Die Menschen werden ausgenutzt, benutzt und werden im laufenden Produktionsprozess (sowie produktionsnahe Dienstleistungen) nicht wirklich gebraucht. Das sieht man daran, dass klassische Arbeitsstellen aus dem regulären Arbeitsmarkt überhaupt nicht angeboten werden. Also Vollzeitstellen, unbefristet, in »systemrelevanten« Bereichen, die für die Versorgung der Bevölkerung notwendig sind. Da sind alle Stellen vergeben. Warum? Weil sie mit guter Anerkennung verbunden sind. Sei es symbolisch, durch gute Rahmenbedingungen und freiwillige Zusatzleistungen, oder in ausdrücklich guter Bezahlung und Arbeitszeitregelungen.
Übrigens, von wem kommen denn in erster Linie die Klagen über die faulen Arbeitslosen, die man mit Hartz4-Sanktionen auf Trab bringen müsste? Nun es sind natürlich die Erfinder von Hartz4, insbesondere Politiker. Bei vielen Kritikern der Arbeitslosen fällt auf, dass sie selbst von Steuergeldern leben, also von der Arbeit anderer Menschen. So kommt es nicht von ungefähr, dass diese »Kritiker« genau wissen, was für andere das Richtige ist.
Welche Arbeit sollen Arbeitslose verrichten. In welche Arbeiten werden sie vermittelt. Wenn es nicht der reguläre Arbeitsmarkt ist, nicht die wichtige Arbeit ist, die die Gesellschaft dringend braucht, in welche Jobs werden die Beschäftigungslosen dann vermittelt, durch die Agenturen und Zeitarbeitsfirmen?
Der Beschiss und Betrug der Arbeitsvermittlung besteht ja nicht in der »Vermittlung in Arbeit« an sich, sondern in der Unattraktivität der Arbeitsplätze, die angeboten werden! Hinzu kommt dann der Druck und Zwang durch die Sanktionsdrohungen, diese unattraktiven Arbeitsplätze annehmen zu müssen.
Meiner Erfahrung nach werden »nie« attraktive Arbeitsplätze über die staatliche Arbeitsvermittlung angeboten. Die Menschenrechtsverletzungen der Bundesregierung bestehen somit auch darin, ihren Bürgerinnen und Bürgern etwas anbieten zu wollen, was überwiegend auf Ablehnung bei den Menschen stößt und deren Menschenwürde verletzt. Die Menschen erkennen selbst, dass im Vergleich zu anderen Arbeitsplätzen, die sie vielleicht einmal hatten oder von denen sie erzählt bekommen, die Nachteile oder wenig verlockenden Aspekte der staatlichen »Angebote« überwiegen. Konkret: Wer will freiwillig Nachtarbeit machen, oder im 3-Schicht-Betrieb arbeiten? Es sind eher wenige Menschen, die das freiwillig gerne machen würden. Es sind eher jüngere als ältere Menschen. Ein Grund wäre vielleicht noch, dass diese Arbeit besonders gut bezahlt würde, und die Menschen eine Zeitlang halt mehr Geld haben würden, für ihre Konsumwünsche. Aber genau das trifft ja nicht zu, bei den staatlich vermittelten Tätigkeiten. Sie sind im Vergleich zum regulären Arbeitsmarkt eher schlecht bezahlt und eigentlich immer zeitlich befristet. Ein anderer Punkt, wenn ein Arbeitsloser von seinem Arbeitslosengeld lebt und leben kann, ist jede Art von »Arbeitsvermittlung« für diesen uninteressant, wenn er bei Abwägung seiner Situation bloß Nachteile sieht, durch Annahme des Arbeitsangebots. Welche Gründe gäbe es denn, ein Angebot anzunehmen: die Arbeit ist für den Arbeitslosen interessant, eine gute Bezahlung winkt, die Arbeitszeiten sind akzeptabel, die Differenz zwischen Arbeitslosengeld und Bezahlung durch den neuen Arbeitgeber ist so groß, dass eine Arbeitsaufnahme verlockend erscheint. Aber all dies müsste trotzdem in die Verfügung des Arbeitslosen selbst gestellt werden und es darf nicht sein, dass andere (das Job-Center oder die Agentur für Arbeit) bestimmen, was er zu tun hat. Der Arbeitslose kann auch eine Arbeit ablehnen, weil er erkennt, dass diese gesundheitlich nicht für ihn geeignet ist. Während Zeitarbeitsfirmen und staatliche Arbeitsvermittlung das gar nicht einschätzen können, was in diesem Fall angemessen ist, und trotzdem Druck ausüben, dass der Arbeitslose die Stelle annimmt.
Ein weiterer Grund, der den heutigen Arbeitslosen zum Missbrauchsopfer macht, ist seine Degradierung zum »Resteverwerter« am Arbeitsmarkt. Denn die Behandlung der Arbeitslosen bekommt eine Eigendynamik, die in der Folge zu einer ausdrücklichen Schlechterstellung dieser Menschen führt. Wie sieht das nun konkret aus? Zwei Dinge liefen in den letzten Jahren zusammen: einmal die wachsende Zahl an arbeitslosen Menschen, dann die Umwandlung von Arbeitsstellen in »Jobs«. Wenn nicht mehr so viele Vollzeitstellen gebraucht werden, kann ein Teil der Arbeit von zeitlich befristet angestellten Personen ausgeführt werden. So weit, so gut. Jetzt muss man sich das aber mal praktisch vorstellen. Der Arbeitgeber sagt der Belegschaft, »Leute, für Spitzenzeiten in der Produktion und im Vertrieb, beim Warenumschlag und im Versand brauchen wir ein paar Mitarbeiter mehr, sonst schaffen wir die Arbeit nicht«. Da aber die Arbeit in viele Einzelschritte aufgeteilt ist, bietet es sich an, zu überlegen, welche Arbeit denn die ZeitarbeiterInnen übernehmen sollen. Und bei diesen Überlegungen wirken natürlich auch die festangestellten Mitarbeiter selbst mit und nicht nur die Chefs. Und was machen die Mitarbeiter, ganz »natürlich«? Na, sie werden sich überlegen, welche Arbeit sie selbst nicht so gerne machen und werden dem Chef vorschlagen, dass die Zeitarbeiter diese Arbeit machen sollen. Solchen Vorschlägen wird sich auch der Chef nicht verweigern. Will er doch seine treuen, festangestellten Mitarbeiter halten (wenn er sie denn braucht). Beispiele: Der »neue« Mitarbeiter bekommt eine Arbeit, die gesundheitlich nicht unbedenklich ist. Natürlich wird dem Neuen gegenüber alles so dargestellt, als ob es selbstverständlich sei, was er da macht. Weil, die anderen Mitarbeiter haben diese Tätigkeit auch schon verrichtet. Die Arbeit verursacht einen Geruch. Beklagt sich dann der Mitarbeiter irgendwann, tut man ganz überrascht, bietet an, Abhilfe zu schaffen, zeigt aber auch gleichzeitig, dass man mit dem »Gemeckere« des Mitarbeiters nicht zufrieden ist. Der Mitarbeiter wird sich wahrscheinlich nicht lange in der Firma halten.
Ein weiteres Beispiel ist die Baustelle. Hier bekommt der Zeitarbeitnehmer die Aufgabe, den schweren, nassen Zement im Schubkarren durch die Gegend zu fahren, oder er soll ohne Schutzbrille und Ohrenschutz Metalle flexen, oder er soll in brütender Sonne einen Schacht ausheben. Nach Zeitarbeitsvertrag, sind maximal 10 Stunden Arbeitszeit vorgesehen. Die Baustellenkollegen verlangen aber das der Schacht in 12 Stunden Arbeit ausgehoben wird. Macht das der Zeitarbeiter nicht, wird er sofort wieder entlassen.
Überhaupt sind Arbeitszusammenhänge und Arbeitsbereiche, die körperlich belastend sind, besonders beliebt, beim Versuch Arbeitslose zu missbrauchen. Denn wer von den Festangestellten will sich sehenden Auges »selbst« bei der Arbeit schlecht stellen. Dann doch lieber die Zeitarbeiter damit belasten. Mit denen kann man es ja machen! So ist das ganze System des Umgangs mit den Arbeitslosen, mittlerweile auf deren Schädigung ausgerichtet.
Und wer sich einmal bewusst geworden ist, welche Möglichkeiten des Missbrauchs im Umgang mit den Arbeitslosen vorhanden sind, der nutzt sie irgendwann gezielt aus. Als Kollege oder als Arbeitgeber. Alles ist möglich. Hier ein weiteres Beispiel: die Überstunden. Es gibt kaum eine Zeitarbeit, bei der nicht von vornherein verlangt wird, Überstunden abzuleisten. Arbeitet man dann etwas länger in den betreffenden Bereichen, so stellt man fest, dass der reguläre Betrieb sich auf Kosten der Zeitarbeiter entlastet und schont. Die Arbeit wird so »verteilt«, dass das Unangenehme an den »ehemals Arbeitslosen, vom Arbeitsamt weitervermittelten, von der Zeitarbeitsfirma geschickten Zeitarbeitern« hängen bleibt.
Ein weiterer Bereich ist »Mehrarbeit«. Mehrarbeit fällt dann an, wenn zum Beispiel Kollegen sich krankmelden, die Arbeit aber trotzdem innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts erledigt sein soll. Ja was passiert da? Der Zeitarbeiter soll die Arbeit des festangestellten Mitarbeiters machen. Dieser hat sich krankgemeldet. Nun soll der Zeitarbeiter Mehrarbeit leisten, die er ja nicht bezahlt bekommt, zu einem insgesamt schlechteren Lohn, als Festangestellte, zu insgesamt schlechteren Arbeitsbedingungen. Warum also nicht gleich sich gezielt zu Lasten der Zeitarbeitnehmer krankmelden und sich selbst schonen! Auf die Idee kommen Festangestellte dann auch noch. Oder nehmen wir an, es kommen die »Brückentage«. Das heißt Donnerstag ist Feiertag und der darauffolgende Montag auch. Wer will da nicht auch am Samstag und am Freitag frei haben. Jetzt meldet sich der Festangestellte am Freitag krank. Der Zeitarbeiter hätte Frühschicht gehabt. Jetzt heißt es, er soll auch noch die Spätschicht machen, sonst läuft der Laden nicht und auch am Samstag soll er kommen, obwohl er da frei gehabt hätte.
Der ganze Umgang ist eine Verhöhnung dieser Menschen. Die Arbeitslosen werden wie Gefangene im Straflager behandelt. Es ist eine ausdrückliche Schlechterstellung. - Es ist Zwangsarbeit, wie wir sie in den 40er Jahren unter Hitler hatten. Genauso. Jetzt gab es einen Artikel im Tagespiegel, in wie vielen Betrieben, Läden in Berlin (und wahrscheinlich in ganz Deutschland) ZwangsarbeiterInnen arbeiteten. Beim Bäcker, Metzger, in den Fabriken. Ja man kann sagen »überall«. Denn die deutschen Männer waren ja an der Front. Wie sollten sie da in der Produktion mithelfen. Und dieses Missbrauchskonzept entfaltet sich heute wieder, mit denselben Konsequenzen des Umgangs.
Deshalb kann ich alle nur dazu auffordern, mitzuhelfen, dass dieses Sanktions- und Zwangsarbeitskonzept, welches durch Hartz4 und die Arbeitslosengesetze etabliert wurde, wieder abgeschafft wird.
http://www.tagesspiegel.de/berlin/ns-lager-es-geschah-ueberall/7947322.html