Belchen³

Belchen³

Belchen hoch drei, was ist denn das? Fragte sich auch Alex vom Team TV Elm, als er den Bikekalender nach einer neuen Herausforderung durchsuchte. Nach ein paar Klicks war klar, das ist etwas ganz Großes. Ein Rennraderlebnis der besonderen Art wurde mit dem Begriff beschrieben. Ein Rad-Marathon über drei Berge, durch drei Länder und mit einer Streckenlänge von über 300km sollte für die auf 100 Teilnehmer limitierten Radsportler ein besonderes Erlebnis werden. Im Dreiländereck Deutschland/Frankreich/Schweiz thronen drei "Belchen", sanft gerundete Bergkuppen: In der Schweiz die Belchenflue (1.099m), in den französischen Vogesen der Grand Ballon (1.424m) und der deutsche Schwarzwaldbelchen (1.414m).

Dieser 3. August sollte ein langer Radsonntag werden - das war klar. Jeder der 100 Fahrer wusste was bevor stand. Einige von ihnen kannten die Strecke schon vom Vorjahr. Für das Elmer Teammitglied sollte es eine neue Challenge werden.

Die Nacht war kurz, denn um 4:30Uhr bat der Veranstalter um ein gemeinsames Gruppenbild. Ab 5Uhr wurden dann die vier Gruppen im 10-Minutentakt auf die Reise geschickt. Mit jeweils zwei Guides, die ihre Gruppe stets sicher und mit entsprechendem Tempo Richtung deutschem Belchen lenkten, verschwanden die Biker in die Bad Krozinger Dämmerung. Mit vorgeschriebener Fahrradbeleuchtung und Warnweste fuhren die weiß-roten Lichtpunkte anfangs noch moderat durch die morgendlichen Straßen. Bei trockenen und angenehmen Außenbedingungen war die Betriebstemperatur schnell erreicht und mit jeder Kurbelumdrehung wurde es heller. Die Gruppe hatte ihren Rhythmus gefunden, die starken Fahrer bestimmten dabei das Tempo.

Die Anfahrt auf den ersten Gipfel war nach ca. 2Std erreicht und die Streckenführung gab für die erste Bergetappe grünes Licht. Nun durfte jeder mit seinem Tempo den Schwarzwaldbelchen bezwingen. Alex vom Elmer Team kannte die Erhebung bereits, so dass er mit zwei weiteren Kollegen schnell eine größere Lücke herausfahren konnte. Oben angekommen erwarteten die Fahrer eine besondere Verpflegung. Frische Backwaren und Kaffee wurden gerne als Stärkung genommen und am Begleitfahrzeug konnte bei Bedarf die Kleidung gewechselt werden. Leider durften die Gipfelbesteiger den Sonnenaufgang nicht genießen, weil tiefhängende Wolken die Sicht auf das Naturschauspiel verwehrten. Stattdessen war eine gute Windjacke für die rasante Abfahrt ratsam.

Die Gruppe war gestärkt und mit dem zweiten Belchen vor Augen rollte das Team Richtung Schweiz. Die Belchenflue oder Bölchen, wie ihn die Einheimischen nennen, wurde nach ca. 70Km Anfahrt erreicht. Mit dem Grenzübergang in Rheinfelden verschlechterte sich das Wetter. Kurze, aber starke Regenfälle erschwerten das Gruppenfahren. Der Straßenbelag trocknete jedoch schnell ab, so dass die zweite Bergetappe wieder mit haftenden Gummis bestritten werden konnte. Der markante Berggipfel im Schweizer Jura bot vor allem am Schluss eine ekelhafte Rampe. Die über 14%tige Steigung forderte noch einmal kräftezerrenden Muskelantrieb. Auch hier konnte Alex im Führungstrio einige Bergpunkte sammeln.

Die körperliche Verfassung war bis dahin in Ordnung. Es folgte eine ca. 150km lange, wellige Flachpassage durch die französische Rheinebene. Vorher genossen die Radfahrer den Anblick der Rheinpromenade in Basel. Bevor es über die Dreiländer-Brücke in Weil am Rhein in die Heimat der Tour de France ging, sorgte das Aufladen des Kohlenhydratspeichers in Form einer gemeinsamen Spaghetti Verpflegung für eine will kommende Mittagspause.

Die lange Anfahrt zum letzten Belchen sollte ein aufregendes Teilstück werden. Ein Zwei-Gruppen starkes Peloton forderte besondere Vorsicht, denn abwechselnde Führungsfahrer auf welligem Terrain mit Gegenwind bedeutete verschiedene Geschwindigkeiten. Das Rad an Radfahren wurde dennoch von allen Bikern beherrscht, so dass die Mannschaft unfallfrei die Schlussetappe erreichte. 220km waren bis dahin in den Beinen, die erstaunlicherweise gut in Form waren. Vielmehr bereitete der Nackenbereich bei Alex für einige Probleme. Die typische Kopfhaltung sorgte für schmerzliche Erfahrungen, aber eine letzte Verpflegungsstelle in dem Örtchen Uffholtz vor dem 21km langen Finalanstieg sollte für Entspannung sorgen.

Die Uhr zeigte 17:30Uhr an, als die Fahrer freie Fahrt auf den Grand Ballon bekamen. 1.200Hm, die jeder in seiner Trittfrequenz absolvierte, können sehr lange werden. Es war kein Rennen, dennoch zog sich das Feld auseinander. Tour de France – Feeling stellte sich ein. Schließlich war es genau diese Auffahrt, die 1905 als erste Bergwertung in die Geschichte der Tour einging. Trotz der bereits zurückgelegten Strecke, ließ sich die Steigung recht harmonisch treten. Der Ehrgeiz war zu groß, dass selbst der harte Schlussanstieg keine Gefahr mehr brachte. Oben angekommen bot sich den Gipfelstürmern ein herrlicher Blick in die Rheinebene. Der klare Sonnenuntergang ermöglichte einen wunderbaren Fernblick bis nach Bad Krozingen. Trotz der 70km Entfernung, sah mancher Fahrer schon das Endziel vor Augen.

Der höchste Vogesenberg war bezwungen und auf dem Tourplan stand der Rückweg zum Ausgangspunkt an. Da die Dunkelheit anbrach, absolvierte die Gruppe die letzten Kilometer wieder mit Warnkleidung und Beleuchtung. Das Sitzfleisch war nicht mehr zu spüren und neben der verhärteten Nackenmuskulatur kam nun eine Rückfahrt in völliger Dunkelheit. Weil die Strecke immer bergab verlief, konnte das Peloton ein hohes Tempo halten. Keine Ahnung wo das Fahrerfeld sich momentan befand. Nur ein kleines rotes Lämpchen des Vordermannes zeigte den Weg. Da kein Bezugspunkt und auch keine Sicht auf den Tacho bestanden, kam der Abschnitt wie eine Ewigkeit vor. Man hatte das Gefühl, dass jeder nach Hause wollte und dann endlich war das bekannte Ortsschild zu erkennen.

Gegen 22Uhr trafen die Fahrer im Kurpark in Bad Krozingen ein. Viele Zuschauer begrüßten lautstark die Finisher. Der Kilometerzähler zeigte zum ersten Mal auf einer Tour 311km an. Nicht nur das Display erfreute sich an der Zahl, auch Alex hatte ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. Im Hintergrund rief noch jemand: „Willkommen im Club der Dreihunderter“.

Keine Zeitnahme, keine Hatz, hier standen der Teamgeist und das Ziel im Vordergrund. Mit drei Belchenbesteigungen und drei Länderdurchquerungen konnten die Teilnehmer ein einmaliges Naturerlebnis erleben. Mit knapp 13Std reiner Fahrzeit, mit zwei Defekten bei Gruppenmitgliedern und Verpflegungswartezeiten endete nach 17Std und 311km mit 3.800Hm ein Rennraderlebnis der besonderen Art. Mit optimaler Organisation und Betreuung unterwegs, hervorragender Verpflegung und letztendlich bester Unterhaltung im Serviceteam geht ein besonderes Lob an den Veranstalter. A.P.