bGE-Perspektiven-Attac-Werner-Vergleich

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Ein Vergleich der bGE-Modelle von Attac und Götz Werner

Was mir auffällt.

Ich beziehe mich erstmal auf den Flyer der Attac »AG Genug für Alle« (Positionspapier).[1] Warum Modelle, wo doch zum Beispiel im Wikipedia-Eintrag von keinem Attac-Modell die Rede ist? Im Flyer selbst wird von »das bge nach diesem Modell« gesprochen. Also hat Attac ein eigenes bGE-Modell entwickelt.

Im Absatz zur Höhe des bGE steht im Flyer, dass der Betrag ständig anzupassen ist. Dem ist vollständig zuzustimmen. Im nächsten Absatz »Genug für alle - die Vision der Grundeinkommensgesellschaft« finde ich Überlegungen wieder, denen ich mich auch immer mehr zuwende, nämlich unabhängig von der Geldfrage danach zu trachten, die existenziell notwendigen Güter und Dienstleistungen als »Service« der Gemeinschaft (Stichwort »Kostenlose Infrastruktur«) allen Menschen zugänglich zu machen. Ist dies nämlich in einem hohen Maße erreicht, relativiert sich die Frage nach der notwendigen Höhe des bGE.

»Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge« und »Ausbau der gesellschaftlichen Infrastruktur« sind hier die Stichworte im Flyer und weiter »In dem Ausmaß, wie solche Dienstleistungen den BenutzerInnen kostenlos zur Verfügung stehen, kann der ausgezahlte Geldbetrag des bge verringert werden.« Dem ist nichts hinzuzufügen. Das ist von Attac sehr gut erkannt und hat meine Unterstützung.

Im nächsten Absatz »Solidarische Absicherung im Alter und bei Krankheit« kommt die »Solidarische Bürgerversicherung« ins Spiel. Bei Christoph Butterwegge [3][7] finde ich dazu, »solidarisch« heißt, zu verhindern das es sich die »privilegierten Personengruppen erlauben würden, sich ihrer Verantwortung für sozial Benachteiligte zu entziehen« und »Solidarisch zu sein meint, dass die Bürgerversicherung zwischen ökonomisch unterschiedlich Leistungsfähigen einen sozialen Ausgleich herstellen muss.«

Dabei geht es offensichtlich darum, die Unternehmer am Schlafittchen zu packen und zum Gemeinschaftsbeitrag zu zwingen. (Sonst sehen die das ja nie ein. ;-) ) So nebenbei wird auch deutlich, dass in dem bGE-Modell von Attac hälftige Sozialabgaben und Unternehmenssteuern beibehalten werden sollen. In der 5-Punkte-Darstellung des bGE spricht Attac von »negativer Einkommenssteuer«, was darauf schließen lässt, das Attac nicht daran denkt, ein reines Konsumsteuer-Modell zu wählen, wie es beim Götz-Werner-Ansatz der Fall ist.

Weiterhin ist in diesem Absatz von »Gesetzliche Renten- und Krankenversicherung« die Rede. Wieso Rentenversicherung wenn es das bGE gibt? Eine Erklärung darüber ist im Flyer nichts zu finden. Und dann dieser Satz »Unabhängig von ihren durch Beiträge erworbenen Ansprüchen muss jede Person ab Erreichen des Renteneintrittsalters ein armutsfestes Mindesteinkommen erhalten.«. Heißt das es gibt »mehrere bGEs« nach Vorstellung von Attac? Einmal das bGE, dann ein »armutsfestes Mindesteinkommen«? Scheinbar ja. Denn im nächsten Absatz taucht das bGE eingereiht in den »Bürgerversicherungen« auf: »Das Ziel: Die Bürgerversicherungen (bge, KV, RV) werden durch die Versicherten selbst verwaltet.« Auch hier wird wieder deutlich, dass es Attac darum geht, die Unternehmer nicht aus den Augen zu verlieren, die sich scheinbar um ihre Aufgabe drücken. Deshalb will Attac die »Solidarische Einfachsteuer«.

»Attac hat zusammen mit ver.di und der IG Metall das Konzept der Solidarischen Einfachsteuer (SES) ausgearbeitet.»

Obwohl ich mich schon seit geraumer Zeit mit Steuerfragen im Zusammenhang mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen beschäftige, erfahre ich jetzt das erste Mal von diesem Ansatz, der scheinbar schon seit 2004 in Umlauf ist.[4] (Auch interessant: Ralf Krämer hat an diesem Steuerkonzept mitgearbeitet. Krämer lehnt das Bedingungslose Grundeinkommen ab.[5])

Aus der Presseerklärung von 2004 wird der Ansatz der »Einfachsteuer« deutlich: »Das Konzept einer solidarischen Einfachsteuer von ver.di und Attac führt dazu, dass Reiche und Superreiche, Bezieher hoher Einkommen und wirtschaftlich stabile Unternehmen wieder einen erheblich höheren Anteil an der Finanzierung öffentlicher Leistungen aufbringen.«[6]

Im nächsten Abschnitt wird es jetzt ganz doll. :-)

Dort steht: »Vorrangig ist spätestens gleichzeitig mit der Einführung des bge ein gesetzlicher Mindestlohn festzulegen, der bei voller Erwerbstätigkeit ein Einkommen deutlich oberhalb der Armutsgrenze garantiert, damit das Grundeinkommen nicht zu Lohnsenkungen benutzt werden kann.«

Heißt das, dass mit Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommen welches existenzsichernd ist, ein weiteres Einkommen existenzsichernd sein muss. Nämlich das »Erwerbseinkommen«? Denn weiterhin steht dort: »Auch mit einem bge muss allen Menschen, die das wollen, ein Erwerbsarbeitsplatz zur Verfügung stehen; ...«.

»Muss«? Was heißt »muss«. Sollen zwangsweise Arbeitsplätze bereitgestellt werden. Wer gibt das in Auftrag. Wie soll man sich das vorstellen. Und wenn ein Mindestlohn bei Erwerbseinkommen garantiert sein soll, wäre ja der Lohn existenzsichernd (»oberhalb der Armutsgrenze«) als auch das bGE. Dann bekäme ein Vollzeitbeschäftigter ein mindestens existenzsicherndes bGE plus einem mindestens existenzsicherndes Erwerbseinkommen. Das ist doppeltgemoppelt und unsinnig. Bin mal gespannt, wen Attac mit solchen Vorschlägen begeistern kann.

Auch lustig: »Maßnahmen zur Förderung gesellschaftlichen Engagements und weitere Angebote für die vielen von der bisherigen Arbeitsgesellschaft ausgepowerten Menschen sind zu entwickeln.« Wer ausgepowert ist, braucht keine Förderung zum Aktivsein (»gesellschaftliche Engagements«), sondern braucht eher eine Ruhephase.

Im Abschnitt »Chancengleichheit« spricht Attac zwar von der Entkopplung von Arbeit und Einkommen, aber in sehr seltsamen Formulierungen. Das Einkommen steht hier im Kontext des »materiellen Überlebens« und die Arbeit wird subsumiert unter »Zwang zur Lohnarbeit«. Das scheinen mir sehr verkürzte und einseitige Sichtweisen zu sein. Arbeit ist in so vielen Varianten denkbar und wieso muss von »Zwang« gesprochen werden, wenn es sinnvolle, nützliche und notwendige Arbeiten gibt. Schon eigenartig. Und wieso muss man von »Überleben« sprechen, »Leben« würde doch genügen. :-)

Ich beziehe mich jetzt bei der Beschreibung des Götz Werner-Modells ebenfalls nur auf einen Text, und zwar auf einem Artikel von 2007, »Selbstbestimmt initiativ werden«.[ 2]

In dem Artikel geht es um die Frage, was die Aufgabe der Wirtschaft und der Unternehmen ist. Es ist nicht die Aufgabe der Unternehmen Profite zu machen und es ist auch nicht die Aufgabe von Unternehmen und Unternehmern Arbeitsplätze zu schaffen. Aber beides können sie »wenn die erste Aufgabe, die Herstellung absatzfähiger Güter und Dienstleistungen gelingt.« Erwerbseinkommen entstehen über die Preise, die die Unternehmen für ihre Güter und Dienstleistungen erzielen. Das bedeutet: »Einkommen [sind] letztlich ein Teil der Gesamtwertschöpfung und nur durch sie zustande kommen: sie sind in den Preisen derjenigen Produkte enthalten, die wir kaufen.«

Weiterhin heißt es, »juristische Personen« (Unternehmen) können keine Steuern zahlen (sondern nur Privatpersonen). Auch wenn es heute »Unternehmenssteuern« gibt und die Unternehmen »buchhalterisch« ihre Steuern an den Staat zahlen, so zahlen real und tatsächlich die Kunden die Steuern, in den Preisen der Produkte und Dienstleistungen:

»Ein genauer Blick macht deutlich, dass für Unternehmenssteuern letztlich das gleiche gilt wie für jeden anderen Kostenfaktor: sie werden von den Unternehmen in die Preisen einkalkuliert, sind also in den Preisen enthalten.« Alle Steuern werden letztlich von den Kunden und Konsumenten gezahlt, denn: »Dies erscheint gerechtfertigt, da jedwede unternehmerische Tätigkeit gerichtet ist auf die Erfüllung von Kundenbedürfnissen.«

Wirtschaft ist für die Menschen da. Niemand der in der Wirtschaft aktiv ist, gehört in irgendeiner Weise bestraft dafür, dass er initiativ aktiv wird und für andere arbeitet. In vielen Steuermodellen schimmert durch, dass die Autoren eine Verfolgung und Bestrafung der Unternehmer im Sinn haben, weil die Bösen sich um ihren Anteil an der Gemeinschaftsarbeit drücken. Aber ist das denn so? Der Eindruck ist ideologisch und aus der marxistischen Ecke, um dies der Verortung willen zu sagen. Viel wichtiger aber ist, das diese Sicht nicht zutrifft. Statt aktive, arbeitende Menschen zu bestrafen, sollen sie bestmögliche Unterstützung erhalten.

Die Steuererhebung ist wichtig, weil sie unter anderem darüber Auskunft gibt, was von der gemeinschaftlichen Wertschöpfung für das Bedingungslose Grundeinkommen verwendet wird. Bei Götz Werner wird geschaut, wo entstehen Produkte und Dienstleistungen und wo werden sie verbraucht. Und er untersucht, wo die Steuer heute erhoben wird und wo sie sinnvollerweise erhoben werden sollte.

»Während der steuerliche Eingriff in den Wertschöpfungsprozess diesen stets zu Ungunsten des einen oder anderen Produktionsfaktors verzerrt, trifft eine Besteuerung des Konsums alle Wertschöpfungsbestandteile gleichermaßen.«

Über eine Konsumbesteuerung werden alle Produktionsformen erfasst (Automation, Rationalisierung, Roboterisierung, Algorithmisierung des Arbeitsprozesses) und beim »Verzehr« der Produkte besteuert.

Die Wirkungen von Konsumsteuer und Grundeinkommen sind demnach:

»Durch ein Grundeinkommen wird der wichtigste Faktor einer Wirtschaft befreit, um selbstbestimmt initiativ zu werden: die menschliche Arbeitskraft.«

»Durch die Konsumsteuer wird der Faktor Kapital von Belastungen freigestellt, um seine Wirkung ungehindert entfalten zu können.«

Weiterhin muss anerkannt werden, dass heute ein Großteil der geleisteten Arbeit unentgeltlich erbracht wird (ehrenamtliche Tätigkeiten, Familienarbeit, Pflege, Betreuung, Kunst, Bildung), die man zusammengefasst als »Kulturarbeit« bezeichnen kann. Durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen würde diese Arbeit erst recht ermöglicht und besser anerkannt.

FAZIT:

In der Attac Konzeption sind wichtige Ansätze bezüglich der Geldhöhe und dem Grundeinkommensbegriff überhaupt. Allerdings wird zu viel Energie darauf verwandt, andere Menschen und imaginierte Gruppen von Menschen in die Pflicht nehmen zu wollen. Götz Werners Untersuchung des Wertschöpfungsprozesses erscheint mir schlüssig und unterstützenswert. Insgesamt tragen aber alle am Diskussionsprozess Beteiligten mit ihren Überlegungen zur Durchdringung des bGE-Gedankens bei.