Das Evangelium für den 16. Sonntag erzählt wieder eine Wundergeschichte, die Totenauferweckung des Lazarus. Man findet die Geschichte beim Evangelisten Johannes Kapitel 11 die Verse 1.3.17-27 (41-45). Der Link öffnet die Verse 1-45, also die Geschichte insgesamt. Der Gesprächsteil mit Maria (VV 28-40) ist aber in der Perikopenordnung nicht vorgesehen und wird deshalb hier auch ausgelassen.
Von Jesus werden drei Totenauferweckungen erzählt: eben hier die seines Freundes Lazarus, dann die Auferweckung der Tochter des Synagogenvorstehers Jairus (Markus 5,21-43 und Lukas 8,40-56) und die Auferweckung eines jungen Mannes aus dem Ort Nain (Lukas 7,11-17).
Allerdings gehen die Evangelisten mit diesen besonderen Wundern verschieden um. Der Evangelist Markus legt am Ende der Wundergeschichte Jesus ein Schweigegebot in den Mund. In den Versen 41-43 lesen wir: Jesus "ergriff das Kind bei der Hand und sprach zu ihm: Talita kum! - das heißt übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf! Und sogleich stand das Mädchen auf und ging umher; es war aber zwölf Jahre alt. ... Und er gebot ihnen streng, dass es niemand wissen sollte ..." Der Evangelist Lukas, der im 8. Kapitel die Geschichte von Markus übernimmt, tut dies auch mit dem Schweigegebot.
Am 12. Sonntag nach Trinitatis hatten wir nach der Heilung eines taubstummen Menschen auch schon einmal solch ein Schweigegebot vorgefunden. Ich hatte darauf hingewiesen, dass wir hier mit dem so genannten "Messiasgeheimnis" des Evangelisten Markus konfrontiert werden. Auch heute muss ich erst einmal sagen, dass ich später versuchen werde, diesen Begriff für Konfirmanden verständlich zu erklären. Vorerst verweise ich weiter auf die Erklärungen bei Wikipedia.
Allerdings werden die Wunder auch anders gesehen. Bei Johannes zielt die Totenauferweckung des Lazarus darauf, dass die Menschen zum Glauben an Gott finden. In Jesus haben sie seine Kraft gesehen. Am Ende der Geschichte heißt es: "Viele ... von den Juden, die ... sahen, was Jesus tat, glaubten an ihn." (Joh 11,45) Und auch Lukas erzählt in der Geschichte von der Auferweckung des jungen Mannes aus Nain, dass die Menschen Gott priesen "und sprachen: Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden, und: Gott hat sein Volk besucht. Und diese Kunde von ihm erscholl in ganz Judäa und im ganzen umliegenden Land." (Lk 7,16-17)
Nach diesen Vorinformationen folgt aber die Geschichte selbst. Johannes erzählt, dass im Dorf Betanien, das ungefähr eine halbe Stunde Fußmarsch von Jerusalem entfernt liegt (V 18), die Geschwister Lazarus, Maria und Marta wohnen. Mit diesen dreien ist Jesus befreundet. Lazarus ist offensichtlich schwer krank. Man muss mit dem Schlimmsten rechnen. Deshalb schicken die beiden Schwestern Nachbarn zu Jesus und lassen ihm ausrichten: "Herr, siehe, der, den du lieb hast, liegt krank."
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Jesus macht sich nicht sofort auf den Weg. Erst nach ein paar Tagen zieht er los. Als er dann in Betanien ankommt, liegt Lazarus schon vier Tage im Grabe. Da Batanien nicht weit von Jerusalem entfernt liegt, sind in der Zwischenzeit etliche Jerusalemer zu den beiden Frauen gekommen, um ihnen das Beileid auszusprechen und um sie zu trösten.
Marta ist die erste, die hört, dass Jesus angekommen ist. Sie geht ihm entgegen, während Maria vorerst im Hause bei den Trauergästen bleibt. Später kommt auch sie nach, was hier auf dem Bild gleich zusammengefasst wird.
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Noch bevor Jesus Marta begrüßen kann, muss er sich ihren Vorwurf anhören: "Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben." Gleichzeitig hat sie die Hoffnung, dass Jesus auch jetzt noch eine Wendung herbeiführen kann und fügt hinzu: "Aber auch jetzt weiß ich: Was du bittest von Gott, das wird dir Gott geben."
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Jesus geht auf den Vorwurf nicht ein und erklärt ganz ruhig und einfach: "Dein Bruder wird auferstehen." Der Leser, der die Geschichte kennt, weiß, dass genau dies am Ende passieren wird, dass Lazarus aufersteht. Aber das kann Marta noch nicht wissen. Sie antwortet Jesus: "Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird - bei der Auferstehung am Jüngsten Tage."
Jetzt folgt ein Wort Jesu, das weit über die Totenauferweckung hinausweist und das bis heute Menschen anspricht und Kraft gibt, die einen geliebten Menschen verloren haben. Jesus sagt zu Marta:
"Ich bin die Auferstehung und das Leben.
Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt;
und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.
Glaubst du das?"
Und Marta antwortet:
"Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist."
Eigentlich hätte die Geschichte hier auch zu Ende sein können. Jesus hätte die beiden Schwestern in den Arm nehmen können: "Lasst uns nach Hause gehen und zu Gott beten, damit er uns Kraft gibt. Lasst uns aber auch daran denken, dass wir einmal sterben müssen. Das soll uns keine Angst einjagen, vielmehr soll uns diese Erkenntnis klug machen. Wir sollen erkennen, dass wir über unser Leben nicht selbst verfügen. Bei Lazarus haben wir gesehen, wie schnell das Leben zu Ende sein kann. Jeden Tag unseres Lebens bekommen wir als Geschenk aus Gottes Hand, und dieses Geschenk dürfen wir gestalten, nach bestem Wissen und Gewissen, nach Gottes Wort in seinen Geboten. Wenn wir das tun, dann können wir unser Leben zum Schluss Gott auch wieder zurückgeben. Er schenkt uns dafür die Auferstehung von den Toten."
Wie gesagt, so hätte die Geschichte auch enden können, aber sie ging weiter. Diesmal sollen die Menschen sehen, welche Kraft und Macht Gott über den Tod hat. Jesus lässt sich zum Grab von Lazarus führen. Die Männer sollen den Stein vor der Grabesöffnung entfernen. Marta denkt wohl, dass Jesus ins Grab gehen und seinen toten Freund noch einmal sehen will. Deshalb warnt sie ihn: "Herr, er stinkt schon; denn er liegt seit vier Tagen." Marta weiß, die Verwesung muss schon eingesetzt haben.
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Jesus tröstet Marta: "Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?"
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Und dann breitet Jesus die Arme aus und betet zu Gott: "Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich weiß, dass du mich allezeit hörst; aber um des Volkes willen, das umhersteht, sage ich's, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast."
Und nachdem er so zu Gott gebetet hat, ruft er mit lauter Stimme: "Lazarus, komm heraus!" Und tatsächlich, der Tote kommt aus dem Grab. Noch ist er am ganzen Körper mit Grabtüchern bedeckt. Aber Jesus fordert die Umstehenden auf, ihm die ganzen Leichentücher abzunehmen.
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Auch wenn Johannes am Ende der Geschichte schreibt "Viele nun von den Juden, die zu Maria gekommen waren und sahen, was Jesus tat, glaubten an ihn.", hat Jesus dieses Wunder der Totenauferweckung nicht vollbracht, um selbst als der große Held dazustehen. Er hat es getan, damit die Menschen glauben, dass Gott ihn in die Welt gesandt hat und dass die Welt durch Jesus gerettet wird. So heißt es auch folgerichtig bei Johannes im 3. Kapitel: "Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben." (Joh 3,16)
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Ralf Krüger