2008

Unter diesem Motto gingen am 31. August 2008 fünf Radsportler des Teams TV Elm in Sölden an den Start; für den Ötztaler Radmarathon, den wohl schwierigsten und gleichzeitig beliebtesten Radmarathon Europas.

Eine Herausforderung, der sich fast 4000 Teilnehmer aus 29 Nationen stellten. Vor ihnen lagen 238 km und 5.500 Höhenmeter; für Amateure und Profis ein Rennen mit ganz besonderem Reiz. In insgesamt vier Bergetappen verläuft der Marathon von Sölden aus nach Ötz, über den Kühtai-Sattel, dann weiter nach Innsbruck und über den Brennerpass nach Südtirol. Der über 2000 m hohe Jaufenpass ist der 3. Anstieg, bevor es noch mal richtig ans Eingemachte geht. Zuletzt muss das Timmelsjoch, letzter Pass und gleichzeitig gefürchteter Höhepunkt des Ötztalers, mit 1759 Höhenmeter bis zur Passhöhe in über 2500m Seehöhe überwunden werden. Auf den 30 km stößt jeder an seine Grenzen.

Dann geht es rasant hinunter ins Ziel nach Sölden. Aus unserem Team bereitete sich auch ein Fünf-Mann-Team auf dieses Event vor. Tausende Trainingskilometer und so mancher Radmarathon wurden von jedem als Vorbereitung abgespult. Hans-Bernd, Harald, Gastfahrer Andreas aus Homburg und die Brüder Frank und Martin erfüllten sich Ihren Traum und erreichten das Ziel in Sölden.

Beim Start um 6:45 Uhr blieb trotz großartiger Stimmung und allerbestem Wetter ein mulmiges Gefühl. Wir standen nicht ganz vorne (bis wir über die Startlinie fuhren, vergingen einige Minuten) und fingen eher "gemütlich" an. Das Ziel hieß: Durchhalten, auf keinen Fall aufgeben, den Ötztaler zu finishen, quasi den Ritterschlag eines Rennradfahrers zu erhalten. Es ging schon mit einem Höllentempo in Richtung Ötz. Es kam uns so vor, als wäre das Rennen 40km lang und nicht 240km. Nach ca. 45 Minuten (30 Kilometer) und einer kleinen Zwangspause verursacht durch einen Massensturz an einem Tunnelausgang, kamen wir in Ötz an. Am ersten Anstieg Richtung Kühtai, ging es dann auch gleich richtig zur Sache. Der Pass war extrem steil bis zu 18%. Die Kette war dann ruck zuck nach links gewandert und der Puls nach oben. Jetzt schon im roten Bereich (Wahnsinn)! Und es folgten noch drei Pässe. Die eine oder andere Kuh haben wir am Kühtai schon hinter uns gelassen.

An der Verpflegungsstelle auf der Passhöhe herrschte ein ziemliches Gedränge. Martin ließ sich hier Zeit, und wartete auf Andreas, um den Rest des Tages gemeinsam zu fahren. Auch Frank und Harald bildeten ab dem Kühtai eine Zweckgemeinschaft. Hans-Bernd, der durch seine Tour-Transalpe Teilnahme 2007 schon Erfahrungen mit den Alpenriesen gesammelt hatte, fuhr zwischen den beiden Zweier-Teams. Anschließend ging es auf eine rasante Abfahrt Richtung Innsbruck. Der Tacho war bei dem einen oder anderen dreistellig (also über 100 km/h). Auf der Abfahrt war Vorsicht geboten, denn es war mit freilaufenden „Rindviehchern“ auf der Straße zu rechnen.

Kurz vor 9:00 Uhr war Innsbruck erreicht. Bei strahlendem Sonnenschein fuhren wir ein Stück durch die Stadt, dann ging es auf die Bundesstrasse 182 Richtung Brennerpass. Links sahen wir die berühmte Bergisel-Schanze, vor uns die Europabrücke. Richtung Brenner war es wichtig, nicht in eine zu schnelle Gruppe zu geraten, sonst bleiben für den Jaufenpass und das Timmelsjoch keine „Körner“ übrig. Wir passierten Matrei, Steinach, Gries und erreichten die nächste Verpflegungsstelle am Brenner. Jetzt folgte die herrliche Abfahrt nach Sterzing und danach ein kurzes Flachstück. Der Anstieg zum Jaufenpass war scheinbar endlos. Die letzten Kilometer waren erreicht.

Jetzt folgte das waldlose Stück. Man sah endlich den Gipfel, aber der war schier endlos weit entfernt. Bergfahren ist schon brutal. Normalerweise hat man entweder die Steigung oder den Wind, aber diesmal war das anders, hier kam alles zusammen. Oben an der Verpflegungsstation angekommen hieß es dann dem Körper Kohlenhydrate zuführen, soviel irgendwie ging. Es folgte die schöne und rasante Abfahrt nach St. Leonhard im Passeiertal. Mittlerweile hatte die Sonne ihren Höchststand überschritten und es war richtig heiß geworden. Mit Steigungen von 8-14% und immer weniger Kraft in den Beinen wurden die 30 Kilometer am Timmelsjoch zur Qual, die Geschwindigkeit fiel stellenweise bis auf unglaubliche 7km/h herunter. Die Knie begannen zu schmerzen. "Durchhalten, nicht stehen bleiben". Dieser letzte Pass hat schon manchen Finisher-Traum zum scheitern gebracht. Es ist reine Kopfsache, denn in den krampfgeplagten Beinen war schon lange nichts mehr drin. Da sah man den ein oder anderen der sein Rad liebt, er schiebt. Eine Serpentine, noch eine und noch eine. Hier war keiner mehr frisch, alle pfiffen aus dem letzten Loch. Wann ist der Anstieg endlich zu Ende?

Noch 10, noch 8, noch 6 Kilometer. Seeberalm - die letzte Verpflegungstelle. Ab hier folgte der letzte und schlimmste Abschnitt des gesamten Marathons. Noch 2km bis zum Pass, stand auf einem Schild, 2 Kilometer die Einem wie die Ewigkeit vorkamen. In der Ferne sah man den Timmelsjoch-Tunnel. Endlich! Als wir in 2504 m Seehöhe den Tunnel im Anflug erster Glücksgefühle durchquerten, wurden wir von dunklen Gewitterwolken empfangen.

Wer aber glaubte, ab dem Timmelsjoch geht es nur noch bergab, war nach ein paar Kilometern Abfahrt schwer enttäuscht. Ein letzter, etwa 2 Kilometer langer Anstieg zur Mautstelle stand uns noch bevor. Auch das schöne Wetter verabschiedete sich und wir wurden mit Blitzen, Donnern und starken Regen im Ötztal begrüßt. Hier wurden dann die gewaltigen Unterschiede bei diesem Rennen offensichtlich. Unten heiß wie in der Wüste und oben in die Abfahrt hinein kalt wie im Winter. Mit ständig angezogenen Bremsen fuhren wir nun die letzten Kilometer bis Sölden hinunter. Nach 10 Std 50 Min 45 sec erreichten Martin und Andreas das Ziel in Sölden. Sie ließen mehr als 2000 Teilnehmer hinter sich und erreichten in der Altersgruppe M30 den 1173. bzw. 1175. Platz.

Hans-Bernd (11:38.22) wurde in der Klasse M50 gewertet und erreichte den 295. Platz. Auch Frank (12:49.55 / Platz 1908 / M30) und Harald (12:52.48 / Platz 1916 / M30) zeigten eine gute Moral und beendeten den härtesten Radmarathon Europas mit Erfolg.

Aber war damit die Qual vorbei? Natürlich nicht, hieß es doch noch die 200 Höhenmeter mit bis zu 16%, hoch zum Hotel zu überwinden.

Nachdem die Kohlehydrat-Speicher wieder gefüllt waren, die begehrten Finisher-Trikot und der Pin (so eine Art Medaillen-Ersatz) am Mann waren, wurde mit den mitgereisten Fans in der Hotelbar auf diesen Erfolg angestoßen.

Alle waren sich wirklich einig: „Diese einzigartige Kulisse entlang der Strecke, das war ein super tolles Erlebnis, wir sind total kaputt, aber absolut glücklich.“ Der Ötztaler Radmarathon ist halt "die beste Wahl zur ultimativen Qual" - wie die "Tiroler Zeitung" am nächsten Tag schreiben wird. M.S. / H.S.

„Ich habe einen Traum…“.

Ötztaler Radmarathon 2008