Der goldene Kuchen

Es war einmal ein Zuckerbäcker, der die herrlichsten Kuchen backen konnte. Seine Spezialität war ein einfacher, gedeckter Apfelkuchen. Dazu verwendete er die am besten geeigneten Äpfel. Auch gab er sich besondere Mühe beim Backen.

Eines Tages bekam die Frau eines anderen Zuckerbäckers Wind von der Güte dieser 'tarte aux pommes', wie er sie nannte. Sie sah die Torte im Schaufenster des Zuckerbäckers und dachte sich dabei, dass das ihr Mann genauso gut könne, wenn nicht gar besser.

So erzählte sie ihrem Mann von einem Apfelkuchen. Und damit dieser keinen Verdacht witterte, tat sie so, als ob es ihre eigene Idee wäre.

Der Bäcker unternahm mehrere Versuche, solch einen Kuchen zu backen, und irgendwann gelang ihm auch etwas, doch es war nicht der gleiche Kuchen, wie der des ersten Zuckerbäckers. Das wusste aber nur dessen Frau. Er selbst war zufrieden mit seinem Werk.

Als nun ein Wettbewerb ausgeschrieben wurde, wer denn den besten Kuchen in der Stadt backen konnte, da beschlossen beide Bäcker ihre 'tarte aux pommes' feilzubieten. Da aber die Frau des zweiten Zuckerbäckers so ehrgeizig war und sie den Fähigkeiten ihres Mannes nicht so ganz vertraute, mischte sie unter den Teig seines Kuchens Goldspäne. Sie war der festen Überzeugung, dass sich so die Chancen ihres Mannes auf den ersten Platz beim Kuchenbackwettbewerb mehren würden. Ja, ihr Mann sollte unbedingt den ersten Platz gewinnen.

Der Bäcker bemerkte dieses sonderbare Gebahren seiner Frau nicht, und so schritt er auch nicht ein. Er backte den Kuchen wie gewohnt und übergab ihn der Jury dieses Wettbewerbs.

So standen die Kuchen der verschiedensten Zuckerbäcker der Stadt nebeneinander, einer schöner als der andere, doch am schönsten waren die beiden Apfelkuchen anzusehen.

Nun begab es sich, dass der Kaiser gerade in der Stadt zugegen war, und da für diesen das Beste gerade gut genug war, ließ man ihn beide Apfelkuchen probieren.

Der erste verkostete Apfelkuchen war einfach gehalten, schmeckte und weckte das Gefallen des Kaisers. So biss er ebenso lustvoll in den zweiten Kuchen, doch wehe! Die Goldspäne zerkratzten dem Kaiser das Zahnfleisch, und er bekam auch später noch manche Beschwerden. Da wurde der Kaiser sehr wütend. Er veranlasste, dass die Stadtväter und die Bürger der Stadt hart bestraft wurden. Zudem verlangte er von den Bürgern der Stadt große Entschädigungen. Da stieß den Bürgern der Stadt dieser Wettbewerb ziemlich übel auf.

Es wurde beschlossen nach dem Schuldigen zu suchen. Sie untersuchten die Kuchen und fanden die Goldspäne. Schnell wurde der Zuckerbäcker, dessen Frau ihr Unwesen getrieben hatte, als der Schuldige ausgemacht. So wurde ihre Gier zu seinem Versagen.

Er wurde in den Kerker geworfen. Derweil verlebte seine Frau sein Vermögen und danach verließ sie die Stadt. Sie wurde nie wieder dort gesehen. Ihr war es gar nicht erst in den Sinn gekommen, ihren Fehler zuzugeben und sich zu entschuldigen. Sollte doch ihr Mann im Kerker darben. Ihr war es die Hauptsache, dass sie selbst nicht zu Schaden kam.

Als nun aber der Zuckerbäcker im Kerker saß, da schwor der sich keine Kuchen mehr zu backen. Irgendwann danach wurde er freigesetzt. Da sein Vermögen von seiner Frau verlebt worden war, war er von nun an bettelarm. Er hatte auch gar keine Arbeit mehr zu tun, da er nicht mehr backen konnte. Und so fristete er von da an ein tristes Leben als gescheiterte Existenz.

Immer dann, wenn er an diese Ereignisse zurück dachte, und ihm dabei in den Sinn kam, was ihm geschehen war, wunderte er sich, wie denn die Goldspäne in den Kuchen gelangt waren. Denken konnte er es sich nicht. Da er einfach gestrickt war, glaubte er nicht daran, dass seine Frau so böse war, ihm diesen Streich zu spielen. Zugleich sah er aber auch, dass sie nicht nur verschwunden war, sondern dass sie auch sein ganzes Vermögen durchgebracht hatte. Und so wunderte er sich noch mehr. Die Zeit im Kerker hatte ihn jedoch demütig werden lassen. Und so lebte er schlecht, nicht recht, aber durchaus noch lange. Die Leute verachteten ihn, da sie in ihm einen Übeltäter sahen, für dessen Taten sie teuer bezahlen mussten. Er aber verachtete keinen von ihnen. Er konnte sich denken, dass das alles eigentlich gar nicht gegen ihn gerichtet gewesen war.

Der Kaiser aber erholte sich wieder von den Blutungen, er aß noch viele Kuchen, allesamt ohne Goldspäne, und irgendwann sah er den Bürgern dieser Stadt auch wieder ihr Vergehen nach und stellte sie wieder besser.

So erholten sich alle wieder von dem Schrecken. Nur der Zuckerbäcker kam nicht einfach so wieder auf die Beine.

Ob sein Kuchen nun aber wirklich schlechter, gleich gut oder gar besser war, als der Kuchen des ersten Zuckerbäckers, das würde niemals jemand zu sagen vermögen. Schließlich würde doch auch noch der beste Kuchen durch Goldspäne ungenießbar werden müssen. Und einen neuen Kuchen backen, das durfte er nicht mehr.