mont Ventoux ist von drei Seiten aus zu besteigen:

Der Ostrampe über Sault, 26 km lang, 1194 Hm, durchschnittlich 4,4 % Steigung. Der Südrampe über Bédoin, 21 km lang, 1609 Hm, durchschnittlich 7,5 % Steigung. Wir entschieden uns für die Westrampe über Malaucène, der kürzesten Entfernung zu unserem Quartier. Ebenfalls 21 km lang, durchschnittlich 7,5 % Steigung. Es ist wohl nach Bédoin der zweit schwierigste Aufstieg mit längeren Passagen von 9,5 bis 12,5 %!!

Da man solch eine enorme Anstrengung nicht ohne entsprechende Kilometer in den Beinen angehen sollte, entschieden sich Richy, Thomas und Otwin vernünftigerweise dafür, eine eigene Trainingsrunde zu drehen. Kurt Meiser ließ es sich nicht nehmen, uns mit dem Auto zu begleiten. So hatten wir die Möglichkeit, genügend warme Bekleidung für den Abstieg mitzuführen. Wie die Wetterlage auf der Bergspitze war, konnte uns niemand exakt voraussagen.

Nach einem letzten Foto im Ort ging es dann los. Jeder versuchte, in seinem Tempo die kahle Bergspitze zu erreichen. Es ging in endlosen Kehren stets bergauf. In den etwas flacheren Passagen konnte man sich erholen, richtig flach wurde es aber nie. Zwischendurch munterte uns Kurt an der Strecke immer wieder auf. Nachdem ein Radfahrer Kurt darüber informierte, dass die letzte Passage zur Spitze wegen Schnee nicht passierbar sei, sammelten wir uns 6 km unterhalb der Bergspitze. Die Schranken waren für Autofahrer geschlossen. Was tun?

Auch Karl und Josef hatten sich durch eine enorme Kraftanstrengung bis zu dieser Örtlichkeit hoch gekämpft. Eine super Leistung! Chapeau!! Nach dem ein herunter fahrender Radfahrer bestätigte, dass die Straße doch zu befahren sei, entschlossen sich Gerhard, Johannes und ich, die letzten 6 km mit einer durchschnittlichen Steigung von 8 % noch in Angriff zu nehmen. Und tatsächlich. 40 Minuten später konnten wir am Gipfel anklopfen. Am Straßenrand lag zwar noch etwas Schnee und es ging ein kühler Wind. Aber die Freude über das Erreichte überwog. Auch wenn man schon mal oben war, es ist immer wieder ein bewegender Moment! Wir hatten es geschafft!!

Der britische Tour-Fahrer Tom Simpson hatte am 13. Juli 1967 weniger Glück. Er brach auf Grund einer Überdosis Amphetamine zusammen und verstarb. Ein Denkmal erinnert heute noch daran. Die Tour hatte ihren ersten Dopingskandal. Am 14. Juli ist hier Bergankunft der Tour. Es geht von Givors (bei Lyon) über Bédoin zum Gipfel (243 km). Nach der obligatorischen Fotosession ging es in rasanter Fahrt bergab. D.h. nicht ganz. An dem ersten sonnigen Plätzchen erwartete uns Kurt, der uns mit einer eisgekühlten Flasche Cremant überraschte: a la votre!!

So wurden wir letztendlich doch noch für das nicht ganz so optimale Wetter belohnt. Als wir am Quartier ankamen, erwartete uns die nächste Überraschung. Marita hatte die Kaffeetafel gedeckt und verwöhnte uns mit 3 selbst gebackten Kuchen. Eine überaus leckere Möglichkeit, die leeren Depots wieder aufzufüllen. Abends wurde dann natürlich entsprechend gefeiert. Aus Platzgründen kann ich hier leider auf keine Einzelheiten eingehen!

Freitags gönnten wir uns dann eine Tour d´honneur durch die kleinen Ortschaften. Nach dem Duschen suchten wir noch die Vigneron von Puyméras auf, wo wir uns mit verschiedenen Traubensäften eindeckten. Um kein Risiko einzugehen, hatten wir ihn vorsichtshalber vorher verkostet. Zum Abschluss wurde abends mit Familie Meiser gegrillt. Kurt besorgte Merquez, Spieße und feines Lammfleisch. Marita machte einen Salat und ein Blech Ofenkartoffeln. Lecker!

Am Samstagmorgen hieß es dann Abschied nehmen. Eine schöne Woche war vorbei. Ich kann diese Adresse nur empfehlen. Zum Radfahren oder Wandern bestens geeignet. Wer mehr über das alte Winzerlandhaus „La Rouvière“ und die Familie Meiser erfahren möchte, kann sich unter www.provence-aktiv.de erkundigen (ich bekomme keine Vermittlungsgebühr!)

Ich war jetzt schon mehrmals dort, und immer wieder toll! J.F.