Beim Erntedankfest denken wir Christen daran, dass Gott uns alles, was wir fürs Leben brauchen, schenkt. Natürlich arbeiten wir, natürlich kaufen wir uns unsere Lebensmittel im Supermarkt - mancher zieht das Gemüse allerdings tatsächlich noch in seinem eigenen Garten - und wir brauchen neben der Nahrung auch Kleidung und Güter des täglichen Gebrauchs. Wenn wir es uns ermöglichen können, haben wir ein Auto, ein Haus, Computer, Tablet, Handy, Spielzeug etc. Aber in der letzten Konsequenz ist es nicht selbstverständlich, dass wir darüber verfügen können - und wir haben auch kein Anrecht auf all diese dinge -, sondern all das, was wir gebrauchen ist zugewiesen.
Wenn es uns gut geht, vergessen wir diesen Geschenkcharakter der Gaben allzu oft. Wir nehmen alles als selbstverständlich hin und wollen möglichst noch mehr haben! Jesus erzählt da eine Geschichte von einem sehr reichen Menschen, der den Hals nicht voll bekommen konnte. Dieses Evangelium steht bei Lukas im 12. Kapitel Verse 15-21.
Jesus beginnt seine Rede mit einer Warnung: "Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat." Das vergessen wir in unserer Zeit leider immer wieder.
Damit sich dieser Satz besser einprägt, erzählt Jesus eine Geschichte dazu. Es geht um einen reichen Mann, der aktuell eine sehr gute Ernte eingefahren hatte und somit seinen Reichtum vergrößern konnte. Der überlegte nun, was er mit seiner Ernte anfangen könnte. Dabei stellte er fest, dass seine Speichermöglichkeiten erschöpft waren. Alle Scheunen waren bis unters Dach voll. Da passte nichts mehr rein. Deshalb beschloss der Mensch, die alten Gebäude abzubrechen und neue, größere und funktionalere aufzubauen. Er würde alles nach den neuesten Gesichtspunkten planen und bauen. Dort wollte er dann die reiche Ernte lagern.
Bis dahin ist ja alles in Ordnung. Man könnte diesen Menschen loben, weil er Weitblick hat und Innovation zeigt.
Doch dann kommt der Satz, der seine ganze Haltung entlarvt: Ich "will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!" Nicht ein Wort des Dankes, nicht ein Moment die kurze Überlegung, dass sich solch eine komfortable Situation auch ändern kann, nichts davon. Alles ist selbstverständlich, alles wird so weitergehen.
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ARembrandt_-_The_Parable_of_the_Rich_Fool.jpg
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a1/Rembrandt_-_The_Parable_of_the_Rich_Fool.jpg
Rembrandt [Public domain], via Wikimedia Commons
Die Bibel erzählt an verschiedenen Stellen, dass wir Menschen nicht über alles verfügen können, dass uns Grenzen gesetzt sind. Mit solch einer Grenze - ja mit der endgültigen Grenze, die wir Menschen nur einmal überschreiten, mit dem Tod wird der reiche Mann in der Geschichte konfrontiert: Gott spricht zu ihm: "Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast?"
Eine der eindrücklichsten Stellen, die diese Grenze des menschlichen Lebens in den Blick nehmen, ist der 90. Psalm: "Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden." (Ps 90,12) Wir verdrängen diesen Gedanken sehr oft, weil nicht an den Tod denken wollen und weil der uns auch Angst macht. Die Bibel will aber nicht, dass wir Angst haben. Wir sollen angesichts des Todes klug werden. Was heißt es denn, dass wir klug werden?
Das, was ich oben schon gesagt habe: Danke sagen, gegenüber Gott als dem Schöpfer unseres und allen Lebens, Danke sagen gegenüber denen, die uns versorgen, die für uns arbeiten, die uns zur Seite stehen, unseren Wohlstand nicht als selbstverständlich hinnehmen, sondern als etwas, auf das wir keinen Anspruch haben; und das im Blick haben, was Jesus zuerst sagte: "Niemand lebt davon, dass er viele Güter hat." Vielmehr leben wir von der liebevollen Zuwendung unserer Mitmenschen, wir leben von der Freude und der Liebe, wir leben vom Miteinander, wir leben, wenn wir mit Gott im Reinen sind.
Jesus schloss seine Geschichte mit dem Satz: "So" - dass er plötzlich und unvorbereitet stirbt, dass er mit seinem Reichtum nichts anfangen kann, dass alles nur eine ganz große Katastrophe und aus und vorbei ist - " so geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott."
Das Gedicht von Theodor Fontane beschreibt einen Menschen, der auch reich war, der aber seinen Reichtum nicht über alles gestellt hat, der abgeben und teilen konnte, der seinen eigenen Tod akzeptierten und darüber hinausdachte.
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit,
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn’s Mittag vom Thurme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: „Junge, wist’ ne Beer?“
Und kam ein Mädel, so rief er: „Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb’ ne Birn.“
So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. ’s war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit,
Da sagte von Ribbeck: „Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit in’s Grab.“
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner, mit Feiergesicht
Sangen „Jesus meine Zuversicht“
Und die Kinder klagten, das Herze schwer,
„He is dod nu. Wer giwt uns nu ’ne Beer?“
So klagten die Kinder. Das war nicht recht,
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht,
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt,
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals er that,
Als um eine Birn’ in’s Grab er bat,
Und im dritten Jahr, aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.
Und die Jahre gehen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet’s wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung’ über’n Kirchhof her,
So flüstert’s im Baume: „wiste ne Beer?“
Und kommt ein Mädel, so flüstert’s: „Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew’ Di ’ne Birn.“
So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.
aus: Gedichte, S. 318–319; 10. Auflage 1905, Erstdruck 1889, Stuttgart und Berlin
https://de.wikisource.org/wiki/Herr_von_Ribbeck_auf_Ribbeck_im_Havelland_(Fontane)
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AMaloideae_pear_Petersbirne_10_Juli_2003.jpg
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a7/Maloideae_pear_Petersbirne_10_Juli_2003.jpg
I, Hedwig Storch [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or
CC BY-SA 2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5-2.0-1.0)], via Wikimedia Commons
Ralf Krüger - Lizenz (CC BY-SA 3.0)