Debatte um das Grundeinkommen / NDR
Sendedatum: 11.01.2012, 21:05 Uhr
Mein Kommentar (in schwarzer Schrift) zu Herrn Christoph Butterwegge Argumente (in grüner Schrift) gegen ein Bedingungsloses Grundeinkommen (bGE):
Schikanen gegen den Hartz4-Bezieher fielen bei einem Grundeinkommen zwar weg, aber es müsste doch weiter kontrolliert werden, weil sonst jemand schwarzarbeitet.Bei einer Umstellung des Steuersystems auf eine reine Konsumsteuer gibt es keine Schwarzarbeit mehr. Es wird dann nicht mehr die Leistungserbringung besteuert, was leistungshemmend ist, sondern nur noch der Konsum.
Außerdem würden ca. eine Billionen Euro jährlich gebraucht, für die Auszahlung des bGE und das sei nicht zu machen.Es geht nicht um die Geldscheine, sondern um die Güter und Dienstleistungen und ob davon genug da ist, damit es verteilt werden kann. Es i s t genug davon da.
Eine Konsumsteuererhöhung würde Kinder, Bettler und den Müllmann treffen und wäre deshalb ungerecht.Die Konsumsteuer ist beliebig anpassbar in ihrer Höhe. Auch heute schon werden die existenzsichernden Güter (leider nicht alle) bereits mit einem geringeren Steuersatz belegt, z.B. 7%. Außerdem werden n a c h Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommen die Güter und Dienstleistungen preiswerter, da die Lohnkosten sinken werden. Das Bedingungslose Grundeinkommen wird in die Löhne eingerechnet.
Die Armen müssten selber das Geld aufbringen, um das Bedingungslose Grundeinkommen zu realisieren. Die Reichen würden gleichzeitig denselben Mehrwertsteuersatz bezahlen wie die Armen und Bettler.Erstmal was Herr Butterwegge verschweigt, ist das ein Bedingungsloses Grundeinkommen eine ungeheure Befreiung der Menschen in prekären und armseligen Verhältnissen wäre, denn ihre Existenzsicherung ist durch ein bGE gesichert. Das ist Gold wert! Herrn Butterwegge interessiert das gar nicht. Er sagt, dass es weiterhin Reiche und weiterhin Arme geben würde, was zumindest bei den Armen nicht zutrifft. Die Konsumsteuer ist, wie bereits vorher schon gesagt anpassbar, z.B. auf Luxusgüter. Eine Steuerhinterziehung bei Konsumsteuer ist nicht so leicht, wie heute bei der Einkommenssteuer.
Dass die Armen das Geld aufbringen müssten für ein bGE, stimmt nicht. Die jährliche Wertschöpfung wird von unserer Wirtschaft erbracht, an der viele von uns teilnehmen und sehr viele Maschinen mitwirken, automatisierte Arbeitsabläufe dies leisten. Aufgebracht werden muss nicht Geld, sondern die benötigten Produkte. Und die werden von uns allen erzeugt.
Das Bedingungslose Grundeinkommen würde alle "über einen Kamm scheren", sagt Herr Butterwegge, und meint damit, es sei nicht gut, wenn alle ein bGE bekämen. Die soziale Kluft zwischen Arm und Reich würde durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen noch größer. Existenzsicherung ist ein Menschenrecht, für Herr Butterwegge scheinbar nicht vorstellbar. Die Menschen müssten nach ihren Bedürfnissen behandelt werden, meint er. Dass die soziale Kluft größer wird, ist die Unwahrheit. Wer existenziell versorgt ist, bedingungslos, steht deutlich besser da als heute.
Herr Werner verweist darauf, das Unternehmen Steuern nur abführen, aber nicht zahlen. Zahlen würden die Konsumenten. Auf dieses Argument geht Herr Butterwegge gar nicht ein.
Hier nochmal meine Erklärung dieses Sachverhalts:
Die Unternehmen verrechnen die abgeführten Steuern in die Preise, die dann die Kunden bezahlen. Natürlich zahlt auch der Unternehmer Steuern. Und zwar in dem Moment, wenn er selber als Kunde auftritt und etwas kauft. Z.B. wenn er seinen Maserati kauft oder seine Burg, oder seine Zweitwohnung und so weiter. Das heißt, Steuern werden immer erst beim Konsum bezahlt, egal wo die Steuer zugreift. Die heutigen Einkommens- und Unternehmenssteuern haben aber trotzdem einen Nachteil. Sie belasten die Leistungserbringung, weil sie da gleich im Moment der Erbringung oder kurz danach abgeführt werden müssen. Dem Leistungserbringer steht dann immer sofort weniger Geld zur Verfügung. Seine Richtungsentscheidung, wie er mit dem Geld verfahren will, wird ihm weggenommen. Anders bei der Konsumsteuer. Hier ist die Leistungserbringung erstmal steuerfrei und erst wenn konsumiert wird, fällt die Steuer an.
Der Unternehmer muss dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer morgens wieder gesund ernährt und gekleidet wieder zur Arbeit kommen kann. Wenn das der Staat und nicht mehr der Unternehmer zahlen würde, wäre das staatlich subventioniertes Lohndumping, ein Kombilohn-Modell. Hier will Herr Butterwegge ein Abhängigkeitsverhältnis weiter aufrechterhalten. Das typische Feind- und Abhängigkeitsverhältnis der Linken zu dem "Unternehmer" scheint da durch.
Da ist die Formulierung von Herrn Werner allemal besser, weil sie einen Individualanspruch an die Gemeinschaft formuliert und die Individualität des Menschen in Freiheit hervorhebt: Der Mensch braucht ein Grundeinkommen, damit er seine Fähigkeiten einbringen kann. - Und dies wird dann gemeinschaftlich geleistet.
Was das "Lohndumping" angeht: die geringeren Löhne, die der Unternehmer zahlt, führen zu geringeren Produkt- und Dienstleistungspreisen, so dass kein Nachteil für den Arbeitnehmer entsteht. Und es ist kein Kombilohn-Modell, sondern ein Kombieinkommen, bei dem es sich immer lohnt zu arbeiten, weil der erste Euro schon zur freien Verfügung verwendet werden kann. Außerdem könnte der Arbeitnehmer auch umsonst arbeiten, wenn ihm die Arbeit sinnvoll und wichtig genug wäre, da seine Existenz durch das bGE abgesichert ist.
Herr Butterwegge meint, durch ein bGE würde es noch mehr Lohnungleichheit geben und der Niedriglohsektor würde sich trotzdem weiter ausbreiten. Er will einen Mindestlohn, was er aber nicht richtig sagen konnte. (Bitte den Beitrag nachhören.)Was Herr Butterwegge immer wieder verschweigt, so kommt es mir vor, ist die enorme Freiheit, die durch ein bGE auf die Menschen zukommt. Lohnungleichheit, Niedriglohnsektor, das ist ja für den bGE-Bezieher uninteressant, erstmal, er ist abgesichert! ;-)
Herr Butterwegge sagt, das ein Bürger mit 1000 Euro Grundeinkommen nicht leben könnte in Deutschland, z.B. in München, und da er die höhere Mehrwertsteuer zahlen müsste, wäre er letztlich noch ärmer.Hier wird wieder deutlich, das Herr Butterwegge sich nicht wirklich mit dem bGE beschäftigt (beschäftigen will?). Das bGE soll die Existenzsicherung leisten, also soviel an Nahrung, Kleidung, Wohnung, Energie ermöglichen, dass die Bürgerin und der Bürger bescheiden aber menschenwürdig leben können. Das heißt, der Geldbetrag muss i m m e r so hoch sein, dass dies möglich ist, oder das Grundeinkommen wird als Sachleistung gegeben, weil es letztlich auch nur um die Sache geht.
Im Übrigen sollte die heutige Frechheit erwähnt werden, die wir der Schröder/Fischer-Regierung zu verdanken haben, das Hartz-Konzept, wo die Menschen zur Zwangsarbeit getrieben werden, sonst bekommen sie gar nichts. Und bei Nicht-Befolgung von Regeln werden sie mit Geldabzug bestraft. In Anbetracht dieser Realität sind die Äußerungen von Herr Butterwegge einfach nur dreist und unverschämt, bezogen auf eine bedingungslose Auszahlung von 1000 Euro. Denn das wäre ja im Verhältnis zur heutigen Schande ein Paradies.
Butterwegge will eine bedarfsgerechte, armutsfeste und repressionsfreie Grundsicherung:Nur der, der Bedarf hat; auch cirka 1000 €; kein Druck mehr durch die Jobcenter; aber die Vermögen müssen offengelegt werden und die Leute seien weiterhin verpflichtet, sich erstmal selbst durch Arbeit zu ernähren. Der der (hart) arbeitet, dem soll es besser gehen, als dem der nicht arbeitet.Diese Aussagen sind bezeichnend für Herrn Butterwegges Menschenbild. Er will die Ideologie des Umgangs mit Menschen in der Sache beibehalten: Nachweis des Kontostands und der Bedürftigkeit und damit Prüfung von beidem. Also kein Vertrauen gegenüber den Menschen! Die einzige Einschränkung zur heutigen Situation in seinen Forderungen ist, das er die Schikanen der Jobcenter auch nicht mehr will. Aber hier beisst sich die Katze in den Schwanz. Denn diese Aufteilung der Menschen in z u r e c h t bedürftige und solchen, die es nicht sind, geht n u r über ein Repressionssystem aus Drangsalierung, Einschüchterung, Nötigung, Drohung und Missachtung einer Vielzahl von Grundrechten und Menschenrechten, sonst würden sich die Menschen diesem Druck ("Du kriegst kein Geld, suche dir erstmal was auf dem Arbeitsmarkt.") einfach entziehen. Gerade aus dem Grund, dass das ja passiert, entstand ab Anfang 2002 das Hartz-Konzept, bei dem Arbeitsamtleute und Gewerkschafts-Leute leider mitgewirkt haben.
Butterwegge will gesetzlichen Mindeslohn, Tarifverträge und Gewerkschaften stärken. Ein bGE würde die Gewerkschaften schwächen und die Gefahr würde noch größer, dass die Menschen in den Niedriglohnsektor abrutschen.Bei Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommen wären die Menschen die größte Sorge los: nämlich die existenzielle Absicherung. Der sogenannte Niedriglohnsektor wäre nicht mehr angsteinflösend. H e u t e ist dieser Sektor ein Problem, weil die Jobcenter und Arbeitsagenturen die Menschen in diesen Bereich hineinzwingen können. (siehe diverse Drohungen an Mittelkürzungen im "Merkblatt für Arbeitslose".) Wer im Niedriglohnsektor keine Arbeit annimmt, bekommt heute auch kein Geld vom Jobcenter / Arbeitsagentur. D a s ist das Problem.
Nach Einführung eines bGE würden stattdessen schon kleine Einkommen interessant sein, weil dann jeder Cent zur persönlichen Verwendung genutzt werden kann. Wohingegen die heutigen kargen Löhne im Niedriglohnsektor auch noch für die Existenzsicherung verbraten werden müssen (Mietkosten, Essen, Kleidung, Energie). Da bleibt kaum noch was übrig für die persönliche Verwendung.
Also nach Einführung eines bGE würde es den Menschen deutlich besser gehen als heute.
Butterwegge: Die Arbeit geht uns nicht aus. Wir müssen nur da das Geld hin lenken, wo das Geld gebraucht wird: Gesundheitsbereich, Pflege, Kinderbetreuung etc.Arbeit ist nicht gleich Arbeit. Arbeit, die nach Leistungskriterien bewertet wird, kann am Markt, im Wettbewerb einen bestimmten Marktpreis erzielen. Die Arbeitsleistung ist messbar. Hier kann man den Markt entscheiden lassen, wie hoch der Lohn sein soll. Genau diese Arbeit ist es aber auch, die durch Automation von Arbeitsabläufen, technischen Fortschritt, wegrationalisiert wird und unwiederbringbar verloren geht.
Im Bereich der kulturellen Arbeit hingegen, Arbeit mit Menschen, Erziehung, Kunst, Betreuung, ist dieses Vorgehen nicht möglich, da die individuelle Zuwendung, die Subjektivität des einzelnen Tätigen von Bedeutung ist.
Hier ist es wichtig, diese Arbeit den Menschen zu ermöglichen. Durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen würde den Menschen die Arbeit ermöglicht. Sie müssen nicht mehr arbeiten gehen und können sich aus freien Stücken den Dingen und Themen zuwenden, die ihnen wichtig erscheinen.
Mein Eindruck: Herr Butterwegge lässt sich nicht auf eine neue Perspektive ein. Worüber er nie positiv spricht, ist die Freiheit, die die Menschen durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen erlangen würden. Irgendwie interessiert ihn das gar nicht. Schade.
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