EG 954.54 11. Sonntag nach Trinitatis

Wenn am letzten Sonntag - 10. nach Trinitatis - wir Christen uns über unser Verhältnis zum Volk Israel nachgedacht haben und uns vom Apostel Paulus mahnen lassen mussten, dass wir uns nicht selbst für klug halten (Röm 11,25) und überheblich auf die Juden herabschauen, so wird dieses Thema am 11. Sonntag nach Trinitatis fortgesetzt. Es geht um fromme und weniger fromme Menschen. Die Geschichte steht bei Lukas18,9-14.

Vom Pharisäer und Zöllner

Die Pharisäer waren fromme Juden, die sich ernsthaft bemühten, ihren Glauben so zu leben, wie Gott es in seinen Geboten beschrieben hatte. Sie beteten und besuchten regelmäßig die Gottesdienste, außerdem fasteten sie nicht allein in der Fastenzeit, sondern auch in den normalen Zeiten. Sie wollten sich so auf das besinnen, was wirklich wichtig ist im Leben. Und das war für sie allein Gott. Und sie gaben als Steuern für den Tempel in Jerusalem auch von allem, was sie einnahmen, den zehnten Teil, also 10% ab.

Daneben gab es Leute, die gehörten zwar formal zu den Juden, hatten aber mit dem Glauben und auch mit den religiösen Sitten nicht ganz so viel im Sinn. Besonders schlimm war es in den Augen der Zeitgenossen, wenn diese Menschen auch noch mit den Besatzern, den Römern, kooperierten und dabei die eigene Bevölkerung übers Ohr hauten. Zu dieser Sorte Menschen gehörten die Zöllner. Es waren Juden, die von den Römern die Zollstellen pachteten. Jeder, der Zoll bezahlen musste, kam an ihnen nicht vorbei. Einen Teil der Einnahmen mussten sie an die Römer abführen, den anderen Teil steckten sie in die eigene Tasche. Dabei nahmen sie es mit einer "Gebührenordnung" nicht sehr genau. Sie langten ordentlich zu. Wer nicht zahlen wollte, kam nicht in die Stadt und konnte keine Geschäfte machen. Also zahlte jeder. Man kann sich vorstellen, dass die Menschen auf diese Zöllner nicht sonderlich gut zu sprechen waren.

Eigenartigerweise fühlten diese Zöllner sich zu Jesus hingezogen. Doch davon erzähle ich zum Schluss noch etwas mehr. Zunächst einmal die Geschichte, die Jesus erzählte und die Inhalt des Evangeliums vom 11. Sonntag nach Trinitatis ist.

Beten im Tempel

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Jesus hatte ein paar besonders fromme Menschen vor sich, die schon damit prahlten, wie fromm sie waren und was sie Gutes taten. Besonders unangenehm war, dass man sofort merkte, dass sie auf die anderen, die nicht so fromm waren, verächtlich herabschauten. Deshalb erzählte Jesus ihnen eine Geschichte.

Da waren zwei Menschen, die gingen in den Tempel, weil sie beten wollten. Der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.

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Der Pharisäer wusste natürlich, wie er sich im Tempel zu verhalten hatte. Man sah es ihm sofort an, dass er oft beteten. Und dann ging er vor den Altar und breitete seine Arme zum Gebet aus.

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Und er sprach dann nicht unbedingt leise, sondern so, dass die, die in der Nähe standen, beinahe zwangsläufig zuhören mussten. Die sollten ruhig wissen, was er, der Fromme, Gott zu sagen hatte: "Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme."

Vielleicht hatte sogar der Zöllner, der abseits stand, diese Worte vernommen. Ihm war nicht wohl. Er wusste, dass er schon lange nicht im Tempel gewesen war. Und mit dem Beten hatte er es auch nicht so genau genommen. Aber jetzt hatte ihn ein inneres Bedürfnis getroffen. Er hatte einfach in den Tempel gehen müssen. Irgendwie musste er wieder mit Gott ins Gespräch kommen.

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Der Zöllner schlug an seine Brust und konnte nur einen Satz rausbringen: Gott, sei mir Sünder gnädig! Damit war alles gesagt, was in der letzten Zeit schief gegangen war. Und das stand fest: Es musste und es würde sich etwas ändern.

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"Das war die Geschichte", sagte Jesus, als die anderen um ihn herumstanden und nicht so recht wussten, was sie sagen sollten. Deshalb setzte Jesus noch einmal an und sprach aus, was sie eigentlich auch schon alle so verstanden hatten: "Dieser Zöllner ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener Pharisäer. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden." - So ist das bei Gott.

Ralf Krüger - Lizenz (CC BY-SA 3.0)