EG 954.64 20. Sonntag nach Trinitatis
Der heutige Text aus dem Markusevangelium Kapitel 10 die Verse 2-12 machen es uns nicht leicht. Er nimmt zu einem Thema Stellung, das bis heute oder gerade heute viele Familien betrifft. Es geht um die Ehescheidung und damit auch um das 6. Gebot: "Du sollst nicht ehebrechen". Offensichtlich war das schon zu Zeiten Jesu ein Problem. Und nimmt man dann bei Markus die nächsten Verse noch dazu (Mk,10,13-16), dann sieht man, wen eine Scheidung am härtesten trifft, die Kinder. Das steht zwar nicht wörtlich in diesem Text. Aber wenn Markus die Kindersegnung unmittelbar zu dem Text stellt, wo es um die Ehescheidung geht, dann will er damit zeigen, dass Kinder ganz viel Zuwendung brauchen, damit sie sich entwickeln und selbstständig und selbstbewusst ihren eigenen Weg suchen und gehen können.
Aber beginnen wir von vorn. Am Anfang einer Ehe steht die Hochzeit. Hier ein Bild von der in Kana (Johannes 2,1-12), zu der Jesus und seine Jünger auch eingeladen waren. Fröhlich tanzt das Brautpaar und die Gäste klatschen im Rhythmus der Musik mit. Alles ist wunderbar. So ist das auch heute, wenn zwei Menschen einander versprechen, gemeinsam durchs Leben zu gehen und wenn sie miteinander und mit Freunden und Verwandten ihre Hochzeit feiern.
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Leider vergessen viele, dass das gemeinsame Leben nicht allein aus ausgelassener Freude und Tanzen besteht. Im Alltag müssen Aufgaben bewältigt werden, die manches Mal auch keinen Spaß machen. An diesen Aufgaben kann eine Beziehung zwar wachsen, manches Mal aber auch zerbrechen, wenn sich alle überfordert fühlen. Das wurde schon zu Zeiten des Alten Testaments erlebt. Im schlimmsten Fall ist es dann vielleicht auch ein gangbarer Weg, wenn eine Ehepaar sich trennt. Wahrscheinlich war deshalb dieser Vers ins 5. Buch Mose aufgenommen worden: "Wenn jemand eine Frau zur Ehe nimmt und sie nicht Gnade findet vor seinen Augen, weil er etwas Schändliches an ihr gefunden hat, und er einen Scheidebrief schreibt und ihr in die Hand gibt und sie aus seinem Hause entlässt ..." (5. Mose 24,1)
Über diesen Vers wollten Pharisäer mit Jesus diskutieren. Luther schreibt dazu: "... sie versuchten ihn damit" (Mk 10,2), d.h. sie wollten ihn aufs Glatteis führen. Offensichtlich hatten sie gehört, dass Jesus sich bei anderer Gelegenheit gegen die Ehescheidung ausgesprochen hatte. Wenn sie ihn noch einmal zu dieser Aussage verleiten konnten, dann konnten sie ihm belegen, dass er gegen die Heiligen Schriften aus den Büchern Mose verstieß. Und das durfte der Messias, der Gesandte Gottes nicht tun!
Es war nicht das erste Mal, dass fromme Juden Jesus so auf die Probe stellen wollten. Er konnte dem auch gut begegnen, indem er sich seinerseits auf die Heilige Schrift bezog und die Pharisäer gleich bei der Bibelstelle packte, die sie selbst gegen Jesus wenden wollten. "Was hat euch Mose geboten?", das war Jesu Frage. Die Frommen müssen überrascht gewesen sein. Genau das hatten sie doch gegen Jesu Position anführen wollen, um zu verdeutlichen, dass eine Scheidung erlaubt sei. "Mose hat zugelassen, einen Scheidebrief zu schreiben und sich zu scheiden", war also die Antwort der Pharisäer. Welche Bibelstelle hier gemeint war, habe ich oben schon zitiert - 5. Mose 24,1.
Jesus nimmt diesen Faden auf: "Richtig", sagt er, "Mose hat die Ehescheidung erlaubt. Das hat er aber nur gemacht, weil er eure harten Herzen kannte, weil er wusste, dass Eheleute es sich manchmal so schwer machen, als ob sie miteinander einen Krieg führen. Da ist es dann vielleicht besser, wenn man sich trennt, als dass jeder Tag zur Hölle wird." Aber das ist nicht die Position Jesu und spiegelt auch nicht Gottes Willen wieder. Jesus greift deshalb seinerseits eine Bibelstelle auf, und zwar einen Satz aus dem 1. Schöpfungsbericht. "... von Beginn der Schöpfung an hat Gott den Menschen geschaffen als Mann und Frau". Und er fügt dann einen Satz aus dem 2. Schöpfungsbericht hinzu: "Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen und die zwei werden ein Fleisch sein ..." (Mk 10,8f; vgl. 1. Mose 1,27 [Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.] und 1. Mose 2,24 [Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden sein "ein" Fleisch.])
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Der Bibelstelle der Pharisäer setzt Jesus mit dem Verweis auf die Schöpfung Bibelstellen entgegen, die nach seiner Interpretation die Absicht Gottes mit Frau und Mann viel besser beschreiben als das Zitat von Mose, der aus menschlichen Erwägungen die Ehescheidung erlaubt - sie ist manches Mal das kleinere Übel. Aber Gottes Wille ist das für ein Ehepaar nicht. Wenn Jesus davon spricht, dass Mann und Frau ein Fleisch werden, so hat er das biblische Bild vor Augen, dass Gott Eva aus der Rippe Adams schuf. Und das ausdrücklich, weil Adam im Gegensatz zu den Tieren sonst kein Gegenüber hatte und sich ausdrücklich dieses Gegenüber wünschte. Als er seine Frau erkennt, stellt er fest: "... Das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch ..." (1. Mose 2,23) "Und wenn das so ist", sagt Jesus, "dass Gott Frau und Mann zusammengeführt hat, dann soll der Mensch die Ehe nicht scheiden."
Damit wird das Gespräch mit den Pharisäern beendet gewesen sein, aber das Thema war noch nicht durch. Die Jünger von Jesus hatten genau zugehört und die hatten ihre Frage. "Was ist eigentlich, wenn Geschiedene wieder heiraten?" Das kam doch vor. Und wer weiß, vielleicht war auch einer Jünger geschieden und hatte wieder geheiratet. Jesus bleibt bei seiner eindeutigen Position, dass die Scheidung nicht in Gottes Sinn ist, dass die Ehe nach einer rechtsgültigen Scheidung tatsächlich ein Ehebruch ist und gegen das 6. Gebot verstößt. "Wer sich scheidet von seiner Frau und heiratet eine andere, der bricht ihr gegenüber die Ehe; 12 und wenn sich eine Frau scheidet von ihrem Mann und heiratet einen andern, bricht sie ihre Ehe."
Dass dies tatsächlich die Position von Jesus gewesen sein muss, macht ein Satz des Apostel Paulus deutlich, den er etwa 30 Jahre später in der 2. Hälfte der 50er Jahre nach Christus seiner Gemeinde in Korinth schreibt: "Den Verheirateten aber gebiete nicht ich, sondern der Herr, dass die Frau sich nicht von ihrem Manne scheiden soll - hat sie sich aber geschieden, soll sie ohne Ehe bleiben oder sich mit ihrem Mann versöhnen - und dass der Mann seine Frau nicht verstoßen soll." (1. Korinther 7,10f)
Wie gehen wir heute mit der Ehescheidung um? Sie ist vielleicht um des "Herzens Härte willen" ein Weg, den manches Ehepaar beschreiten muss. Aber dem Willen Gottes und der Vorstellung Jesu entspricht das nicht. Vielleicht ist es in Krisensituationen hilfreich, wenn sich das Ehepaar an den Anfang des gemeinsamen Weges erinnert, wie man sich verliebt traf, wie man beschloss, gemeinsam durchs Leben zu gehen und zu heiraten, und wie man dann in der Trauung Gottes Segen empfing. Vielleicht kann diese Erinnerung Kraft gegen für einen neuen Anfang.
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Ralf Krüger - Lizenz (CC BY-SA 3.0)