S'Okee

Eines Abends am Lagerfeuer im Babylon des Wilden Westens in Amerikaland saßen ein paar Betrunkene und ein paar nicht betrunkene Landsmänner, die aus Europa vor der Gerichtsbarkeit und so weiter geflohen waren, da und unterhielten sich angetrunken oder nicht, über ein gravierendes Problem, das Ihnen Sorgen bereitet hat. Ausgegangen war das Gespräch von einem Cowboy, der seinem alten Herrn gegenübertreten sollte, und der diesem gerne die Meinung ins Gesicht pusten würde. Seine Frage an mich war folgende: 'Kann man, objektiv gesehen, eine Ehre besitzen, die unanfechtbar ist?' Da wusste ich nichts darauf zu sagen. Habe keine Ahnung davon, was Ehre und Objekt miteinander zu tun hätten, ja, was das Objekt der Ehre denn anderes sei, wenn nicht der Mensch, also das Subjekt desselbigen und mit ihm dessen Empfindung von Ehre oder Ehrverlust.

Nach vielerlei Hin- und Hergewälze von unnötigen und hier auszuklammernden Beispielen, die nichts mit der eigentlichen Sache zu tun hatten, offenbarte er sich mir und kam auf den Punkt, dass er seinem alten Herrn gerne ins Gesicht spucken würde. Das würde ins Auge gehen, soviel war mir schon gewiss.

Und so habe ich ihn anders beraten.

Ich habe ihn daran erinnert, dass er ein Mensch sei, dass er einen Namen trage, und nichts anderes sei aller Ehren wert. Kein Beruf, keine Berufung und auch kein Verhältnis zu seinem alten Herrn kämen da annähernd heran an diese Sache. Der Zusammenhang der Ehre besteht zwischen ihm, seinem Namen und seinem Wesen, also seiner Erscheinung und somit seiner Gestalt. Was solle es da, alte ranzige Socken aus der Schublade zu kramen und sie dem anderen unter die Nase zu reiben: 'Da, das ist die Socke von damals. Die stinkt noch heute bis zum Himmel. Ich habe sie in einer Schublade meiner Kommode gefunden und jetzt bin ich stinkig auf Dich! - Na, so löst man keine Probleme, so bekommt man welche.

Da habe ich erstmal etwas Holz aufs Feuer gelegt, denn die Nacht schien noch lange zu währen. Was ist nun mit der Socke. Sie stinkt zum Himmel. Ja, und das hat so seinen Preis. Mein Gesprächspartner war verwirrt, freilich nicht im Geiste, sondern vor Wut.

Er soll seinem alten Herrn begegnen. Und er soll vor ihn als der Mensch treten, der er immer schon ist. Nichts anderes gäbe es zu tun. Guten Tag zu sagen und sonst nichts. Keine Weihen. Keine Würden. Aber auch keine Lügen und kein falscher Weihrauch.

Er solle bereit dazu sein, bereit zu bleiben, ohne das Gespräch mit diesem zu suchen. Das habe ich ihm geraten. Er solle seinen Stand einnehmen, ohne die Bereitschaft aufzugeben dabei.

Er sei der, der dies sei, was er ist, was er immer schon war und was er auch bleiben wird. Darum tragen wir einen Namen. Darum behalten wir unseren Namen. So blöde das auch klingen mag. Ja, es mag abgedroschen klingen. Unser Namen ist so gut wie wir selbst es sind.

Da kann kein Berufsstand mithalten. Berufe sind wie Kleider. Man wechselt sie. Man nimmt sie an und legt sie wieder ab. Das taugt zu nicht vielem. Gewiss, man bekommt Geld für seine Arbeit in einem Beruf. Aber haben wir Sorgen wegen dem Geld? Haben wir die Sorge, dass wir nicht für reich genug gelten könnten? Wem dienen wir? Dem Geld doch wohl nicht! Das Geld soll uns zu etwas dienen, nicht wir dem Geld.

Oh, erwähnte ich schon, wie es weiterging? Ich habe ihm mitgeteilt, dass die Menschen Unterschiede machen nach Stand und Beruf, weil es sonst keine Unterschiede gäbe. Sie nutzen relativistische Größen um sich zu differenzieren, was ungefähr so hohl ist, wie eine Zahl durch Null zu teilen. Aber sie merken es nicht. Es stört sich auch niemand daran. Und so kann es geschehen.

Nur er, der Mensch mit dem Namen, der bei mir am Lagerfeuer saß, als ich gerade weiteres Holz aufgelegt habe, der hat das verstanden. Und so hat er sich bei mir bedankt und wir sind des Tags darauf jeder wieder unserer Wege gegangen. Wie es ausging? Ich weiß es nicht. Aber ich habe dafür ein kleines dadaistisch anmutendes Gedicht für sie parat:

Da ist sie, die SOCKE!

Stinkesocke, Stinkesocke!

Socke!

Oh Weh! Eine Socke!

Hilf Himmel, eine Socke!

Sie stinkt erbärmlich.

Da ist sie, die SOCKE!

Gefunden, Gefunden.

Kommode!

Oh Weh! Darin!

Hilf Himmel, in der Kommode!

Es stinkt so erbärmlich grauenvoll.

Ich nehme sie in die Hand.

Ich werfe sie gegen die Wand.

Ich zerdrücke und zertrete sie.

Doch sie stinkt weiter.

Die Socke, die Socke.

Da kommt einer zu Hilfe.

Er nimmt sie mir Weg.

So ein Dreck.

Meine Socke ist weg!

Was mache ich jetzt nur mit meiner Wut?

Socke? Gut?

S'o'c'k'e? G'u't?

Hilf Himmel, ich will meine Socke.

Haltet den Dieb!

Furchtbarer Klau.

Waschweib hast Du sie?

Jäger, was willst Du?

Hab sie gewaschen.

Leg nieder Dein Schießgewehr.

Jetzt stinkt sie nicht mehr!

Socke?

S'Okee!

S'Okee?

Okay

(Schwamm drüber, alles vorbei

einerlei, jetzt ist er wieder frei.)

Gut?

Ok?

Na gut.

Ich geb klein bei.

Klein bei?

Ja, ok, ich bin jetzt wieder frei.

Wieder frei?

Frei von was?

Hej, lass doch das!

Hab genug Ärger damit gehabt.

Diese Nerven! Diese Wut!

Dieser Zorn bringt mich noch ins Grab.

Lass nach! Lass nach! Lass nach!

Halt ein!

Leg Dich nicht hin!

Ruh Dich nicht aus!

Der Zornige nutze seine Kraft

und arbeite fein bis zur Mitternacht.

Gib Acht! Gib Acht! Gib Acht!

Und pass auf Dich auf!

Schnell ist der Frieden wieder vorbei.

Des Zaubers Hände zaubern mannigfaltig viele dreckige Socken herbei!

Lass also sein.

Steck es ein.

Es sollte nicht sein.

Dann hau halt drein!

Dann hau halt drauf.

Und so ging die Geschichte (hoffentlich nicht) doch böse aus.