Das Litermaß oder wie ich zu beten gedenke

Das ganze Leben ist ein Gebet geblieben. Wer Dich mit Deinem Namen angesprochen hat, der wird da gerade Achtung vor Dir haben, wenn er Dich nicht sogar zu lieben wissen würde.

Blumenbild

Quadrotypie nach einem Blumenbild, Aquarell, CGP

Eine Situation am Küchentisch bei mir zuhause mit Bekannten:

Angesprochen darauf, ob es nicht etwas eintönig sei, alle ein, zwei Tage das selbige Gebet, nämlich das 'Vater Unser' zu sprechen, habe ich nachgedacht, wie das für mich sei. Dabei habe ich festgestellt, dass es jedes Mal eine gänzlich neuwertige, ja andersartige Erfahrung für mich sei.

Getreu meiner Maxime, dass ich immerzu den gleichen Weg in diesem Dasein begehen möchte, bete ich auch das immerzu gleiche Gebet, wenn ich denn einmal gebetet habe. Meine Erfahrung ist dabei diejenige geworden, dass dieses eine Gebet im Laufe der Dauer dieses Vorganges, der nun bereits seit etlichen Jahren bei mir anwährt, für mich fast schon zu einem Eichmaß für mein Befinden geworden ist. An diesem Vorgang bemesse ich mein 'Seelenleben'. Anders gesagt, er spiegelt mir das Empfinden meines Wesens wider. Ich erscheine dabei vor mir selbst.

Da bin ich sogleich von meinen Bekannten darauf angesprochen worden, ob ich denn ein anschauliches Beispiel für diesen Sachverhalt aufzeigen kann. Und das habe ich mit den hier nachfolgenden Worten zu leisten versucht.

In meinem Küchenschrank ist ein Litermaß für Flüssigkeiten. Das ist ein sogenannter Messbecher, welcher, so er einmal gefüllt wird, etwas mehr als einen Liter klaren Wassers fassen kann. Auf ihm ist ein Maßstab angebracht. Dieser dient zum genauen Abmessen des Füllstandes.

Das Wasser, das er fasst, schöpfe ich jedesmal aus der gleichen Quelle. Es ist aber jedesmal ein anderes Wasser, das ich mit ihm aufnehme. Das Maß, mit dem ich das tue, bleibt auch das gleiche Litermaß.

Das Gebet ist nun für mich gerade wie das Wasser aus der Quelle oder wie die Anzeige des Maßes 'ein Liter'. Das Wasser, das ich mit dem Maß schöpfe, entspricht von der Menge her diesem Liter. So wird es zu einer genau bestimmten Menge.

So sei das auch beim Beten des immerzu gleichartigen Gebetes. Der Wortlaut 'ein Liter' entspricht in etwa dem Umfang meiner Worte beim Beten. Ich richte mich mit diesem aus und ein. Dabei erkenne ich, wer ich bin. Ich merke da, was ich habe und was ich tun möchte.

So wird der Mensch trotz seines Fortschrittes im Dasein und Leben immer wieder einmal gewahren können, dass er etwas an sich trägt, das gleich geblieben ist. Das sei diese Kenntnis seines Wesens, was ihm dabei klar werden kann. Es ist ihm zu einem Richtmaß und also auch zu einer Ordnungskraft in einem Stück geworden.

Er und das Gebet sind eines geworden im Sinne des Bildes und der Urform. Der Sprecher und seine Stimme stellen das Gleiche dar. Ebenso sind das Wasser im Maßkrug und die Menge des Wassers eines nach selbiger Art und Weise. Das ist eine Analogie.

Was aber hat meine Erfahrung beim Beten so wichtig für mich gemacht? - Wiederum gelte dasselbe Bild vom Maßkrug. So wie ich das Wasser leicht verkosten kann, indem ich es trinke, kann ich das Wort meines Gebetes durch meine eigene Kraft bilden und erfahren, was das mit mir macht.

Dabei reinigt mich das. Der Vorgang des Betens wird zu einer Willkommenen Sequenz. Ich verweile dabei einen Moment lang. Was ich dabei erfahre, das kenne ich schon gut.

Trinke ich nun wieder dieses Wasser, so lehrt sich nicht nur der Krug. Es wird auch mein Durst gelöscht. Mir geht es da bald etwas besser. Bete ich das Gebet, so schöpfe ich diese Kraft, welche es mir verleihen kann. Da ich das weiß, erkenne ich das auch so an. Schließlich habe ich das doch so erfahren. Ich weiß das richtig zuzuordnen.

Ich weiß aber auch, dass das Sprechen des Gebets mich etwas über mich selbst aufklärt. Das auf diese Weise Geleistete wird mich morgen oder übermorgen bereits in eine andere Position gebracht haben. Dann hat das erneute Sprechen des gleichen Gebetes einen tieferen Sinn für mich. Es versetzt mich an einen bekannten Ausgangspunkt zurück.

Ebenso werde ich auch etwas zu trinken bereit sein, wenn ich Durst habe. Die Gesundheit sei zu erhalten. Wenn es mir gut ergeht, geht es mir immer gleich. Dann habe ich nichts und komme klar.