EinBlickLange liege ich schon neben dir, doch du schenkst mir keine Beachtung, würdigst mich keines Blickes. Wie sehr sehne ich mich nach deiner Aufmerksamkeit, deiner Berührung. Doch du starrst nur an die Decke. Interessierst du dich denn gar nicht für mich und meine Geschichte? Da entkommt dir ein Seufzer, du richtest dich langsam auf und schiebst deine rechte Hand in meine Richtung. Zaghaft berührst du meinen Rücken. Wie gut das tut. Du hast dich für mich entschieden. Und ich, ich will dir die Welt zu Füßen legen. Ich werde dir meine Geschichte erzählen, und wir werden Stunden miteinander verbringen mit Lachen und mit Weinen. Ja, auch mit Weinen, denn ich werde dich nicht nur aufheitern, ich werde dir auch von Kummer und Nöten erzählen. Ich werde dich deine Sorgen vergessen lassen, und deine Welt größer machen. Ich bin dein stummer Begleiter, deine Ablenkung, deine Konzentration und du wirst in mich eintauchen wie in ein tiefes Meer, das dich alles rundherum vergessen lässt. Seite um Seite werden wir uns besser kennen lernen. Und wenn wir uns verabschieden müssen, wirst du vielleicht noch einmal sachte meinen Rücken berühren. Und wenn dir dann erneut ein leiser Seufzer entkommt, dann machst du mich sehr glücklich. Dann kann ich davon zehren und träumen, wenn du mich wieder zurück stellst in dein staubiges Bücherregal.
2Blicke
Du schaust mich an und doch wieder nicht. Dein Blick gleitet durch mich hindurch. Wer bin ich? Bin ich ich, bin ich du? Träume voll Glas. Ich bin nichts ohne dich. Und du? Du siehst durch mich hindurch. Manchmal erhasche ich ein Lächeln von dir. Wenn ich dann zurücklächle, scheinen wir fast eins zu sein. Doch oft bist du voll Hass und Zorn, du runzelst die Stirn und schneidest Grimassen. Schatten scheinen sich dann zwischen uns zu schieben. Ich werde zur hässlichen Bestie, wir beide fletschen die Zähne. Fast scheint es, als ob du mich vernichten willst. Aber ich liebe dich doch. Ich bin nichts ohne dich. Du, ja du, du bist Fleisch und Blut. Aber ich bin nur Schein, nur Tand aus Menschenhand. Zerbrich mich nicht. Du weißt, sieben Jahre Unglück. Schau mir in die Augen und erkenne all die verborgene Schönheit. Zeige mir dein Lachen, lasse mich in dein Herz blicken. Du bist schön, ich bin schön, wir sind schön. Träume aus Glas.
3Blicke
Dein Blick geht ins Leere, in die Vergangenheit. Die Gegenwart scheint ein Ort zu sein, der dich langweilt und auch schmerzt. Die Zukunft eine äußerst fragliche Angelegenheit. Doch dann öffnet sich dein Blick, deine linke Hand greift nach mir, und du setzt mich auf deinen Kopf. Ein wenig schief, doch mit Schwung und Eleganz. „Nicht wahr“, sagst du, „der steht mir gut dieser Hut. Dieser Hut steht mir gut, nicht wahr.“ Du sagst es voll Überzeugung. Und ein Lächeln huscht über dein Gesicht. In diesem Moment bist du wieder jung und hübsch. Die Männer drehen sich nach dir und deinem Hut um. Du bist begehrenswert. Es ist eine Zeit voll Hoffnung und Liebe, voll Möglichkeiten und Zukunft. Doch dann schiebt sich ein Schleier über deine Augen. Du scheinst dich zu wundern, was du am Kopf hast und legst mich verstört auf den Tisch. Dein Blick geht ins Leere, in die Vergangenheit. Die Gegenwart scheint ein Ort zu sein, der dich langweilt und auch schmerzt. Die Zukunft eine äußerst fragliche Angelegenheit.
Foto: Eigenes Werk (Ausschnitt Seidenmalerei "Nixe", mittels Photoshop bearbeitet)